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Software im Reise- und Mobility Management

Software für das Reise- und Mobility Management: Bild: Julien Eichinger/Fotolia.de
Mit Softwareunterstützung um die Welt; Bild: Julien Eichinger/Fotolia.de

Dienstreisen finden in jedem Unternehmen statt. Sie müssen beantragt, genehmigt, organisiert, durchgeführt, abgerechnet, sowie Kostenstellen und Kostenträgern zugeordnet werden. Ohne Softwareunterstützung ist das Management der involvierten Prozesse heute nicht mehr mit einem vertretbaren Aufwand zu bewerkstelligen. Ungleich komplizierter und komplexer gestaltet sich die Entsendung von Mitarbeitern, Expatriates, die für längere Zeit auf Projekte im Ausland entsendet werden. Ein Global Mobility Tool, das bei der Vorbereitung und Durchführung von derlei Entsendungen begleitet, muss noch erheblich leistungsfähiger sein als eine Software, mit der „lediglich“ das Travelmanagement unterstützt wird.

Überschneidungen vorhanden

In ihrer grundsätzlichen Aufgabenausrichtung aber überschneiden sich diese beiden Bereiche an einigen Stellen. Auch wenn sie an sich klar getrennt und voneinander gut zu unterscheiden sind, kann hin und wieder eine eindeutige Abgrenzung knifflig werden. Nämlich zum Beispiel dann, wenn die Aufenthaltsdauer des Mitarbeiters im Ausland mehr als 183 Tage beträgt. Denn dann balanciert dieser an der gesetzlichen Grenze für Dienstreisen ins Ausland. Ist er dann noch Dienstreisender oder ist er dann bereits Expat?

Eindeutiger ist indessen: Echtes Travelmanagement im Rahmen der Auslandsentsendung findet ausschließlich dann statt, wenn der Mitarbeiter auf dem Weg zum endgültigen Ziel seiner Entsendung ist. Einige Experten behaupten, Travelmanagement ließe sich im weiteren Sinn sogar dem Bereich Global Mobility zuordnen.

Überschneidungen und Ähnlichkeiten existieren tatsächlich: beispielsweise im Risiko-Management. Nämlich dann, wenn man aus Sicherheitsgründen wissen muss, wo sich der Mitarbeiter gerade befindet. Dazu zählen Maßnahmen und Tools, die es Betrieben ermöglichen, ihre Mitarbeiter auf Reisen jederzeit zu lokalisieren und den Ablauf der Reise nachzuvollziehen, um vor und in Gefahrensituationen adäquat im Sinne ihrer Fürsorgepflichten zu agieren.

Traveller Tracking

Je größer das Unternehmen, umso häufiger der Einsatz: Das sogenannte „Traveller Tracking“ ist heute laut einer aktuellen Analyse des Verbands Deutsches Reisemanagement e.V. (VDR) bei 38 Prozent der größten Unternehmen mit über 1.500 Mitarbeitern im Einsatz. Weitere 30 Prozent beschäftigen sich damit. Im öffentlichen Sektor ist das Thema mehrheitlich noch nicht angekommen, denn 94 Prozent der Organisationen beschäftigen sich (noch) nicht damit. Ähnlich sieht es im Expat-Management aus. Und: Arbeitsgenehmigungen, Visa, Impfbestimmungen und ähnliche Vorschriften können sowohl Bestandteil des Travelmanagements aber auch der Mitarbeiterentsendung sein. Ebenso die Lokalisierung von Unterkünften und der Reisemittel vor Ort.

Hohes Optimierungspotenzial

Laut VDR-Geschäftsreisereport 2016 verursachten Dienstreisen in deutschen Unternehmen Kosten in Höhe von knapp 52 Milliarden Euro. Eine Optimierung der Prozesse und der Einsatz leistungsfähiger Software könnten dazu beitragen, diese Ausgaben erheblich zu senken. Ideal ist dabei eine möglichst hohe Integrationsdichte der verschiedenen am Reisemanagement beteiligten Funktionen und Prozesse, von der Beantragung der Geschäftsreise über die Online-Buchung bis zur Abrechnung im Finanzwesen. Quasi eine End-to-End-Reise-Lösung, die idealerweise zusätzliche Services bereitstellt. Derlei Services können beispielsweise Push-Nachrichten bei Flug- oder Bahnverspätungen sein. Oder intelligente Algorithmen schlagen, falls ein Zimmer im üblicherweise gebuchten Hotel nicht zur Verfügung steht, Alternativen vor und buchen diese gegebenenfalls genauso wie einen Mietwagen.

Software kann auch im Rahmen von Buchungen die Firmenpolicy prüfen und eine Buchung verweigern, wenn ein angestoßener Buchungsprozess nicht den Unternehmensrichtlinien für Dienstreisen entspricht. Geht es nach Marcus Krohn, dem Leiter Global Employer Services bei Deloitte Deutschland, sollten Unternehmen beim Thema Dienstreisen deshalb entsprechende Softwarelösungen auch zur Reduzierung möglicher Compliance Risiken einsetzen. „Beispielsweise können internationale Projekte, bei denen die Teammitglieder aus unterschiedlichen Länderorganisationen zusammengezogen werden, so komplex werden, dass Unternehmen, wenn überhaupt, nur noch mit überproportional hohem Aufwand in der Lage sind, alle Risiken zu berücksichtigen“, warnt Deloitte-Partner Krohn und ergänzt:

Man kann sagen, je komplexer die Bedingungen sind, umso eher sollte ein Unternehmen auf automatisierte Lösungen setzen.“

Für Daniela Polito-Cipollina, Geschäftsführerin des auf Sicherung der Reise-Compliance spezialisierten Unternehmens Sapere Aude, hört das Reisemanagement auch längst nicht mit der Abrechnung auf. Das nachgelagerte Reporting unterstütze den Travel Manager etwa bei zukünftigen Kaufverhandlungen von Reisedienstleistungen. Reisemanagement müsse aber auch Hand in Hand mit dem Global Mobility Management gehen. Denn zahlreiche internationale Gesetze regeln die Einreise, die Steuer- und –Sozialversicherungspflicht oder etwa die zu beachtenden Regelungen zum Mindestlohn, zur Arbeitssicherheit und dergleichen. Darüber hinaus seien Gesundheitsvorsorge und Reisesicherheit weitere Themen, die im Rahmen der Fürsorgepflicht immer mehr an Bedeutung gewännen. „Ohne entsprechende Softwarelösungen können weder Travelmanager noch Global Mobility Manager heute ihrer Aufgabe gerecht werden“, bestätigt auch sie.

Abfotografieren von Belegen

Alle Tool-Anbieter stellen mittlerweile das Reisemanagement über Webzugriff zur Verfügung. Ebenso sind zentrale Funktionen, beispielsweise die Beantragung, Genehmigung und Abrechnung inklusive dem Einscannen von Belegen, über Tablet und Smartphone heute Standard in den Angeboten der gängigen Reisemanagement-Softwarehersteller. Ein Thema, das zwar sehr trendy ist, aber letzten Endes bisher kaum zum Einsatz kommt, ist das Abfotografieren von Belegen für die papierlose Abrechnung. Damit werben zwar einige Anbieter und die meisten Anwender sind davon begeistert. Die Umsetzung scheitert zurzeit allerdings noch an internen und externen Hürden. Noch immer haben nicht alle Mitarbeiter mobile Endgeräte und oft verhindert der Betriebsrat, dass ein solcher Prozess nur privilegierten Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wird. Und: Die interne Revision hat nicht selten Bedenken, dass die Belege nicht steuerabzugsfähig sind oder beispielsweise das Betriebsstätten-Finanzamt nicht mitmacht.

Geht es um innovative Lösungen im Travelmanagement, dann fällt mir zum Beispiel die vollelektronische Bezahlung von Bewirtungen ein.“

kommentiert Andreas Wilbers, Professor für Touristik an der Hochschule Worms, neue Ideen beim Einsatz von Software im Reisemanagement. „Das funktioniert folgendermaßen: Restaurants müssen eine Software installieren, die es Mitarbeitern von Unternehmen erlaubt, direkt im Lokal die bewirteten Personen und den Anlass der Bewirtung auf ihrem Smartphone einzugeben. Diese Daten werden an das System im Restaurant weitergeleitet, in dem der Bezahlprozess angestoßen wird. Und von dort aus gehen die Daten automatisiert an das Reisekostenmanagement-System des Arbeitgebers.“ Das Problem sei allerdings, so Wilbers, dass diese Form der Prozessoptimierung im Reisemanagement in Deutschland bisher noch nicht sehr populär sei, auch deshalb, weil die entsprechenden Lösungen noch kaum in den Restaurants im Einsatz seien.

Für Einsteiger ist der Anbietermarkt unübersichtlich. Bekannte Travelmanagement-Lösungsanbieter in Deutschland für kleinere und mittlere Unternehmen sind unter anderem HR Works, Mobilexpense, Datev und Sage. Im Großkundensegment finden sich beispielsweise SAPs Travel Management/Concur, Cytric von i:FAO, aber auch Reiseportale wie Amadeus oder Airplus.

Anbieter und Berater

Im Reisemanagement genügt für einen sauberen Prozess neben den Fachkenntnissen der Sachbearbeiter meist die Installation oder Nutzung einer entsprechenden Software – zunehmend in der Cloud –, sowie Anwenderschulungen. Im Mobility Management hingegen begleiten Relocation Dienstleister (zum Beispiel GMS, NEI, RMW, Cornerstone Relocation, GBRS) und auch die großen Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer Deloitte, EY (Ernst & Young), KPMG und PWC, diesen hochkomplexen Vorgang. Der reicht von der fachlichen Beratung zum Expat-Management in all seinen vielfältigen Facetten über die Bereitstellung von Datenbanken, bis hin zu komplexen Softwarewerkzeugen mit Portalfunktion, über die die gesamte Auslandsentsendung aller Mitarbeiter gemanagt wird. Die Relocation-Dienstleister nutzen dazu intern entweder selbstgestrickte Lösungen wie Trackstar oder frei verfügbare Relocation-Software, zum Beispiel Polaris, Quick Move, Bitrix 24 oder Relo Tracker.

Bis hin zur kompletten Suite

In der Regel verfügen alle Dienstleister und Consulter über umfangreichste und stets aktuelle Datenbestände zu allen rechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Regeln, zu Preis- und Lebenshaltungs-Indizes in den unterschiedlichsten Ländern und mehr. Mittlerweile auch hier Standard: Die Klienten rufen diese Daten mittels Logins über das Web ab. Bei höheren Entsendevolumina wird eine komplette Suite, die meist ebenso mit einer Portalfunktion ausgestattet ist und die neuerdings auch in der Cloud verfügbar sind, installiert. Diese lassen sich mit den vorhandenen ERP- beziehungsweise HR-Systemen verbinden, um auf die Personalstammdaten zugreifen zu können. Aus Datenschutzgründen erlauben die führenden ERP- oder HR-Systeme den bi-direktionalen Datentransfer indessen kaum und wenn, dann eher sparsam.

„Wer im Unternehmen mit dem Thema Auslandsentsendung zu tun hat, der muss sich unter anderem um eine große Vielzahl von Terminen, Fristen, Anträgen und Genehmigungen kümmern“, kommentiert Ulrike Hellenkamp, Expertin für Global Mobility bei Mercer Deutschland, die hochkomplexe Situation im Expat-Geschäft.

Wenn hier geschludert wird, kann das zu unangenehmen Konsequenzen für Mitarbeiter und Unternehmen führen.“

Ähnlich sieht es ihre Kollegin, Nina Erdell, Director Global Employer Services bei Deloitte Deutschland und dort für den Bereich Technology zuständig. Auch für sie ist das Entsendungsgeschäft ohne Softwareunterstützung überhaupt nicht mehr denkbar: „Ich muss als Unternehmen meine Mitarbeiterpopulation kennen und wissen, wo diese tätig wird“, so Erdell. „Das sollte über entsprechende Tools überwacht werden.“

Ähnlich wie im Travelmanagement führen auch in den Lösungen von Mercer, Deloitte und den anderen Consultern Schnittstellen zu Travel-Portal-Anbietern bestimmte Vorprüfungen im Hinblick auf Compliance-Anforderungen vor Dienstreisen durch, bevor diese überhaupt gebucht werden können. Ebenso vorhanden in den gängigen Lösungen: Über automatisierte Warnstufen für Dienstreisen, werden beispielsweise Visa oder Arbeitserlaubnisse angezeigt.

System muss zu den Entsendeländern passen

Auch nach Erfahrung des Personalers und Entsendungsexperten Jens Gehrmann ist das Thema Auslandsentsendungen ohne IT-Unterstützung nicht mehr zu stemmen. Eine solche Lösung, so Gehrmann, müsse aber auch für Unternehmen mit wenigen Entsendungen noch bezahlbar sein. Dann schränkt er ein: „Eine wirklich brauchbare IT-Unterstützung muss allerdings äußerst flexibel sein und den spezifischen Bedingungen in den einzelnen Unternehmen und Ländern entsprechen.“

Hinzu kommen sich ändernde Rahmenbedingungen und vielfältige Workflows mit Behörden, externen Dienstleistern sowie auch innerbetrieblich.“ Deshalb könne ein solches System aufgrund der Vielfalt der Parameter im Grunde genommen nur aus der Perspektive eines Entsendungslandes anwendbar sein. „Das wiederum“, ergänzt er, „ist weder für große, multinationale Kunden, noch für potenzielle Anbieter einer entsprechenden Systemlösung attraktiv.“

Daten zu stark verteilt

Weil sowohl im Travel- als auch im Global Mobility Management enorme Mengen an Bewegungsdaten der Mitarbeiter zur Verfügung stehen, haben mittlerweile leistungsfähige Analyse-Algorithmen Einzug gehalten. Laut einer aktuellen Studie des US-amerikanischen Relocation und Global Mobility Spezialisten GBRS steht allerdings etwa die Hälfte der befragten Unternehmen vor dem Problem, mit diesen Daten zuverlässiges Reporting durchzuführen. Der Grund: Die benötigten Daten lagern oft in unterschiedlichen, nicht miteinander verbundenen Datenbanken. Dieser Umstand ist noch die größte Herausforderung, wenn es um belastbare Erkenntnisse und Prognosen vor allem im Bereich prädiktiver und – im Weiteren – präskriptiver Aussagen und entsprechender Maßnahmen zur Optimierung von Prozessen und zur Senkung von Kosten in diesem Umfeld geht.

Der Mensch bleibt

Bei allem Einsatz von Algorithmen und gegebenenfalls auch KI bleibt die Frage, welche Aufgaben der Mensch in einem vollautomatisierten Expat-Management-Prozess noch spielen wird. Global Mobility Managerin Hellenkamp meint dazu, das Geschäft mit Auslandsentsendungen sei zu komplex, als dass man es völlig per Software automatisieren könne. Nach ihrer Ansicht werde der Mensch im Global Mobility Management trotz immer intelligenterer Softwarelösungen nie vollends verschwinden, denn nicht alles sei zahlen-, daten- und faktenbasiert: „Immer wieder treten besondere Situationen ein, die digital überhaupt nicht abbildbar seien“, lautet ihr Fazit.

Hinweis: Anbieter und Berater rund um den Bereich "Auslandsentsendung" finden Sie in unserem › Anbieterverzeichnis.