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„Klarheit schaffen und Sichtweisen austauschen“

Feedback geben und Ziele vereinbaren – das steht bei Jahresgesprächen oft im Mittelpunkt. Dabei spielt für deren Erfolg das Führungsverhalten im und nach dem Gespräch eine entscheidende Rolle. Über die Bedeutung der Nachbereitung haben wir mit Dr. Bernd Slaghuis, Führungskräfte- und Karriere-Coach, gesprochen.

Foto: privat
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Personalwirtschaft: Herr Slaghuis, Mitarbeiter knüpfen an Jahresgespräche in der Regel gewisse Erwartungen. Welche sind das Ihrer Erfahrung nach?
Slaghuis: Der erste Gedanke von Mitarbeitern ist häufig, wenn es um das Jahresgespräch geht: „Hoffentlich ist das schnell erledigt und das Feedback nicht allzu schlecht.“ Eine Pflichtveranstaltung, bei der Kreuzchen im dafür vorgesehenen Formular gemacht werden. Der zweite Gedanke befasst sich oft mit der Inhaltsebene. Dabei geht es meist um den Wunsch, wenigstens einmal im Jahr ein wertschätzendes Feedback für die geleistete Arbeit zu erhalten. Denn viele Beschäftigte haben das Gefühl, dass der Chef nicht sieht, was sie leisten. Mitarbeiter möchten wissen, welchen Mehrwert sie dem Unternehmen gebracht haben. So erhält die Arbeit für viele erst einen Sinn.

Wie steht es um das Gehalt? Erwarten Mitarbeiter in oder nach dem Gespräch eine Gehaltserhöhung?
In Coachings fragen mich Mitarbeiter häufig, ob sie im Jahresgespräch mit dem Chef auch über das Gehalt sprechen dürfen. Die Gehaltsfrage ist für viele ein heikles Thema. Sie sind sich unsicher, ob das Mitarbeitergespräch dafür geeignet ist, darüber zu sprechen und vielleicht sogar Forderungen zu stellen. Ich bin der Meinung, dass dies ein guter Anlass ist, um auch über das Finanzielle zu sprechen. Die Gehaltserhöhung sollten Mitarbeiter jedoch besser an zukünftigen Projekten festmachen statt an ihren guten Leistungen in der Vergangenheit. Schließlich geht es im Gespräch um die Ziele für die weitere Zusammenarbeit. Ich gehe noch einen Schritt weiter: In einem Jahresgespräch darf und sollte alles einen Platz haben, was Mitarbeitern wichtig ist. Ein gutes Jahresgespräch ist ein echter Dialog und damit ein Gespräch, das Angestellte auch mit ihrem Chef führen.

Wie sollten Führungskräfte mit der Erwartungshaltung von Mitarbeitern nach dem Jahresgespräch umgehen? Wie sieht die optimale Nachbereitung aus?
Im ersten Schritt finde ich es wichtig, solch ein Gespräch erst einmal sacken zu lassen. Sich selbst als Führungskraft ausreichend Zeit zu nehmen, um das Gesagte und auch das beobachtete Verhalten zu reflektieren: Was ist gut gelaufen? An welchen Stellen gab es unterschiedliche Perspektiven und woran kann dies gelegen haben? Wo gab es ausgesprochene Konflikt- oder Streitpunkte und wie sind beide Seiten damit umgegangen? Alles das gibt Antworten darauf, was einem Mitarbeiter an seiner Arbeit wichtig ist.

Und weiter?
Schließlich sollte es einem Chef im Jahresgespräch auch darum gehen, zu erfahren, was der Mitarbeiter benötigt, damit er weiter motiviert ist und gesund bleibt. Führungskräfte sollten so erkennen können, welche Art der Führung jeder Einzelne benötigt. Diesen Blick haben viele Führungskräfte heute nicht und führen nach dem Gießkannenprinzip. Die Folge: Sie setzen Mitarbeiter falsch ein, es entsteht Frustration. Fragen Sie Ihre Mitarbeiter im Gespräch, was für sie bei der Arbeit besonders von Bedeutung ist. Bei der Reflexion im Nachgang sollten Chefs auf dieser Basis auch das eigene Führungsverhalten hinterfragen und womöglich anpassen.
Ebenfalls zum Nachbereitungsprozess gehört die korrekte Dokumentation des Besprochenen. Dieses Gesprächsprotokoll sollte der Mitarbeiter erhalten und kommentieren können, bevor es in der Personalakte abgelegt wird. Insbesondere für die besprochenen Ziele sollte eine Zustimmung durch den Mitarbeiter erfolgen, dass die Vereinbarungen so richtig dokumentiert sind.

Im Laufe des Jahres kann es passieren, dass Unternehmen die Vereinbarungen aus dem Feedbackgespräch nicht einhalten können. Wie sollten Führungskräfte damit umgehen?
Als Führungskraft halte ich es grundsätzlich für wichtig, Vereinbarungen einzuhalten. Beim Thema Weiterbildung etwa sehe ich jedoch auch die Mitarbeiter in der Pflicht, Zusagen ihrer Chefs eigenverantwortlich weiter zu verfolgen. Führungskräfte können nachfragen: „Wie steht es um unsere Vereinbarungen aus dem Jahresgespräch? Wie ist es mit der Weiterbildung?“ Beide Seiten sind in der Verantwortung, an vereinbarten Themen zu arbeiten – das ganze Jahr. Es gibt nichts Schlimmeres, wenn eine Vereinbarung im nächsten Jahr wieder Teil des Gespräches ist, nur weil sie im Trubel des Tagesgeschäfts keine Beachtung gefunden hat.

Aber was ist, wenn nicht die Führungskraft, sondern das Unternehmen die Vereinbarungen nicht halten kann?
Das kommt vor, schließlich ist es nur ein Plan. Dann ist es wichtig, in den Dialog zu gehen, die Hintergründe und vielleicht auch verschiedenen Sichtweisen auszutauschen und somit Klarheit zu schaffen. Es kann sein, dass sich der Markt verändert hat oder Produkte nicht so gut angenommen wurden, wie erwartet. Es muss also nicht immer mit der Leistung des Mitarbeiters zusammenhängen. Auch Mitarbeiter sollten ihre Führungskraft unterjährig ansprechen, wenn ihnen eine Anpassung der Zielvereinbarung wichtig ist. Von Mitarbeitern in Vertriebspositionen erfahre ich im Coaching manchmal, dass Arbeitgeber zum Jahresende einfach so die Ziele aufstocken, um den Umsatz anzukurbeln. Auch hier ist es wichtig, dass der Vorgesetzte Klarheit schafft, um dem Gefühl von Ungerechtigkeit und Frust vorzubeugen und Mitarbeitern die Möglichkeit geben, sich dazu zu äußern. Denn die heimliche Veränderung der Zielvereinbarung an der Person vorbei ist alles andere als wertschätzend.

Zur Person: Bernd Slaghuis ist Karriere- und Führungskräfte-Coach und hat insbesondere das Thema gute Führung aufgegriffen. Weitere Infos zu ihm auf seiner Website www.bernd-slaghuis.de.