Eins muss man Elon Musk ja lassen: Er weiß, wie man im Gespräch bleibt. Erst will er Twitter kaufen, dann doch nicht, wird aber mehr oder weniger dazu gezwungen. Und dann ist eine seiner ersten Amtshandlungen, ganze Abteilungen zu entlassen – nur um einen signifikanten Teil der Leute wenige Tage später wieder einzustellen.
Fast schon langweilig wirkt dabei die Ankündigung Musks, dass der zusätzliche monatliche freie Tag, den Twitter-Beschäftigte in den letzten Jahren bekamen, gestrichen ist. Und natürlich die Aussage, dass für ihn nur die Arbeit im Büro echte Arbeit ist. Immerhin: „Wenn Sie physisch nicht in der Lage sind, in ein Büro zu reisen oder eine wichtige persönliche Verpflichtung haben, ist Ihre Abwesenheit natürlich verständlich“, soll Musk in einer E-Mail an die verbliebenen Beschäftigten geschrieben haben.
Die Sache mit dem Homeoffice kennt man schon aus dem Sommer bei Musks anderer großer Firma, Tesla. In einer ebenfalls geleakten E-Mail verbat er den Beschäftigten zwar nicht ausdrücklich, im Homeoffice oder von unterwegs zu arbeiten. Er stellte aber klar, dass sie mindestens 40 Stunden im Büro sein müssten. Der folgende Aufschrei der New-Work-Bubble war absehbar: Eine Büropflicht sei nicht mehr zeitgemäß, jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin solle die Möglichkeit haben, von zu Hause zu arbeiten (solange der Job es zulässt). Es wurden Studien zitiert, die zeigten, dass die Menschen daheim produktiver seien. Ebenso wenig überraschend lesen sich die Gegenargumente, die mit ein paar Stunden oder Tagen Verspätung kamen: Nur wenn möglichst viele Leute im Büro sind, könne ein Teamspirit entstehen; die Leute seien im Büro einfach kreativer und machten einen besseren Job. Die gleiche Diskussion also wie immer, wenn irgendwo eine Homeoffice-Pflicht eingeführt wird oder der Arbeitsort komplett freigestellt wird.
Verscherz es dir nicht mit den Fachkräften!
Um es klar zu sagen: Natürlich gibt es Unternehmen und Teams, in denen es sinnvoll ist (oder allen Beteiligten so erscheint), dass in der Regel alle gemeinsam im Büro arbeiten. Doch das sollte dann auch sinnvollerweise gemeinschaftlich entschieden werden – und nicht von oben herab für zehntausende Beschäftigte.
Den zweiten – seinen möglicherweise noch größeren – Fehler dürfte Elon Musk daher durch die Form seiner Ankündigung beziehungsweise Akklamation gemacht haben. Nicht weil eine solche interne E-Mail nicht lange intern bleibt; das Leaken mag sogar eingeplant gewesen sein. Sondern weil eine Massen-E-Mail wahnsinnig unpersönlich ist, während ja gerade die gemeinsame Arbeit im Büro von vielen als wertvoll und wichtig wahrgenommen wird – welche Ironie! Und natürlich weil eine E-Mail, in der eine solche Regel vom „obersten Boss“ verkündet wird, ohne Diskussion oder Erklärungen und/oder Nachfragemöglichkeit, nicht gerade von einer wertschätzenden Führungs- und Unternehmenskultur zeugt. Dass nur wenige Tage nach der Homeoffice-E-Mail bei Tesla Massenentlassungen bekannt gegeben wurden, passt da ins Bild. Und auch, dass die Massenentlassungen bei Twitter natürlich per E-Mail bekanntgegeben wurden – die nicht einmal mit irgendeinem Namen unterzeichnet war, sondern lediglich mit „Twitter“.
Irrlichternde Hybris
Nicht zuletzt in Zeiten des Fachkräftemangels sollten sich Unternehmen zweimal überlegen, ob sie es sich mit hunderten oder tausenden Mitarbeitenden verscherzen wollen – zumal auch potenzielle Neuzugänge von solchen Querelen hören und mit Blick auf eine mögliche Bewerbung dankend ablehnen. Noch im Frühsommer landete Tesla im Trendence-Schülerbarometer auf Rang fünf der attraktiven Arbeitgeber. Ob das im kommenden Jahr anders sein wird, bleibt abzuwarten.
Natürlich werden Tesla und Twitter auch weiterhin Bewerbungen bekommen, vermutlich sogar deutlich mehr als viele andere Unternehmen. Denn immer noch gilt ihr Chef als charismatischer Visionär. Zudem kann sich Elon Musk als reichster Mensch der Welt sicher mehr Fehltritte leisten als manch anderer. Doch seine irrlichternde, entkoppelt wirkende Hybris irritiert zunehmend. Seinen Führungsstil als direktiv zu beschreiben, passt nicht mehr. Diktatorisch – das trifft es besser. Weniger charismatische (oder reiche) Führungskräfte und Arbeitgeber tun gut daran, das Verhalten des reichsten Mannes der Welt nicht zu kopieren.
Der Text ist die überarbeitete Fassung einer „Stilkritik“, die zuerst in der Personalwirtschaft 7/2022 erschienen ist. Als Abonnent oder Abonnentin haben Sie Zugriff auf unser Archiv mit allen Ausgaben der letzten Jahre.
Matthias Schmidt-Stein koordiniert als Chef vom Dienst die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet die Onlineredaktion. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.