Industrie 4.0 und die Digitalisierung betreffen im starken Maße den HR-Bereich. Wie muss sich der HR-Manager für diese Zukunft ausrichten? Er muss mit Mut und Selbstvertrauen neue Themen aufgreifen, die sich nicht mehr rein im klassischen Personalmanagement befinden, meint Prof. Dr. Gunther Olesch.
Während meiner langjährigen Berufserfahrung sind mir viele HR-Manager begegnet. Der überwiegende Teil der HR-Manager von heute definiert sich primär durch seine klassischen Personalaufgaben. Von der Personalplanung über die Worklife-Phase bis zum Rentenalter werden viele Maßnahmen ergriffen, die die Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden für das Unternehmen positiv beeinflussen sollen. Organisations- und Personalentwicklung in der Arbeitswelt 4.0 stehen dabei im Vordergrund. Digitalisierung, Demografie, Globalisierung und der Wertewandel der jüngeren Generationen bilden dabei nicht ganz neue, aber große und spannende Herausforderungen.
Insbesondere Industrie 4.0 und die Digitalisierung betreffen im starken Maße auch den HR-Bereich. Neue IT-Systeme werden klassische HR-Aufgaben effizienter machen und auch teilweise rationalisieren (Kaufmann, 2015). Schon heute können Bewerbergespräche per Videointerviews durchgeführt werden. Auch E-Learning gestaltet die Arbeit des Bildungsmanagers effektiver. Internationale IT-HR-Templates werden einen effizienteren Umgang mit Personaldaten ermöglichen. Durch die Digitalisierung werden bürokratische Aufgaben der HR-Verantwortlichen einfacher und durch IT-Systeme substituiert.
Wie muss sich der HR-Manager für diese Zukunft ausrichten? Er muss mit Mut und Selbstvertrauen neue Themen aufgreifen, die sich nicht mehr rein im klassischen Personalmanagement befinden. Bei diversen HR-Verantwortlichen liegt hier jedoch ein gewisses Beharrungsvermögen, die Zeit vor der Digitalisierung zu einem Teil zu bewahren. Das habe ich häufig auf Konferenzen und Kongressen gespürt.
Der auf Zukunft ausgerichtete HR-Manager muss sich unternehmensstrategischen Themen widmen, die auch außerhalb seiner traditionellen HR-Kompetenz liegen. Er muss sich stärker um die langfristig angelegten Unternehmensstrategien zur Erreichung der gesetzten Visionen und Ziele bemühen. Dabei sollten mittelfristige (ca. drei bis fünf Jahre) und langfristige (ca. fünf bis zehn Jahre) Unternehmensziele im Mittelpunkt sein. Der HR-Manager sollte bewirken, dass er in oder mit der Geschäftsleitung die Zukunft des Unternehmens gestaltet (Olesch, 2016 a). Daher muss er sich in das Thema Unternehmensstrategie und -prozesse verstärkt einarbeiten. Themen wie zukünftige Märkte und Marktentwicklungen in einer globalisierten Welt sollten in seinen Fokus gelangen. Welche Produkte, Lösungen und Dienstleistungen benötigen die Kunden von morgen? Welche Entwicklungs- und Produktionsmöglichkeiten müssen geschaffen oder ausgebaut werden? Welche Vertriebskanäle wie Direktverkauf und E-Sales werden eine relevante Rolle spielen?
Das sind keine traditionellen Themen von HR, sollten jedoch in Zukunft eine neue wichtige Ausrichtung sein. Zufriedene Kunden liefern den Umsatz, woraus eine Basis geschaffen wird, die Zukunft des Unternehmens zu entwickeln. Und schließlich werden auch die Personalkosten durch einen guten Umsatz getragen.
Der HR-Verantwortliche sollte mehr von den Bedürfnissen des Kunden aus agieren. Er muss sich stärker in ihn hineindenken. Klassische Kundenanforderungen sind, passende und innovative Produkte sowie Lösungen zum gewünschten Zeitpunkt mit entsprechender Qualität und dem adäquaten Preis-Leistungsverhältnis weltweit zu erhalten. Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen diese Bedürfnisse besser erfüllt werden als von den Marktbegleitern. |
Von Kunden und Markt sollte der HR-Manager die Strategie des Unternehmens mit ableiten und entwickeln. Um dabei von einer Geschäftsleitung akzeptiert zu werden, muss er selbstverständlich Kenntnisse über Markt-, Kunden- und Produktentwicklung gewinnen. Denn ein Unternehmen muss immer vom Markt her entwickelt werden.
Diesen Kreislauf sollte sich der HR-Manager zu Herzen nehmen. Nur wenn dieser von einem Unternehmen optimal erfüllt wird, kommt ein entsprechender Umsatz zustande, der dem HR-Manager seine klassischen Aufgaben ermöglicht. Zur strategischen Zielplanung gehören Unternehmenspolitik und Unternehmensleitbild. Daraus werden Unternehmens- und Geschäftsbereichsstrategien abgeleitet. Zur Letzteren gehört die HR-Strategie. Alles kann der HR-Verantwortliche mitgestalten, wenn er vom Markt und Kunden her denkt und handelt. Ganzheitliche Unternehmensstrategien sollten sein Ziel sein. Der moderne HR Manager sollte auch über die Aufgaben von HR hinaus weitere Schlüsselfunktionen innerhalb der Geschäftsleitung übernehmen. Dadurch erhält er mehr Gewicht. Das ist keine theoretische Forderung. Weil ich stets den geschilderten Ansatz verfolgt habe, gehören heute neben Human Resources auch Information Technology und Facility Management zu meinen Aufgaben innerhalb der Geschäftsführung von Phoenix Contact.
Die drei Themen passen sehr gut zusammen, da sie auf den langfristigen Unternehmenserfolg ausgerichtet sind und stark voneinander abhängig sind. Wenn man sich am Kunden und Markt orientiert, wird man in der Unternehmensstrategie definieren, in welche Märkte man mit welchen innovativen Produkten gehen will. Daraus wird abgeleitet, wieviel Personal mit welcher Qualifikation man in welchen Ländern benötigt. Dafür müssen Pläne erstellt werden, welche Gebäude gekauft, geleast oder gebaut werden müssen, um die Menschen unterzubringen. Da die zukünftigen Mitarbeitenden alle notwendigen Daten zu Verfügung haben müssen, ist eine adäquate Informationstechnologie vorausschauend zu implementieren. Alle drei Geschäftsbereiche sind voreilend zu planen, weil ihre Umsetzung teilweise bis zu drei Jahre dauert. So hat Phoenix Contact Leitlinien bzw. Missionen erstellt, die als langfristige Orientierung für alle drei Bereiche dienen:
Mission Human Resources: Gewinnen, Begleiten und Entwickeln von begeisterten Menschen und Schaffen von Rahmenbedingungen, um den globalen Erfolg der Unternehmensgruppe zu fördern. |
Mission Information Technology: IT agiert als globaler Service Provider für die Phoenix Contact Gruppe. Die IT verantwortet die Weiterentwicklung der zentralen Anwendungen und ermöglicht digitale Innovationen als Partner der Fachbereiche. |
Mission Facility Management: Gebäude und Produktionsanlagen der Unternehmensgruppe sowie integrierte Inhalte, Systeme und Prozesse sind kontinuierlich einsatzbereit und funktionsfähig und derart gestaltet, dass sie den unternehmerischen und personellen Anforderungen jederzeit gerecht werden. |
Der HR-Manager als Generalist
Eine wesentliche Voraussetzung ist es also, Know-how in anderen Managementthemen zu besitzen. So sollte sich der HR-Manager in Themen wie Produktion, Entwicklung, Marketing und Vertrieb einarbeiten. Hier wird von ihm zwar kein Detailwissen verlangt, aber er muss über Kenntnisse hinsichtlich der Themen verfügen, die die allgemeine Unternehmensführung tangieren. Er sollte sich auf ein generalistisches Know-How ausrichten und sich von seinem Personaldetailwissen ein wenig distanzieren. Initiative und Mut gehören ebenfalls dazu, um mit anderen Mitgliedern der Unternehmensleitung kompetent Unternehmensstrategien zu gestalten. Dabei ist es wichtig, mit dem Kopf über die Wolken zu sehen und mit den Füßen auf dem Boden zu stehen. Denn wenn beides berücksichtigt wird, kommt der Erfolg zustande.
Der HR-Manager als Steering Partner
Der HR-Manager sollte sich nicht mit der Beraterrolle der Unternehmensleitung zufrieden geben, sondern als Mitglied der Geschäftsleitung. Von der Position der Unternehmensleitung aus kann er erfolgreiche Konzepte für Human Resources realisieren, die das Unternehmen nach vorne bringen und dessen Zukunft sichern und ausbauen. Natürlich gehört dazu viel Mut. Mut, wichtige unternehmensstrategische Entscheidungen zu treffen und sie gegenüber Unternehmensleitung und Management zu vertreten.
Der HR-Manager als Visionär
Viele Versuche wurden unternommen, um eine Wertschöpfung und Renditesteigerung der HR-Leistung zahlenmäßig zu erfassen. So wurden Personalstabsabteilungen mit wochenlangen und kostenaufwendigen Analysen konfrontiert. Die Erkenntnis daraus besteht meistens darin, dass eine dezidierte Validierung von diversen Personalthemen äußerst aufwendig ist. Weisen Sie mal eine Renditesteigerung durch Führungstrainings nach. Es ist kaum möglich.
Mit Personalthemen kann man am besten überzeugen, wenn man selbst an den Erfolg glaubt und diese Überzeugung glaubwürdig vertritt. Hier spreche ich vom HR-Manager als Visionär. Er sollte sich wie ein guter Verkäufer verhalten. Auch wenn beim ersten und zweiten Mal der Kunde kein Interesse zeigt, bleibt er am Ball und wird ein weiteres Mal durch die Überzeugung von seinem Produkt den Kunden schließlich doch gewinnen. Wie eine gute Unternehmensleitung, die, wenn ihr der Wind ins Gesicht bläst, nie aufgibt und dabei immer die Zukunft und die eigene Vision im Auge.
Der HR-Manager als Begeisterer
Eine Unternehmensleitung muss motivieren, ja mitreißen und begeistern können. Nur dann folgen die Mitarbeiter und das Unternehmen wird erfolgreicher. Das ist auch die Herausforderung an einen Personalmanager, der in die Unternehmensleitung aufgenommen werden und dort erfolgreich tätig sein will. Sie sollten ihre Persönlichkeit derart entwickeln, dass sie eine hohe Begeisterungsfähigkeit haben. Die besten Argumente wirken wenig, wenn neben dem Kopf nicht auch das Herz angesprochen wird. Begeisterung kann man nur vermitteln, wenn man mit Mut an seine Visionen und an die eigenen Fähigkeiten glaubt.
Zukunftschancen für HR-Manager
Die Chancen für Personalmanager, in die Unternehmensleitung aufzusteigen und weitere Geschäftsbereiche zu übernehmen, sind vorhanden. Die demografische Entwicklung, die Globalisierung, der Wertewandel und Industrie 4.0 stellen unsere Unternehmen vor gewaltige Herausforderungen. Ab 2020 wird die Anzahl der Fachkräfte in Deutschland stark zurückgehen. In zehn Jahren werden wir fast zehn Millionen weniger Arbeitnehmer haben. Mit solchen Fakten können die HR-Manager, die diese Herausforderungen rechtzeitig annehmen, im Unternehmen punkten. Unsere Mitarbeiter sind die Antriebskräfte der Unternehmen. Ohne sie werden wir unsere starke weltweite Exportposition nicht halten können. Durch intelligente, strategische und vorauseilende Geschäftsstrategien wie Gewinnung neuer Märkte, Arbeitswelt 4.0 und deren erfolgreiche Umsetzung können wir, die HR-Verantwortlichen, den Erfolg unserer Unternehmen entscheidend mitgestalten. Mit dem Kopf über den Wolken und den Füßen auf der Erde. Nutzen wir unsere Chancen.
Literatur:
- Kaufmann, T. Geschäftsmodelle in Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge: Der Weg vom Anspruch in die Wirklichkeit, Springer Verlag, 2015.
- Olesch, G. Was sie erfolgreich macht? In: Personalmagazin, 11, 2016 a.
Autor: Prof. Dr. Gunther Olesch, Geschäftsführer Human Resources, Information Technology und Facility Management bei Phoenix Contact.