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Wie spricht man über mentale Gesundheit am Arbeitsplatz?

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Schritt für Schritt wird in Unternehmen mehr über mentale Gesundheit gesprochen. Arbeitgeber und Mitarbeitende sind aufgeklärter als noch vor ein paar Jahren und haben ein größeres Bewusstsein für das Aufkommen von psychischen Problemen. Doch es ist noch ein langer Weg zu gehen, bevor diesbezügliche Missverständnisse, Vorurteile und Berührungsängste ganz verschwunden sind. Woran liegt das? Und wie können wir „richtig” über mentale Gesundheit sprechen?

Woher kommt die Angst, über mentale Gesundheit im Job zu sprechen?

Historisch betrachtet haben Menschen, weil es an Wissen und Aufklärung fehlte, psychische Probleme oft als Schwäche angesehen, die Betroffenen in der Arbeitswelt im Weg steht. Dieser Gedanke ist gerade in einer Leistungskultur, wie wir sie in Deutschland haben, präsent. Dadurch haben Betroffene oftmals das Gefühl: Du wirst als nicht leistungsfähig angesehen, wenn du auf der Arbeit zugibst, mentale Probleme zu haben. 

Viele Betroffene schämen sich zudem, die eigenen Erwartungen an ihre Leistungsfähigkeit nicht zu erfüllen, haben Angst vor der Reaktion anderer oder wollen Freunden, Kolleginnen und Chefs nicht zur Last fallen. Aus dieser Scham oder Angst heraus, suchen sich viele zu spät Unterstützung.

Warum ist es wichtig, auch am Arbeitsplatz über mentale Gesundheit zu sprechen?

Das Wichtigste zuerst: Mentale Probleme frühzeitig anzusprechen, kann helfen, größerem Leid und längeren Ausfällen vorzubeugen. Denn in der Regel gehen psychische Probleme nicht einfach weg, sondern werden schlimmer, wenn nichts getan wird. 

Außerdem kann es viele bereits entlasten, mit Kollegen und Kolleginnen oder Führungskräften über ihre psychischen Herausforderungen zu sprechen. Denn oft kostet es Kraft, diese Probleme auf der Arbeit „einfach” wegzuschieben oder gar zu verheimlichen.

Wenn Mitarbeitende offen über ihre mentale Gesundheit sprechen, schafft das auch die notwendige Transparenz, um Rücksicht zu nehmen und Aufgaben entsprechend zu planen. Wie kann nun aber über mentale Gesundheit in der Arbeitswelt gesprochen werden?

Darauf sollten HR und Führungskräfte achten

Über mentale Gesundheit zu kommunizieren, hilft dabei, ein unterstützendes, gesundes und erfolgreiches Arbeitsumfeld zu schaffen. HR und Führungskräfte können an mehreren Stellen ansetzen, um einen psychologisch sicheren Arbeitsplatz zu kreieren, in dem offen über mentale Gesundheit gesprochen wird:

Informieren

Wenn Mitarbeitenden Ressourcen zur mentalen Gesundheit zur Verfügung stehen, steigt oft das Bewusstsein für mentale Probleme wie auch die Bereitschaft, darüber zu sprechen. Solche Ressourcen können beispielsweise Schulungen zum Ersthelfer für mentale Gesundheit oder Unterstützungsangebote wie eine Plattform für mentale Gesundheit sein. Stellen Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden solche Ressourcen zur Verfügung, signalisieren sie den Beschäftigten damit: Wir möchten einen offenen Umgang mit mentaler Gesundheit im Unternehmen haben. HR und Führungskräfte können zudem Richtlinien für den Umgang mit mentaler Gesundheit und mentalen Problemen bereitstellen, um Vorurteile ab- und Vertrauen aufzubauen. Diese Richtlinien geben Führungskräften und HR selbst auch eine Orientierung und erleichtern es ihnen, in eine empathische und hilfreiche Kommunikation mit Betroffenen zu gehen. 


Kommunizieren und unterstützen

Getreu der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sollten HR und Führungskräfte den ersten Schritt in der Kommunikation machen und aktiv auf Mitarbeitende zugehen, die möglicherweise belastet wirken. Dabei sollten sie Unterstützung anbieten, ohne aufdringlich zu sein. Wenn der oder die Betroffene (gerade) nicht mit ihnen sprechen möchte, ist das okay und sollte akzeptiert werden. Wenn sich die mentalen Herausforderungen allerdings negativ auf die Leistung des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin auswirken, muss die Führungskraft hier dranbleiben. 

Ins Gespräch starten können HR oder die Führungskräfte beispielsweise, indem sie den oder die Betroffene fragen: „Ich habe das Gefühl, dass es dir schon länger nicht so gut geht. Möchtest du darüber reden oder kann ich dir sonst irgendwie helfen?” Eine weitere Einstiegsmöglichkeit in das Gespräch könnte die Formulierung „Ich mache mir gerade Sorgen um dich, weil mir in den letzten Wochen aufgefallen ist, dass … “ sein. 

Im Gesprächsverlauf sollten HR oder die Führungskräfte der oder dem Betroffenen sorgfältig zuhören und der Person nicht ins Wort fallen, um ihr zum Beispiel eine schnelle Lösung aufzuzwingen. Rückfragen wie „Wie meinst du das, wenn du sagst, dass…” oder „Wie lange fühlst du dich denn schon so?” zu stellen und Verständnis bei diesem sensiblen Thema auszudrücken („Ich kann gut verstehen, …” oder „Das muss gerade sehr anstrengend für dich sein!”), kann helfen, ehrliches Interesse und Offenheit deutlich zu machen. Dabei kann auch helfen, das Gesagte zusammenzufassen und nachzufragen, ob der oder die Betroffene das so gemeint hat.

Gespräche zu mentaler Gesundheit sollten HR und Führungskräfte zudem vertraulich behandeln, außer es wurde explizit anders mit der oder dem Betroffenen vereinbart. Dazu gehört auch, diese Gespräche in einem sicheren Raum zu führen. 

Im Gespräch ist es hilfreich, zu betonen, dass beide Seiten dasselbe Ziel haben und an der gleichen Lösung interessiert sind: nämlich, Wege zu finden, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin gesund ist, sich wohlfühlt und die eigene Arbeit erfolgreich erledigen kann. Aus vielen Erfahrungen mit unseren Kunden bei Likeminded haben wir außerdem gelernt, dass eine der effektivsten Möglichkeiten, offene Gespräche über mentale Gesundheit anzuregen, darin besteht, selbst offen über die eigene mentale Gesundheit zu sprechen.

Wie können Kollegen untereinander über mentale Gesundheit sprechen?

Auch für Gespräche unter Kollegen und Kolleginnen gilt:

  • Der Austausch sollte in einem Raum und einem Setup stattfinden, in dem sich alle Beteiligten sicher fühlen
  • Unterstützung sollte angeboten, nicht aufgezwungen werden
  • Gespräche zur mentalen Gesundheit anderer sind vertraulich, wenn nicht anders vereinbart

Darüber hinaus können Mitarbeitende darauf achten, offen und unvoreingenommen zuzuhören und ihr Gegenüber nicht zu beurteilen. Statt ungefragt Lösungen anzubieten, können Mitarbeitende beispielsweise Informationen und Unterstützung anbieten. Das kann bedeuten, passende Ansprechpartner oder -partnerinnen sowie Angebote im Unternehmen zu identifizieren.

Mentale Probleme als Betroffener ansprechen

Wenn wir selbst mit mentalen Problemen zu kämpfen haben, sollten wir uns bewusst sein, dass es immer unsere Entscheidung ist, wie viel wir darüber preisgeben möchten. Wenn wir uns Sorgen machen, dass wir unseren Job verlieren könnten, weil wir für unsere eigenen Bedürfnisse eingetreten sind, sollten wir bedenken, dass die Position vielleicht nicht die richtige ist, der Arbeitgeber unter Umständen nicht zu uns passt. In diesen Fällen kann man die eigenen Fähigkeiten nutzen, um bei einem anderen Unternehmen eine neue Stelle zu finden.

Es ist allerdings wichtig, dass wir selbst Verantwortung für unsere mentale Gesundheit übernehmen. Unsere Vorgesetzten können uns nur dann wirksam unterstützen, wenn wir offen über mentale Probleme sprechen. Zudem sollten wir im Hinterkopf behalten: Auch Arbeitgeber haben ein Interesse daran, dass wir gesund und leistungsfähig sind.

Einige Tipps können uns darüber hinaus helfen, unsere mentale Gesundheit anzusprechen, wenn wir uns unsicher fühlen:

  • Um die eigenen Gedanken zu sortieren, kann es helfen, sie vor einem Gespräch mit Kollegen und Kolleginnen oder der Führungskraft aufzuschreiben.
  • Auch Gespräche mit Freunden oder vertrauten Kollegen und Kolleginnen können dazu nutzen, innerlich zu klären, welche Unterstützung man von der Führungskraft haben und was genau man kommunizieren möchte.
  • In vielen Unternehmen gibt es inzwischen Richtlinien zum Umgang mit mentaler Gesundheit, die einem in Vorbereitung auf ein Gespräch Sicherheit geben können.
  • Im Gespräch mit dem oder der Vorgesetzten ist es hilfreich, das Thema direkt anzusprechen, statt drumherum zu reden und auch zu kommunizieren, welche Unterstützung man braucht beziehungsweise sich wünschen würde.

Fazit

Offene Gespräche über mentale Gesundheit am Arbeitsplatz helfen, Stigmatisierung zu reduzieren und frühzeitig Unterstützung zu bieten. Mitarbeitende und Arbeitgeber sollten gemeinsam für eine gesunde Arbeitsumgebung sorgen, in der offene Gespräche über mentale Gesundheit gefördert werden, da beide davon profitieren.

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Wie kann HR die mentale Gesundheit von Mitarbeitenden, aber auch sich selbst stärken? Kimberly Breuer, Likeminded-Co-CEO, gibt in ihrer monatlichen Kolumne Tipps und Inspiration für den Arbeitsalltag.