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Neue Lernorte in der Ausbildung

„Es ist verboten, Auszubildende ins Homeoffice zu schicken“ – so stand es sinngemäß auf der Webseite einer großen IHK im März 2020. Vorher hatten nur selten Ausbildungsbetriebe den Lernort „Homeoffice“ oder außerhalb der eigenen Geschäftsräume beziehungsweise Werkstätten in Erwägung gezogen und wenn, dann hatten sie das nicht der IHK mitgeteilt.

Corona verlagert die Ausbildung ins Homeoffice

Als die Corona-Pandemie alle – und auch irgendwann die IHKs – dazu zwang, ihre Auszubildenden nur in kleinen Gruppen beziehungsweise von zu Hause auszubilden, wurde dieser Lernort zunächst ohne Konzept ad hoc überprüft. Seit einem Jahr ist diese Übergangs- und Testphase des Remote-Modus allerdings beendet.

Viele Unternehmen sind wieder komplett ins Büro und ihre Werkstätten mit ihren Auszubildenden zurückgekehrt. Einige Ausbildungsbetriebe haben jedoch die Remote-Lernorte wie Homeoffice oder Lernräume im Unternehmen neben dem bekannten Büro und der Werkstatt als geeignet und förderlich erkannt. Nicht immer ohne Herausforderungen, wie kürzlich ein Bericht eines Ausbildungsbetriebes aus dem Ruhrgebiet zeigte.

Ausbildung remote wird empfohlen

Nach der Empfehlung der DIHK – entwickelt in 2021 – und der kürzlich verabschiedeten Empfehlung des BIBB ist es nun leichter für Unternehmen, ihre Auszubildenden mit einem Konzept teilweise remote auszubilden. Häufig geschieht dies einfach auch deshalb, weil die Ausbildende ebenfalls einige Tage in der Woche von zu Hause aus arbeiten und eine Ausbildung in Präsenz ohnehin nicht möglich ist. Außerdem müssen auch Auszubildende lernen, remote zu arbeiten. Dieser Trend wird sich nicht wieder ändern und es gibt genug Unternehmen, die das inzwischen sogar verlangen.

Aber natürlich müssen immer die Vorteile und aber auch Herausforderungen des remote Arbeitens unter dem Fokus der Fürsorgepflicht bei Auszubildenden bedacht werden.

Vorteile einer remote Ausbildung

Flexibilität und Zugänglichkeit: Der wohl offensichtlichste Vorteil der remote durchgeführten Berufsausbildung ist die erhöhte Flexibilität. Junge Menschen könnten ihre Ausbildung einfacher mit anderen Verpflichtungen, wie zum Beispiel Studium oder familiären Aufgaben, in Einklang bringen. Auch räumliche Barrieren werden dadurch abgeschwächt, die Schüler von einer Bewerbung abhalten können, wenn der Fahrtweg zum Betrieb länger ist.

Es gibt aufgrund der geringen regionalen Nachfrage einiger Berufe immer mehr Berufsschulklassen, die geschlossen werden müssen. Über ein digitales Berufsschulangebot könnte dies abgefangen werden.

Digitale Kompetenzen stärken: Remote-Ausbildung erfordert eine gewisse Grundlage an digitalen Kompetenzen, sei es im Umgang mit Videokonferenzen, Online-Plattformen oder digitalen Tools. Wenn Auszubildende von Beginn an in diese Umgebung eintauchen, können sie nicht nur fachliche Fähigkeiten, sondern auch wertvolle Schlüsselkompetenzen für die Arbeitswelt der Zukunft entwickeln.

Dies bereitet den Nachwuchs darauf vor, den Anforderungen einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt gerecht zu werden. Eine Unterstützung und Weiterbildung ist hier zwingend erforderlich, da sich digitale Kompetenzen im Arbeitskontext von denen aus der Freizeit der Jugendlichen unterscheiden. Beispielsweise unterscheidet sich das adäquate Verhalten in einer Videokonferenz (Ton aus, Kamera an, Fragen über den Chat, Aufzeigen) in der Arbeitswelt von einem Videocall mit Freunden, bei denen es fast schon erwünscht ist durcheinander zu sprechen und lustige Filter zu verwenden.

Berufsfelder mit physischer Präsenz: Natürlich gibt es auch nachvollziehbar Bedenken hinsichtlich der praktischen Ausbildung. Was bei kaufmännischen Berufen noch über Videokonferenzen und Bildschirmübertragung auch remote durchführbar ist, kommt in der technischen und handwerklichen Ausbildung an seine Grenzen. Hier ist es wichtig zwischen den verschiedenen Wissensarten deklaratives Wissen (Theoriewissen), prozedurales Wissen (Abläufe und Prozesse), situatives (in der Situation handeln) und sensomotorisches Wissen (Motorische Fähigkeiten) zu unterscheiden.

Während theoretische Inhalte und standardisierte Abläufe gut online per Webinar, Lernplattform oder Video erlernbar sind, müssen praktische Prozesse wie Kundengespräche und der Einsatz von Werkzeugen im Betrieb beziehungsweise beim Kunden geübt werden.

Soziale Interaktion: Viele Unternehmen haben die Erfahrung gemacht, dass die soziale Interaktion mit Auszubildenden, die neu eingestellt sind und remote arbeiten, eine Herausforderung werden kann. Während es mit den Kollegen aus einem bestehenden Team häufig noch gut funktioniert und es als wertschöpfend angesehen wird zwei Tage pro Woche im Homeoffice zu sein, ist es in der Zusammenarbeit mit Auszubildenden nicht immer ein Alleingänger.

Dies liegt daran, dass sich Ausbildende beziehungsweise Ausbildungsbeauftragte und Auszubildende meist nicht kennen und auf keine gemeinsame Teamarbeit zurückgreifen können. Auch müssen Auszubildende erst auf die neue soziale Interaktion im digitalen Raum vorbereitet werden.

Kosten sparen und Employer Brand stärken: Unternehmen könnten von der remote Ausbildung profitieren, indem sie ihren Talentpool erweitern und gleichzeitig Kosten für Räumlichkeiten und Infrastruktur reduzieren. Durch die Integration von Remote-Ausbildung könnten Unternehmen auch ihre Attraktivität für junge Bewerbende steigern, die die Flexibilität und die Möglichkeiten der digitalen Arbeitswelt schätzen. Das setzt jedoch auch voraus, dass die IHKs mehr Flexibilität in Bezug auf den Arbeitsort ermöglichen.

Die Berufsausbildung im Remote-Modus ist ein vielschichtiger Ansatz, der sowohl Potenzial als auch Herausforderungen birgt. Ein betriebsinternes Konzept, das digitale Kompetenzen fördert, praktische Erfahrungen ermöglicht und soziale Interaktion nicht vernachlässigt, ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg. In einer Zeit, in der sich die Arbeitswelt stetig wandelt, sollten Unternehmen neue Wege in der Ausbildung beschreiten, um junge Talente bestmöglich auf ihre berufliche Zukunft vorzubereiten.

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Ausbildung neu gedacht

Claudia Schmitz ist Unternehmerin, Beraterin, Autorin und Speakerin. Für die Personalwirtschaft kommentiert sie jeden Monat Entwicklungen und Verbesserungsbedarfe bei der dualen Berufsausbildung.