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Unternehmen zögern wegen Corona bei CEO-Wechsel zu lange

Eine Hand entfernt einen rot gefärbten Holzblock aus einer Reihe schwarzer Blöcke
Fester im Sattel als im Normalfall: Krisen führen dazu, dass weniger CEOs entlassen werden. Bild: ©Андрей Яланский/Adobe Stock

Ein Drittel weniger neue CEO-Berufungen als im Vorjahreszeitraum: Unternehmen in Europa waren auf dem Höhepunkt der Corona-Krise im April und Mai sehr zögerlich, was Personalwechsel in der Chefetage angeht. Damit folgen sie einer Tendenz, die sich auch bei früheren Krisen beobachten lässt: So mussten etwa während der Finanzkrise ab 2008 in den USA 64 Prozent weniger CEOs wegen schlechter Geschäftszahlen oder Skandalen gehen. Erst rund zwei Jahre nach dem Tiefpunkt solcher Flauten gibt es normalerweise wieder so viele Führungswechsel wie zuvor.

Das hat eine Studie ermittelt, die die Unternehmensberatung Bain & Company und die Führungskräfte-Vermittlung Spencer Stuart durchgeführt hat. Gründe dafür, dass CEOs in Krisenzeiten tendenziell fester im Sattel sitzen als sonst, liegen zum einen bei den CEOs selbst. „Viele Unternehmenslenker wollen die Firma, die sie mit aufgebaut und etabliert haben, selbst durch die Krise steuern“, sagt Floriane Haas-Falanga, Senior Managerin bei Bain. Deshalb hielten sie oft beharrlich an ihrem Posten fest. Zum anderen tun sich aber auch die Kontrollgremien, etwa Aufsichtsräte, schwer, in der Rezession tiefgreifende Entscheidungen zu treffen. „Kontrollgremien sind oft uneins über die künftige Unternehmensstrategie, die Anforderungen, die Vorstandsvorsitzende erfüllen müssen, oder mögliche Nachfolgeregelungen“, sagt Haas-Falanga.

Problem: Überfällige Veränderungen bleiben aus

Das die Kontrollgremien der Unternehmen in Krisenzeiten länger zögern, ihren CEO zu entlassen, kann gefährlich werden, weiß Imeyen Ebong, Leiter der Bain-Praxisgruppe Organisation im deutschsprachigen Raum: „Wer in der Rezession einen erforderlichen Führungswechsel aufschiebt, geht ein hohes Risiko ein. Längst überfällige Kursänderungen verzögern sich, zugleich können Wachstumschancen versäumt werden.“

Damit Firmen in Krisenzeiten planvoll handeln können, haben die Studienautoren drei Punkte herausgearbeitet, an die sich Unternehmen in Flautenphasen halten sollen: Zum ersten ist es wichtig, einen Notfallplan mit genauen Anweisungen für künftige CEOs, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie eine Liste für die potenzielle CEO-Nachfolge in der Schublade zu haben. Der ist wichtig, wenn der CEO unerwartet erkrankt oder ausfällt – und gibt gleichzeitig Sicherheit, sollte die Entscheidung gefällt werden, sich vom Firmenchef zu trennen. Zum zweiten empfehlen sie eine konsequente Kontrolle der Leistung auch in Krisenzeiten. Sollte der CEO gehen müssen, wird klar unterschieden, ob seine Nachfolge nur kurzfristig oder langfristig das Unternehmen führen soll. Als drittes raten die Experten, die Nachfolgeplanung frühzeitig anzugehen. Erwartete Führungseingeschaften eines Nachfolgers sollen klar definiert sein und sowohl Problemlösungskompetenzen in schwierigen Lagen als auch Fähigkeiten zur Nutzung dynamischer Umfelder beinhalten.

Selbstreflexion der Firmenchefs gefragt

Allerdings haben die Studienautoren nicht nur die Gefahren einer verzögerten CEO-Entlassung erforscht, sondern geben auch Hinweise, wie sich Firmenchefs in der Krise richtig verhalten. Besonders wichtig: Enge Zusammenarbeit mit den Kontrollgremien, und eine gesunde Selbsteinschätzung. Das bedeutet, dass sich CEOs Hilfe holen, wenn sie merken, dass sie unbekanntes Terrain betreten. Auch nehmen sie sich Feedback zu Herzen und überdenken im Zweifelsfall ihre Karriereplanung. „Aufsichtsratsmitglieder und Vorstandsvorsitzende, die die Nachfolgeplanung gemeinsam angehen, treffen weitaus häufiger zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen“, sagt Ebong. Dazu gehört auch, dass CEOs frühzeitig Managmenttalente in ihrem Unternehmen erkennen und fördern, indem sie ihnen herausfordernde Aufgaben und Positionen geben.


Für die Studie "Covid-19: Is Your Board Hitting the Brakes on CEO Succession?" wurden rund 2.700 CEO-Wechsel ausgewertet, die zwischen 1996 und Juni 2020 im Rahmen globaler Rezessionen vollzogen wurden.