Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

Corona und der Run auf E-Learning-Tools

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Portrait Kempf.
Fabian Kempf, Geschäftsführer, Vitero. Foto: Thomas Weckler/Vitero

„Die Kunden rennen uns die Bude ein“, sagt Fabian Kempf, Geschäftsführer von Vitero, „wir sind inzwischen genauso begehrt wie Klopapier und Desinfektionsmittel.“ Vitero – die Abkürzung für Virtual Team Rooms – entwickelt und vertreibt virtuelle Klassenzimmer, die für E-Learning und Online-Meetings gleichermaßen genutzt werden können. „Morgens heißt es, wir brauchen fünf neue Räume, nachmittags wird die Bestellung auf zehn korrigiert.“ Die IT-Experten kommen mit der Einrichtung und Konfiguration des Tools kaum noch nach. Das Unternehmen hat seine Kapazität schon um den Faktor 10 erhöht, was per se nicht einfach war. „Nicht nur bei unseren Kunden sind Notebooks Mangelware“, so Kempf, „auch für unsere Serverfarm müssen wir uns mit weiterer, teurer Hardware eindecken.“ Sogar Headsets werden knapp. Denn die Lieferketten funktionieren nicht so reibungslos wie früher. „Wir haben uns zwar Ressourcen gesichert, aber selbst unser Provider, der das Tool hostet, arbeitet am Limit.“

Der Bedarf der Kunden ist unterschiedlich: Manche betreiben seit Jahren Blended Learning und stellen komplett auf E-Learning um, andere haben noch gar keine Erfahrung mit der virtuellen Aus- und Weiterbildung.

„Das Problem ist nicht selten die Bandbreite“,

erklärt Kempf, „in manchen Firmen ist gar nicht vorgesehen, dass sich so viele Rechner über VPN ins Unternehmensnetzwerk einloggen.“ Die Folge: Mitarbeiter machen Schichtdienst und lernen teils daheim, teils abends oder am Wochenende im Büro. Um Kapazitäten zu schonen, müssen manchmal Features abgeschaltet werden – beispielsweise die Webcam.

Der Shutdown hat auch sein Gutes – die Kunden werden entscheidungsfreudiger. „Früher haben sich die Personalentwickler sehr vorsichtig an das Thema E-Learning herangetastet“, so Kempf. Erst wurde lange überlegt und geplant, ein Pilotprojekt durchgeführt, dann mit einer kleinen Gruppe gearbeitet und den unternehmensweiten Rollout aufs kommende Jahr angesetzt. Jetzt muss das alles sofort passieren. „Natürlich kann man mit dem zweistündigen Schnellstarterkurs nicht alles vermitteln“, räumt der Vitero-Chef ein, „bei den methodischen und didaktischen Ansprüchen wie etwa dem Kooperationsgrad oder der Wohlfühlatmosphäre muss man erstmal Abstriche machen.“ Damit können die Personaler aber gut leben, denn die Alternative heißt: Es geht gar nichts. „Ein besseres Drehbuch kann man immer noch nachschieben, aber jetzt geht es rudimentär darum, dass Wissensvermittlung überhaupt stattfinden kann.“ Normalerweise achtet Kempf darauf, dass in der ersten Sitzung alles perfekt funktioniert. „Aber in der Krise drücken die Kunde ein Auge zu, wenn etwas nicht auf Anhieb optimal klappt.“

Portrait Schwerzel.
Elton Schwerzel, Regional Director DACH, Talentsoft. Foto: Talentsoft GmbH

Auch Talentsoft hat gut zu tun, allerdings wird der Anbieter cloudbasierter Software nicht von Kunden und Interessenten überrannt. „Das wäre auch der falsche Weg“, findet Elton Schwerzel, Regional Director DACH, „nicht Aktionismus ist gefordert, sondern das, was für Unternehmen Sinn ergibt.“ Mobile First war auch vor Corona seine Devise. Die jetzige Situation sieht er als Chance: „Durch Disruption und neue Technologien befinden wir uns im digitalen Zeitalter. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir all unsere Prozesse und Abläufe hinterfragen müssen. Diese Themen sind auch schon lange bei den Personalern angekommen.“ Allerdings werden HR-Abteilungen oft nicht mit dem entsprechenden Personal oder Budget ausgestattet, um neue E-Learning-Strategien umzusetzen. „Hier ist noch viel zu tun. Vielleicht tragen die aktuellen Umstände ja dazu bei, zukünftig mehr in HR zu investieren.“

Dass bisher nicht alle Unternehmen alle Mitarbeiter über E-Learning geschult haben, hat seine Gründe.

„Jeder Mitarbeiter ist anders“,

so Schwerzel, „in jedem Unternehmen treffen verschiedene Kulturen, Altersgruppen, Fachbereiche und Tätigkeiten aufeinander, die ganz unterschiedliche Anforderungen und Themen haben.“ Genau hier liegt die Herausforderung. „Aber auch da gibt es Strategien, wie man beispielsweise durch Zielgruppen-Training oder gezieltere Team-Entwicklungsprogramme tolle Erfolge erzielen kann.“

Aber wie bei jeder fundamentalen Umstellung wird nicht alles von Anfang an klappen. „Das ist wie bei jedem neuen System oder Prozess. Erst Geduld und Erfahrung liefern nachhaltige Erfolge. Hier hilft es, sich via Communities auszutauschen“, rät der Regional Director. Seiner Ansicht nach wird sich E-Learning vom Homeoffice aus als fester Bestandteil der betrieblichen Aus- und Weiterbildung etablieren. „Es wird auch Zeit. Wir kommen aus dem Fachkräftemangel und schlittern geradewegs in eine Krise! Beiden Themen kann man mit flexiblen Arbeitsplätzen wirkungsvoll entgegentreten.“ Sein Fazit: „E-Learning wird auch ohne Corona zum Selbstläufer.“