Zu wenige junge Menschen mit Migrationshintergrund fangen eine Ausbildung an. Der Sachverständigenrat für Integration und Migration hat herausgefunden: 2021 traten von denjenigen, die an einer Ausbildung interessiert waren und einen Migrationshintergrund haben, gerade einmal 39 Prozent eine duale Berufsausbildung an. Das ist ein Problem. Denn bei der Vergleichsgruppe ohne Migrationshintergrund waren es 54 Prozent – satte 15 Prozentpunkte mehr. Dabei sind sich alle einig, dass es wichtig ist, mehr junge Menschen in Ausbildung zu bringen – egal, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Gerade angesichts des demografischen Wandels und des unter anderem daraus resultierenden Fachkräftemangels können wir es uns als Gesellschaft nicht leisten, auf die potenziellen Auszubildenden mit Migrationshintergrund zu verzichten. Denn aus Auszubildenden werden in aller Regel Fachkräfte.
Hier sind klar die Unternehmen in der Verpflichtung, ihre Bewerbungs- und Einstellungsprozesse anzupassen. Schließlich werden Jugendliche mit Migrationshintergrund in diesen Prozessen bis heute benachteiligt. Nur ein Beispiel von vielen: Bewerber und Bewerberinnen mit türkisch klingenden Nachnamen werden bei gleicher Qualifizierung nur in knapp 15 Prozent der Fälle zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Bei ihren Mitbewerberinnen und Mitbewerbern mit deutsch anmutenden Nachnamen geschieht dies in 20 Prozent der Fälle. Immerhin fünf Prozentpunkte mehr. Solch eine Differenz ist nicht vertretbar.
Doch was können Unternehmen tun, um ihre Prozesse anzupassen und mehr Auszubildende mit Migrationshintergrund einzustellen? Denn hier nur auf den Staat zu schauen, greift zu kurz: Zwar sollte die Kultusministerkonferenz das Modul „Interkulturelle Kompetenzen“, das in der Fachqualifikation für Ausbilder und Ausbilderinnen bereits verankert ist, weiter stärken. Dafür, mehr Betriebsangehörige mit Migrationshintergrund in die Auswahl und Betreuung von Auszubildenden einzubinden, sind hingegen die Ausbilder und Ausbilderinnen selbst verantwortlich.
Anonymisierte Bewerbungsverfahren in Betracht ziehen
Und wie wäre es zum Beispiel damit, die Anforderung „Deutsch als Muttersprache“ aus den Stellenanzeigen zu verbannen? Wenn die Ausbildung nicht gerade etwas mit Kommunikation und Sprache zu tun hat, sollten gute Deutschkenntnisse vollkommen ausreichen. In manchen Branchen, zum Beispiel in gewissen Teilen der IT, kommt man gar mit Englisch als Lingua Franca gut zurecht. Auch computergestützte Bewerbungssysteme sollten regelmäßig überprüft werden. Sie sind nicht immer vorurteilsfrei und können bestehende Strukturen in der Belegschaft reproduzieren. Ein weiterer Gedanke: Warum nicht anonymisierte Bewerbungsverfahren in Betracht ziehen? Ganz ohne Foto und Namen – schließlich kommt es bei einer Ausbildung auf Kompetenzen und Motivation an und nicht darauf, wie deutsch der Nachname klingt oder ob jemand auf seinem Bewerbungsfoto ein Kopftuch trägt.
Doch das ist nur der Anfang: Diejenigen, die für die Ausbildung zuständig sind, müssen sich – immer wieder – dieses Themas bewusst werden und die eigenen Vorurteile hinterfragen. Nur so können mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund Zugang zur dualen Berufsausbildung erhalten.
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Stefanie Jansen war 2022 und 2023 Volontärin in der Redaktion der Personalwirtschaft. Ihre Themenschwerpunkte waren Aus- und Weiterbildung, der Job HR und neue Arbeitszeitmodelle.

