Aktuelle Ausgabe neu

Newsletter

Abonnieren

Mikromanagement: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist krisenfest

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

In Krisenzeiten greifen viele Führungskräfte instinktiv zu einem Tool, das ihnen den Anschein von Sicherheit gibt: Mikromanagement. Mehr Meetings, mehr Mails, mehr „Ich wollte nur kurz nachfragen“ – all das gibt kurzfristig das Gefühl, die Situation unter Kontrolle zu haben. Aber das hat seinen Preis.

Führungskräfte stehen sich mit Mikromanagement nicht nur selbst im Weg, sondern auch die Teammitglieder fühlen sich zunehmend gegängelt. Die Folge: Vertrauensverlust, Demotivation und ein Rückzug aus der Verantwortung. Besonders in Krisenzeiten ist das fatal.

Mikromanagement schleicht sich ein

Mikromanagement wirkt auf den ersten Blick harmlos. Es beginnt oft mit gut gemeinten Rückfragen, mit einer weiteren Feedbackschleife oder einem zusätzlichen Check-in. Doch dahinter steckt ein klares Muster: übermäßige Kontrolle, zu wenig Vertrauen und keine Delegation von Aufgaben. Das führt im Team schnell zu einem Gefühl von: „Hier wird mir nichts zugetraut.“

Diese Dynamik verschärft sich in der Regel in der Krise. Wenn Unsicherheit dominiert, rutschen Führungskräfte oft unbewusst zurück in alte, operative Rollen. Aufgaben, die längst delegiert waren, landen wieder auf ihrem Tisch. Das hat psychologische Gründe: Kontrolle suggeriert Handlungsfähigkeit – selbst wenn es nur eine Illusion ist.

Warum neigen wir gerade in einer Krise zu Mikromanagement?

Dass wir auf Unsicherheit mit verstärktem Kontrollbedürfnis reagieren, ist nur menschlich: Studien aus der Stressforschung zeigen, dass Menschen unter Druck dazu tendieren, ihre Handlungsfähigkeit über verstärkte Kontrolle zurückzugewinnen – ein Phänomen, das als „Illusion of Control“ bekannt ist.

Auch Führungskräfte sind davor nicht gefeit: Wenn der äußere Rahmen wackelt, suchen viele Halt im Kleinen. Doch was kurzfristig Sicherheit gibt, ist langfristig nicht immer hilfreich.

Mikromanagement in Krisenzeit lässt sich oft auf folgende Mechanismen zurückführen:

  1. Kontrollbedürfnis als Stressreaktion: Wer sich machtlos fühlt, versucht, zumindest das Naheliegende zu kontrollieren – zum Beispiel das eigene Team.
  2. Rückfall in frühere Rollen: In der Krise greifen wir gerne zu vertrauten Aufgaben – das beruhigt und gibt das Gefühl von Relevanz und Produktivität. Zumindest operative Aufgaben abzuarbeiten gibt uns die Sicherheit, “etwas” gegen die Krise zu tun.
  3. Angst um die eigene Position: Wenn der Druck steigt, wächst auch die Sorge, selbst zur Zielscheibe zu werden. Mikromanagement und Perfektionismus werden dann zum (vermeintlichen) Schutz gegen Fehler.

Wieso Mikromanagement (meistens) schadet

Trotz aller negativen Konnotationen rund um Mikromanagement sollte an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass es in Ausnahmefällen durchaus sinnvoll sein kann: etwa zur Qualitätssicherung in Hochrisikobranchen oder -situationen, in denen Fehler fatale Folgen haben können, oder auch zur Einarbeitung unerfahrener Mitarbeitender, die noch Orientierung brauchen.

In solchen Momenten kann enge Begleitung beiden Seiten Sicherheit geben. Aber als Dauerzustand ist Mikromanagement eine Strategie, die dem Team und dem Unternehmen schadet.

Mikromanagement schadet dem Team, weil es Mitarbeitende demotiviert und ihnen das Gefühl von Autonomie und Wirksamkeit nimmt. Wer ständig kontrolliert wird, zieht sich innerlich zurück – mit spürbaren Auswirkungen auf Engagement und Eigenverantwortung.

Mikromanagement schadet der Unternehmenskultur, weil Vertrauen verloren geht. Mitarbeitenden, denen nicht vertraut wird, vertrauen auch ihrer Führungskraft nicht. So ist keine offene, psychologisch sichere Kommunikation mehr möglich. Gleichzeitig verlangsamt Mikromanagement Prozesse: Entscheidungen müssen über viele Tische und neue Ideen versanden. In einem solchen Klima werden kaum noch neue Impulse eingebracht – und auch Risiken oder Probleme bleiben häufiger unerkannt, weil sich niemand traut, sie offen anzusprechen.

Doch nicht nur die Teams leiden – auch die Führungskräfte selbst. Nicht selten geraten sie in einen Teufelskreis, in dem sie überfordert sind, aber keine Verantwortung abgeben wollen. In der Krise ist das besonders gefährlich: Wenn niemand handlungsfähig ist, weil alle auf Anweisungen einer überarbeiteten Führungskraft warten, bleibt die Organisation starr.

Was stattdessen hilft: Stabilität durch Vertrauen

Gute Führung in der Krise bedeutet nicht, jedes Detail im Griff zu haben. Sie bedeutet: Haltung zu zeigen, Orientierung zu geben und Verlässlichkeit auszustrahlen. Dafür braucht es Vertrauen – in sich selbst und ins Team.

So kann eine vertrauensvolle Zusammenarbeit funktionieren:

  • Klare Erwartungen formulieren: Mitarbeitende, die wissen, was das Ziel ist, brauchen weniger Anleitung auf dem Weg. Klare Ziele schaffen Orientierung und ermöglichen es dem Team, selbständig Entscheidungen zu treffen.
  • Verantwortung delegieren – nach Stärken: Nicht jeder kann alles – und das ist auch gut so. Gute Führung bedeutet, Aufgaben entsprechend den individuellen Stärken zu vergeben. Das stärkt Vertrauen, Motivation und Effizienz – und fördert gleichzeitig die Entwicklung jedes Einzelnen.
  • Kommunikation, die Sicherheit schafft: In Krisenzeiten ist Kommunikation wichtiger denn je. Als Führungskraft (und als HR) sollte man abwägen, welche Unsicherheit man transparent adressiert – und welche nicht. Es braucht Ehrlichkeit und Regelmäßigkeit – aber ebenso Struktur und Ruhe, um Orientierung zu geben.
  • Ergebnisverantwortung statt Prozesssteuerung: Die Orientierung an Ergebnissen, und weniger Kontrolle über den Weg dorthin, stärkt die Eigenverantwortung und ermöglicht kreative Lösungswege. Das „Wie“ darf variieren – Hauptsache, das „Was“ wird erreicht.
  • Psychologische Sicherheit schaffen: Gute Führung beginnt mit Selbstreflexion – und mit der Bereitschaft, Herausforderungen offen anzusprechen. Psychologische Sicherheit schafft Raum für ehrliche Gespräche, für Zweifel, Fragen und Ideen. In einem solchen Klima trauen sich Mitarbeitende, Verantwortung zu übernehmen und Führungskräfte können darauf vertrauen, dass Probleme angesprochen werden. Damit haben sie weiterhin Kontrolle über die Situation, auch ohne Mikromanagement.

Wann Eingreifen gefragt ist und wie man es angehen sollte

Aber was, wenn Ergebnisse tatsächlich hinter den Erwartungen zurückbleiben? Auch dann ist Mikromanagement keine Lösung – gefragt ist Führung mit Klarheit und Haltung. Drei Schritte helfen, konstruktiv mit solchen Situationen umzugehen:

1. Perspektive einholen: Bevor du bewertest, lohnt sich ein offenes Gespräch: Wie schätzt die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter das Ergebnis selbst ein? Gibt es ein unterschiedliches Verständnis von Ziel und Erwartung?

2. Verantwortung übergeben: Bitte dein Gegenüber, eigene Vorschläge zu machen, was beim nächsten Mal anders laufen könnte. Wer selbst nach Lösungen sucht, übernimmt Verantwortung – und entwickelt sich weiter.

3. Maßnahmen gemeinsam definieren: Auf dieser Basis könnt ihr konkrete nächste Schritte vereinbaren – inklusive eines klaren Angebots an Unterstützung.

So entsteht ein Raum, in dem Fehler zur Entwicklung beitragen – ganz ohne Kontrolle, aber mit Führung, die stärkt.

Präventive Ansätze: Aus Fehlern lernen, auf Krisen vorbereiten

Führung ohne Mikromanagement ist zugegebenermaßen nicht einfach, gerade wenn es stressig wird und der Druck steigt. Für Unternehmen macht es deshalb Sinn, sich auf den “Ernstfall” vorzubereiten. Wenn man in Krisenzeiten auf etablierte, antrainierte Strategien zurückgreifen kann, kann man angstgetriebene Handlungsmuster vermeiden.

Präventive Ansätze sind zum Beispiel Krisenmanagement-Trainings, Fall- und Fehleranalysen und Simulationen oder Rollenspiele. Auf diese Weise lernt man aus Fehlern und ist besser gegen turbulente Phasen gewappnet.

Mikromanagement ist eine verständliche Reaktion – aber selten die richtige. Es mag kurzfristig Sicherheit geben, langfristig untergräbt es jedoch das Fundament starker Führung: Vertrauen. Gerade in Krisen ist es entscheidend, Verantwortung bewusst abzugeben, statt sie mit aller Kraft festzuhalten. Führung heißt dann nicht Kontrolle, sondern Klarheit: über Ziele, Zuständigkeiten und die eigene Rolle. Wer das schafft, führt nicht nur krisenfest – sondern zukunftsfähig.

Alles zum Thema

HR – Mental stark!

Wie kann HR die mentale Gesundheit von Mitarbeitenden, aber auch sich selbst stärken? Kimberly Breuer, nilo -Geschäftsführerin, gibt in ihrer monatlichen Kolumne Tipps und Inspiration für den Arbeitsalltag.