Haben Sie gerade offene Ausbildungsplätze? Dann kennen Sie das Problem: Der passende Azubi ist gefunden – doch er sagt ab, weil er keine Wohnung findet. Steigende Mieten und ein angespannter Wohnungsmarkt sind längst mehr als ein privates Problem. Sie entscheiden darüber, ob Verträge unterschrieben werden – oder nicht. Rund ein Drittel aller Azubis zieht für die Ausbildung in eine andere Stadt. Hier können Unternehmen ansetzen: Wer Wohnraum schafft, gewinnt Nachwuchs und bindet ihn langfristig.
Warum Wohnen so entscheidend ist
Wohnraum ist längst ein Standortfaktor. Viele junge Menschen beginnen ihre Ausbildung nicht direkt vor der Haustür. Wer auf dem Land lebt, muss oft weite Wege bis zum nächsten Betrieb oder zur Berufsschule auf sich nehmen. Ohne Auto und mit schwachem ÖPNV-Angebot wird der tägliche Weg schnell zur Belastung – oder zur unüberwindbaren Barriere.
Hinzu kommt: Gerade Schulabgängerinnen und -abgänger haben selten das Budget, um hohe Mieten in Ballungsräumen zu stemmen. Ein WG-Zimmer in Großstädten kostet inzwischen über 600 Euro im Schnitt. Mit einer Ausbildungsvergütung, die im ersten Jahr oft bei unter 1.000 Euro netto liegt, ist das schlicht nicht machbar. Die Konsequenz: Manche sagen die Ausbildung ab – nicht wegen des Berufs, sondern wegen der Wohnung.
Der Vorteil für Unternehmen
Wohnraumangebote sind für Betriebe weit mehr als ein „nice to have“. Sie sind ein klarer Wettbewerbsvorteil im Kampf um Nachwuchskräfte. Wer Azubis ein Dach über dem Kopf verschafft, vergrößert automatisch den Bewerberkreis – auch über die eigene Region hinaus. So wird ein Ausbildungsplatz plötzlich auch für Jugendliche aus anderen Gegenden oder dem Ausland interessant.
Zugleich wirkt die Unterstützung wie ein starkes Signal: „Wir kümmern uns.“ Das zahlt auf das Employer Branding ein, schafft Vertrauen und fördert Loyalität. Azubis, die beim Start ins Berufsleben unterstützt werden, bleiben erfahrungsgemäß länger im Unternehmen.
Was können Betriebe konkret tun?
Azubi-Wohnen muss nicht gleich bedeuten sein mit dem Bau eines eigenen Wohnheims. Die Palette an Möglichkeiten ist breit. Manche Betriebe stellen eigene Wohnungen oder Azubi-WGs bereit, oft in Kooperation mit kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Andere arbeiten mit privaten Vermieterinnen und Vermietern zusammen und reservieren Kontingente.
Auch einfache Maßnahmen helfen: Unterstützung bei der Wohnungssuche, etwa durch ein betriebliches schwarzes Brett oder Kontakte zu Vermietern. Finanzielle Hilfen – von Miet- bis Fahrtkostenzuschüssen – sind ebenfalls wirksam. Ergänzend gibt es Förderungen wie die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) oder Wohngeld. Unternehmen punkten, wenn sie ihre Azubis hier aktiv informieren und bei der Antragstellung unterstützen.
Worauf sollten Unternehmen achten?
Damit aus guter Absicht kein Stolperstein wird, braucht es klare Rahmenbedingungen. Wichtig ist Transparenz: Wer darf in die Wohnungen einziehen? Wie lange gilt der Anspruch? Welche Kosten übernimmt das Unternehmen?
Ebenso entscheidend ist die saubere Abgrenzung zwischen Wohnen und Arbeiten. Azubi-Wohnungen sind keine „verlängerten Werkstätten“. Privatsphäre und Eigenständigkeit müssen respektiert werden – nur so wird Wohnen tatsächlich zum Pluspunkt.
Und schließlich zählt Qualität. Es geht nicht darum, irgendwo ein Matratzenlager einzurichten, sondern echten Wohnraum zu bieten – mit vernünftiger Ausstattung, guter Anbindung und einem Umfeld, das Ankommen erleichtert.
Der Mehrwert für Azubis
Für junge Menschen bedeutet ein gesichertes Wohnangebot weit mehr als nur ein Dach über dem Kopf. Es schafft Unabhängigkeit vom Elternhaus, reduziert Stress und erleichtert den Start in die Ausbildung. Wer sich nicht jeden Tag mit langen Pendelstrecken oder Wohnungssorgen belasten muss, kann sich besser auf die Ausbildung konzentrieren.
Zusätzlich entsteht Gemeinschaft: In Azubi-WGs oder Wohnheimen entwickeln sich Netzwerke, Freundschaften und ein soziales Umfeld, das den Übergang ins Berufsleben erleichtert.
Azubi-Wohnen ist eine klassische Win-Win-Situation: Unternehmen sichern sich Fachkräftenachwuchs und Azubis bekommen bezahlbaren Wohnraum. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen lohnt es sich, aktiv zu werden. Der Aufwand ist überschaubar, die Wirkung enorm. Und die Investition zahlt sich doppelt aus – kurzfristig durch besetzte Ausbildungsplätze, langfristig durch loyale Fachkräfte, die nach der Ausbildung bleiben.
Fazit: Wohnen als Schlüssel zur Ausbildung
Fachkräftesicherung entscheidet sich nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch am Wohnort. Wer jungen Menschen eine Perspektive bietet, die Ausbildung und Lebensqualität verbindet, verschafft sich einen entscheidenden Vorteil. Azubi-Wohnen ist deshalb mehr als ein soziales Angebot. Es ist ein strategisches Instrument im Employer Branding und ein zentraler Baustein, um Ausbildungsplätze zu besetzen. Kurz gesagt: Wer Wohnraum schafft, schafft Zukunft. Weitere Informationen und Praxisbeispiele bietet das KOFA: Azubi-Wohnen: Wie KMU mit Wohnangeboten Fachkräfte sichern – KOFA.
Info
Die Autorinnen der Kolumne „Wie Ausbildung gelingt” sind Expertinnen des KOFA Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
Anna Schopen ist Senior Projektmanagerin mit Themenschwerpunkt Ausbildung.
Miriam Schöpp ist Senior Referentin für Berufliche Bildung.
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