Von der Gesamtverantwortung (zurück) in die Expertenrolle?

HR-Karriere-Frage #4: Ich bin Mitte 50 und trage in unserem Unternehmen die Gesamtverantwortung für HR. Mit Blick auf die verbleibenden zehn Berufsjahre würde mich ein Wechsel in eine Expertenrolle im Bereich Talent Management oder Employer Branding interessieren. Ist das realistisch?

Ja absolut, beide Tätigkeitsfelder sind realistisch und bieten attraktive Themenbereiche für die anstehende Berufsphase. Je nach Ausgangssituation bedarf es mehr oder weniger Vorbereitung, um den Wechsel erfolgreich hinzubekommen.

Ihr entscheidender Vorteil

Aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrung in HR und der breiten Gesamtpalette damit verbundenen Themen und Aufgaben bringen Sie einen entscheidenden Vorteil für die anstehende Spezialisierung mit. Denn sowohl Talent Management wie Employer Branding sind Themen, die erst im Kontext der gesamten HR-Landschaft, ja der gesamten Unternehmenskultur und Führung so richtig wirksam werden. Schließlich muss das, was versprochen wird, für die Mitarbeitenden erlebbar und erfüllbar sein.

So können Sie vorgehen

Um den Wechsel zu erleichtern und Ihre Chancen im Arbeitsmarkt zu verbessern, sollten Sie folgende Punkte beachten:

1. Eine Expertenrolle erfordert ein fundiertes, aktuelles Fachwissen zum jeweiligen Thema. Hierfür sollten Sie sich über Trends informieren und einschlägige Weiterbildungen besuchen. So erhöhen Sie Ihre Chance ein passendes Jobangebot zu erhalten.
   
2. Sammeln Sie ab sofort Projekterfahrung in Ihrem Wunschbereich. Da Sie ja gesamtverantwortlich in HR tätig sind, nutzen Sie die Gelegenheit, ein Projekt zu übernehmen oder in einem mitzuarbeiten – und das in der Expertenrolle. Vernetzen Sie sich mit anderen Expertinnen und Experten und tauschen Sie sich aus.
   
3. Beobachten und Analysieren Sie den Jobmarkt. Was wird gesucht, wo bringt Ihre Erfahrung Ihnen Vorteile gegenüber den reinen Experten? Passen Sie Ihren tabellarischen Lebenslauf entsprechend an und arbeiten Sie dort heraus, was sie an spezifischen Erfahrungen mitbringen. Sie haben mit Sicherheit durch Ihre langjährige Berufserfahrung in fast allen HR-Bereichen schon mehr gesehen und erlebt, als Sie vielleicht zunächst gedacht haben.
   
4. Prüfen Sie, ob ein interner Wechsel ins Employer Branding oder Talent Management möglich ist. Oder zum Beispiel, die Aufgabe in Personalunion zu Ihrer Gesamtverantwortung zu übernehmen. Einzelne Gesamtaufgaben können Sie vielleicht an eine potentielle Nachfolgerin oder einen Nachfolger abgeben, der oder die so langsam aufgebaut wird. Auch ein Jobsharing wäre denkbar. Sie teilen sich die Gesamtverantwortung mit einer Person und sind dann zusätzlich als Expertin oder Experte tätig.
   
5. Sollten Sie einen externen Wechsel in Auge fassen, sollten Sie sich sehr gut auf die Bewerbung vorbereiten. Möglicherweise ist Ihr Lebenslauf für einen neuen Arbeitgeber erstmal erklärungsbedürftig. Wie glaubwürdig ist Ihre Wechselmotivation und wie wettbewerbsfähig sind Sie gegenüber den reinen Experten? Bereiten Sie Fragen und Antworten gut vor. Suchen Sie Kontakte und Angebote über Ihr persönliches Netzwerk. Es gibt viele gute Gründe, eine Person mit generalistischen Hintergrund und viel Erfahrung im Talent Management oder Employer Branding einzusetzen.

Die entscheidende Frage

Informieren Sie sich über aktuelle Gehälter in den Wunschbereichen. Wägen Sie ab, ob Sie möglicherweise eine Gehaltseinbuße in Kauf nehmen können. Diese Frage entscheidet häufig, ob das Vorhaben letztlich realistisch umgesetzt werden kann oder nicht. Es gibt sehr schöne Modelle, wenn beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – flexibel sind.

So kann zum Beispiel auch eine 20- oder 30-Stunden Woche für die Expertenrolle ausreichen, da Sie in der Projektarbeit von Ihrer Erfahrung profitieren. Dadurch ist das Jahreszieleinkommen zwar geringer, die gewonnene Zeit und Flexibilität kommt Ihnen aber vielleicht in Ihrem gesamten weiteren Lebensentwurf entgegen und setzt noch mehr Motivation und Lebensqualität frei.