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Seit Beginn der Corona-Krise hat die Anzahl der Video-Gespräche mit Kandidaten deutlich zugenommen. Aus deren Sicht sind die Interview-Partner aus den Personal- und Fachabteilungen mit dem neuen Verfahren offenbar gut zurechtgekommen, denn die Mehrheit beurteilt die Bewerbungsgespräche positiv.
Im Januar 2020 und im Frühjahr 2021 befragte der Videosoftware-Anbieter Viasto mehr als 1.100 Bewerber zur Entwicklung der Vorstellungsgespräche in der Corona-Zeit. Danach fanden die Interviews in den vergangenen zwölf Monaten in erster Linie auf Distanz statt. Fast jedes zweite Bewerbungsgespräch (48 Prozent) erfolgte per Telefon. Der Anteil der Video-Interviews stieg von acht Prozent zu Beginn des letzten Jahres auf ein Drittel (33 Prozent). Weitere elf Prozent entfielen auf zeitversetzte Videos. Dagegen ging der Anteil von Eignungs- und Persönlichkeitstests um jeweils ein Drittel zurück; nur noch jeder zehnte Kandidat nahm an einem Assessment Center teil.
Kandidaten bewerten Interviews etwas besser als vor einem Jahr
Der Verzicht auf direkte Bewerbungsgespräche vor Ort bewirkte, dass der Anteil der Kandidaten, die die Interviews als unpersönlicher empfanden, leicht gestiegen ist: Während zu Beginn des letzten Jahres noch knapp ein Fünftel der Bewerber (19 Prozent) die virtuellen Gespräche als unpersönlich wahrnahm, erhöhte sich dieser Anteil im Laufe von zwölf Monaten nur leicht auf knapp ein Viertel (23 Prozent). Erstaunlicherweise beurteilten die Befragten die virtuellen Auswahlverfahren in diesem Frühjahr sogar etwas besser als Anfang 2020. Etwa drei von zehn Teilnehmern (29 Prozent) bewerten ihr Vorstellungsgespräch als sehr gut gegenüber 28 Prozent vor einem Jahr. Weitere 55 Prozent bezeichnen die virtuellen Interviews als überwiegend gut, etwas mehr als vorher (52 Prozent). Nach Ansicht der Bewerber wurde die Qualität der Interviews durch die neuen Rahmenbedingungen kaum beeinträchtigt: Drei Viertel der Befragten (76,5 Prozent) nahmen ihre Gesprächspartner aus der Personalabteilung als positiv wahr. Ein noch etwas besseres Zeugnis stellten sie den Interviewern aus der jeweiligen Fachabteilung aus. 81 Prozent der Kandidaten sagten, sie seien überzeugend aufgetreten, 27 Prozent fanden sie sogar sehr überzeugend. Augenscheinlich konnten sich Personaler und die Vertreter der Fachabteilungen auf die geänderten Bedingungen gut einstellen.
Krise verlangsamt Bewerbungsprozess
Unabhängig von den Vorstellungsgesprächen zeigt sich jedoch, dass die Corona-Krise den Bewerbungsprozess aus Sicht der Kandidaten insgesamt verlangt hat. Zuletzt gab fast jeder Dritte (31 Prozent) an, das Auswahlverfahren sei zu lang gewesen – ein Jahr vorher empfand das erst knapp jeder Fünfte (18 Prozent) so. Die Befragten wurden auch darum gebeten, zur Selbstdarstellung der Arbeitgeber und zur Transparenz der Unternehmensentscheidung Stellung zu nehmen. Aktuell kritisieren 42 Prozent, dass das Entscheidungsverfahren zu wenig transparent ist. Auch dieser Anteil hat etwas zugenommen; vor einem Jahr lag er noch bei 38 Prozent. Was die Aussagen der Arbeitgeber bezüglich ihrer Vorzüge sind, hat sich die Skepsis der Bewerber im Laufe eines Jahres von 67 auf 62 Prozent verringert; gleichwohl bleibt der Anteil hoch. Ob auch diese unterschiedlichen Entwicklungen auf die Krise zurückzuführen sind, ist schwer zu ermessen.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.