Wo drückt die Unternehmen beim Thema Employer Branding der Schuh? Einer der größten Hemmnisse ist offenbar der Zeitmangel: 41 Prozent der im Rahmen des Recruiting Report 2024 der Personalmarktforschung index Research befragten Firmen gaben an, dass ihnen schlichtweg die Zeit fehlt, um sich strategisch mit dem Thema zu befassen. 35 Prozent der Unternehmen beklagen zudem, dass ihnen das nötige Fachpersonal fehlt, um eine attraktive Arbeitgebermarke zu etablieren. Für eine wachsende Anzahl an Unternehmen werfen diese Probleme existenzielle Fragen auf.
Employer Branding wird oft vernachlässigt
Dass viele Arbeitgeber bei der Suche nach qualifiziertem Personal offenbar noch immer so agieren, als ob sich der Arbeitsmarkt nicht vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt verändert hätte, zeigt sich nicht nur in der Index-Studie. Dabei tut mehr Engagement Not. Malte Fischer, Executive Strategy Director für Employer Branding bei Scholz & Friends, hält Employer Branding gar für die „Königsdisziplin“ als Instrument gegen den Fachkräftemangel. Von heute auf morgen lasse sich eine starke Arbeitgebermarke aber nicht aufbauen, schreibt Fischer im Human Resources Manager. „Der Aufbau muss langfristig geplant und über Jahre hinweg kontinuierlich verfolgt werden.“
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Die Berliner Personalmarktforschung Index Research hat für ihren Report insgesamt 638 HR-Verantwortliche aus 17 Branchen befragt. Der Bericht erscheint alle zwei Jahre und bietet einen umfassenden Überblick über die aktuellen Herausforderungen und Trends in der Personalgewinnung. Rund 80 Prozent der Befragten stammen aus kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), die oft mit begrenzten Ressourcen arbeiten müssen.
Dabei gilt: „Employer Branding muss mehr sein als ‚nur‘ eine bunte Kampagne!“, schreiben Jörg Engelhardt und Benjamin Kliesch in ihrem gleichnamigen Buch. Die langfristige Bindung von Mitarbeitenden sei dabei ebenso entscheidend wie die Anziehung neuer Fachkräfte. Unternehmen begingen den Fehler, ihre Vorzüge und Werte nicht klar herauszustreichen, um für Bewerberinnen und Bewerber attraktiv zu sein. Ihr Rat: Employer Branding nicht nur aus der Perspektive des Personalmarketings zu begreifen, sondern die Arbeitgebermarke strategisch aufbauen.
Künstliche Intelligenz bleibt noch ungenutzt
Angesichts der fehlenden Zeit, die Personalerinnen und Personaler anführen, wenn es um mangelndes Employer Branding geht, verwundert es, dass technische Hilfen vielfach noch ungenutzt bleiben. Trotz des großen Potenzials von Künstlicher Intelligenz (KI) spielt diese im Employer Branding zum Beispiel noch eine untergeordnete Rolle. Nur 34 Prozent der von Index befragten Personalverantwortlichen sehen in KI eine wesentliche Erleichterung ihrer Arbeit. In der Praxis wird KI vor allem zur Optimierung von Stellenanzeigen genutzt, und selbst das nur bei 17 Prozent der befragten Unternehmen. Der erhoffte Durchbruch dieser Technologie im Bereich der Personalbeschaffung lässt somit weiter auf sich warten.
Andreas Gross, Topic Lead Employer Branding beim Beratungsunternehmen Farner, glaubt, dass viele Unternehmen hier Potenzial verschenken. Er schreibt auf Linkedin: „Ich bin der Meinung, dass Unternehmen sich zwingend mit KI im Employer Branding auseinandersetzen sollten. Dabei ist es wichtig, den ethischen Einsatz von KI sicherzustellen und transparente sowie faire Praktiken zu fördern.“ Dafür müssten sich Unternehmen zunächst darüber im Klaren sein, welche grundsätzliche Haltung sie gegenüber KI haben und wo künstliche Intelligenz unterstützen könne.
Auch Marcus Merheim sieht hier noch viel Potenzial. In seiner Kolumne für die Personalwirtschaft schreibt der Gründer und Geschäftsführer von hooman Employer Marketing: „Durch den Einsatz von KI-Tools bei der Content-Erstellung im Employer Branding können Unternehmen Zeit und Ressourcen sparen. Sie können Inhalte gezielt optimieren und eine ansprechende und authentische Darstellung ihrer Arbeitgebermarke gewährleisten.“
Mitarbeiterbindung gewinnt an Bedeutung
Der Blick in die Zukunft stimmt zumindest versöhnlich. Laut „Recruiting Report“ planen 44 Prozent der Unternehmen, in den kommenden Jahren verstärkt in Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung zu investieren. Weitere Prioritäten sind die Verbesserung der internen Kommunikation (29 Prozent) und die Optimierung der Führungskultur (21 Prozent).
Für Jürgen Grenz, CEO der Index-Gruppe ist es allerdings auch höchste Zeit, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen: „Der Fachkräftemangel macht es unerlässlich, bestehende Mitarbeiter zu halten und zu fördern. Der Mangel an Ressourcen für Employer Branding ist in diesem Zusammenhang besonders kritisch, denn eine starke Arbeitgebermarke könnte genau hier Abhilfe schaffen.“
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.

