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„Bewerbende erlernen neue Kompetenzen durch die Corona-Pandemie“

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Welche
neuen Kompetenzen und Fähigkeiten entwickeln Bewerberinnen und Bewerber in der
Corona-Pandemie? Und wie steht es um den Bewerbermarkt in Deutschland? Goran
Barić, Geschäftsführer der Personalberatung PageGroup Deutschland, gibt
Einblicke.

Portrait Goran Baric.
Goran Barić ist Geschäftsführer der PageGroup Deutschland und Mitglied der europäischen Geschäftsleitung. Foto: Katrin Binner

Personalwirtschaft: Herr
Barić, wie hat sich der Bewerbermarkt seit dem Aufkommen der Corona-Pandemie in
Deutschland entwickelt?

Goran
Barić:
Die Entwicklung auf dem Bewerbermarkt ist sehr
branchenabhängig. Es zeichnen sich Gewinner und Verlierer ab. Zu den Branchen,
die von der Pandemie profitiert haben, zählen beispielsweise der
Gesundheitssektor, die Software- und IT-Dienstleistungsbranche und der
Onlinehandel. Hier ist die Nachfrage nach Bewerberinnen und Bewerber gestiegen.
In die andere Richtung entwickeln sich zum Beispiel der Maschinenbau,
Messeveranstalter und natürlich auch die Reisebranche. Insgesamt wirkt sich die >Corona-Pandemie
aber weniger intensiv als zunächst gedacht auf den deutschen Arbeitsmarkt aus.
Der Bedarf nach qualifizierten Arbeitskräften erhöht sich bei den Unternehmen
wieder deutlich.

Was heißt das für Unternehmen?
Für Unternehmen bedeutet das, auf die Bedingungen und
Gesetzmäßigkeiten des Kandidatenmarkts zu reagieren. Daher ist es aktuell
zentral, die >Employer-Branding-Aktivitäten
fortzuführen und die Kandidaten-Pipeline weiter zu befüllen, um sich so eine
gute Ausgangslage im Wettbewerb um High Potentials zu sichern. Viele
Unternehmen arbeiten seit einem Jahr fast vollständig remote. Dementsprechend
gilt es, auch den Recruiting-Prozess digital umzusetzen. Zum einen verändern neue Technologien den
Bewerbungsprozess, zum anderen eröffnen sie aber auch neue Chancen für
Personalmanagerinnen und Personalmanager. Um dieses Potenzial zu nutzen, ist
die Entwicklung eines digitalen Recruiting-Konzepts der erste Schritt. Gleiches
gilt für das Thema >Onboarding:
Die Kommunikation ist ausschlaggebend für eine erfolgreiche Einarbeitung –
gerade weil im Homeoffice schneller das Gefühl des „Alleinseins“ entsteht.
Daher sollten die unternehmensinternen Prozesse auch hierfür digitalisiert
werden.

Haben
Bewerberinnen und Bewerber durch die Auswirkungen der Pandemie neue Fähigkeiten
erworben, die ihnen im Job helfen?

Ja, sie haben oftmals verschiedene neue >Fähigkeiten
erworben – bedingt durch die Veränderungen in der eigenen Organisation, im
Arbeitsalltag, aber auch im privaten Umfeld. Die Pandemie hat Arbeitnehmende
quasi dazu gezwungen, sich schnell auf die veränderte Situation einzustellen
sowie neue Prozesse und Routinen in ihren Berufsalltag zu integrieren. Die
vermehrte Nutzung von digitalen Tools etwa spielt dabei eine große Rolle. In
der Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen, aber auch mit Kundinnen und
Kunden sind Webkonferenzen heute nicht mehr wegzudenken. Nicht zuletzt haben
sich durch das Arbeiten im Homeoffice neue Formen der Zusammenarbeit in Teams
und neue >Führungskulturen
etabliert. Auch die erhöhte räumliche und zeitliche Flexibilität des
Arbeitsalltags hat dazu beigetragen. In diesem Kontext haben die Bewerbenden
Fähigkeiten erworben, die ihnen nicht nur aktuell, sondern auch nach der Corona-Krise
im Job von Nutzen sein werden.

Eine
kontinuierliche Lernbereitschaft und die Fähigkeit, sich selbst zu
organisieren, Skills, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärkt
weiterentwickelt haben.

Wie sieht
es mit der Digitalkompetenz aus?

Aufgrund der durch die Pandemie beschleunigten >Digitalisierung
haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch die ausgebaut. Dabei geht es
nicht nur darum, Technologien zu verstehen, sondern sie auch bedacht
einzusetzen: von der Interaktion über digitale Kanäle und den
verantwortungsvollen Umgang mit Daten bis hin zur virtuellen Zusammenarbeit.
Zweitens spielt die Kommunikationsfähigkeit eine immer wichtigere Rolle –
insbesondere für leitende Positionen. Stichwort: virtuelle Führung. Durch den
erhöhten Kommunikationsbedarf in der Ausnahmensituation sowie die
teamübergreifende Zusammenarbeit im virtuellen Raum haben sich die Angestellten
dies vermehrt angeeignet. Drittens wird die Fähigkeit zur Anpassung immer
wichtiger. Dies wurde ausgelöst durch die Veränderungen des Arbeitsalltags, die
die Corona-Krise nicht nur kurzzeitig bewirkt hat. Zuletzt sind eine
kontinuierliche Lernbereitschaft und die Fähigkeit, sich selbst zu
organisieren, Skills, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärkt
weiterentwickelt haben.

Inwiefern hilft das Unternehmen?
Die Digitalkompetenz der Belegschaft ist für Unternehmen
gerade unerlässlich, weil sich viele in einem Digitalisierungsprozess befinden.
Diese Fähigkeit ist auch im Kontext der IT-Sicherheit bedeutend. Die
Kommunikationsfähigkeit ist für eine erfolgreiche virtuelle Zusammenarbeit eine
elementare Voraussetzung. Wenn der Austausch der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter auch remote reibungslos funktioniert, wirkt sich dies positiv auf
die Produktivität der Unternehmen aus. Remote Work ist auf dem Vormarsch und
gibt der Belegschaft die Möglichkeit, ihren Arbeitsalltag weitaus flexibler als
zuvor zu gestalten. Unternehmen profitieren von solchen hybriden
Arbeitsmodellen auf mehrere Weise: Sie beschleunigen die betriebliche
Digitalisierung, leisten einen Beitrag zur Mitarbeiterbindung und fördern die
Agilität. Für den langfristigen Geschäftserfolg hilft es auch, wenn
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich gut an die permanenten Veränderungen
anpassen können. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um die
Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und Innovationen zu fördern.

Hat sich
die Verhaltensweise der Unternehmen in der Pandemie auf die Wechselbereitschaft
der Bewerbenden ausgewirkt?

Wir sehen je nach Jobgruppe und Branche ein sehr
unterschiedliches Bild. Es gibt einige Bewerberinnen und Bewerber, die zögern
und verunsichert sind, sich während der Krise zu verändern. Allerdings können
wir diese Sorge nehmen: Unternehmen suchen weiterhin unvermindert nach
Talenten, daher kann es für Bewerberinnen und Bewerber von Vorteil sein, sich
schon jetzt in Position zu bringen. Der Wunsch nach Veränderung begründet sich
zum Teil auch darin, wie der Arbeitgeber sich während der Corona-Krise
gegenüber der Belegschaft verhält. Gerade während der Pandemie ist es wichtig,
in Maßnahmen rund um Mitarbeiterbindung zu investieren. Von der Ausstattung des
Remote Arbeitsplatzes, der Befähigung von Führungskräften bis hin zum
kontinuierlichen Austausch im Team. Das heißt auch, sich regelmäßig bei den
Team-Mitgliedern zu erkundigen, wie es ihnen geht. Wer in schwierigen Zeiten
Empathie für seine Teams zeigt, generiert Vertrauen und Motivation – auch
langfristig.

Was sind die größten Herausforderungen, denen sich Unternehmen nun
widmen müssen?

Einige
durch die Pandemie ausgelöste Entwicklungen beschäftigen Unternehmen auch
weiterhin. So investieren viele in den Ausbau der Digitalisierung. Hier gilt es
auch, die Digitalkompetenz der Belegschaft weiter zu fördern. Die veränderten
Rahmenbedingungen machen oftmals eine Anpassung der Geschäftsmodelle erforderlich.
Im Kontext von Veränderungsprozessen wird auch das Thema >Diversity
immer wichtiger. Diverse Teams
besitzen das Potenzial, schneller neue Ideen auf den Weg zu bringen.
Durch die verschiedenen Perspektiven der Teammitglieder können Innovationen entstehen, die Unternehmen auch
langfristig wettbewerbsfähig machen.

Goran Barić ist
Geschäftsführer der Personalberatung >PageGroup Deutschland
und Mitglied der europäischen Geschäftsleitung. Neben dem
Wachstumsmarkt Deutschland verantwortet er seit Jahresbeginn auch die Märkte
Österreich und Polen. Darüber hinaus ist er unter anderem auch für die
Erarbeitung und Umsetzung der europäischen Geschäftsstrategie zuständig.

Tim Stakenborg war bis Sommer 2024 Redakteur bei der Personalwirtschaft.