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Familienunternehmen – gar nicht so mitarbeiterorientiert wie vermutet?

jüngere und ältere Mitarbeiter grillen gemeinsam
So familiär muss es in Familienunternehmen nicht unbedingt zugehen. Foto: © Kzenon/StockAdobe

Familienunternehmen gelten gegenüber anderen Firmen häufig als die besseren Arbeitgeber. Wirtschaftswissenschaftler von zwei Hochschulen haben untersucht, ob dieses Bild stimmt. Nach einem Vergleich von Arbeitgeberbewertungen kamen sie zu dem Schluss, dass zumindest größere Familienunternehmen nicht besser, sondern sogar etwas schlechter abschneiden.

Eine von der „Stiftung Familienunternehmen“ durchgeführte Bewerberumfrage zeigt, dass Familienunternehmen eher eine gute Arbeitsatmosphäre und ein kooperativer Führungsstil zugeschrieben wird als anderen Unternehmen. Ein gemeinsames Forschungsprojekt der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin und der Universität Trier ergibt jedoch, dass die positiven Zuschreibungen „möglicherweise ein Mythos“ sind, jedenfalls in Bezug auf größere *Familien-unternehmen. Für die Untersuchung wurden rund 198 000 veröffentlichte Mitarbeiterbewertungen zu 788 größeren Unternehmen auf der Arbeitgeberbewertungsplattform > Kununu ausgewertet und die Bewertungen von Familienunternehmen mit denen von Nicht-Familienunternehmen verglichen. Das Ergebnis: Große Familienunternehmen schneiden in allen 13 untersuchten Arbeitsdimensionen etwas schlechter ab.

Schlechteste Werte bei Familienunternehmen in Kommunikation, Karriere und Vorgesetztenverhalten

Insgesamt erzielen die größeren Familienunternehmen einen Kununu-Score von 3,22. Nicht-Familienunternehmen kommen auf einen Wert von 3,37. Die geringste Arbeitnehmerzufriedenheit mit Familienunternehmen wurde in den Kategorien Kommunikation (2,84 gegenüber 3,03 bei Nicht-Familienunternehmen), Karriere/Weiterbildung (2,95 versus 3,12) und Vorgesetztenverhalten (2,97 gegenüber 3,15) festgestellt. Das sind allerdings die Kriterien, bei denen auch die Nicht-Familienunternehmen am schlechtesten abschneiden.

Inhabergeführte Firmen schneiden am besten beim Kollegenzusammenhalt ab

Die besten Werte erreichen Familienunternehmen beim Kriterium Kollegenzusammenhalt mit einem Score von 3,65. Die anderen großen Firmen kamen auf einen Wert von 3,80. Es folgen der Umgang mit Kollegen ab 45plus mit 3,57 gegenüber 3,63 und interessante Aufgaben mit 3,49 versus 3,60. Außerdem verglichen wurden Arbeitsatmosphäre, Gleichberechtigung, Gehalt/Sozialleistungen, Arbeitsbedingungen, Work Life Balance, Image sowie Umwelt-/Sozialbewusstsein. In diesen Kategorien schnitten die Familienunternehmen zwischen 0,02 (Image)und 0,23 Punkte (Gehalt/Sozialleistungen) schlechter ab als andere große Unternehmen.

Große Familienunternehmen haben nicht die Strukturen kleiner Betriebe

Auch größere Familienunternehmen pflegten als Arbeitgeber das Selbstbild als „Mittelstand“, der sich mit den Attributen der Kleinen schmücke („Wir kümmern uns um unsere Mitarbeiter“), obwohl die Strukturen längst andere seien, sagt Michael Graffius von der HWR Berlin.

Auf der einen Seite mag es stimmen, dass der Kontakt zwischen Mitarbeitern und Unternehmensführung aufgrund einer langen gemeinsamen Zusammenarbeit oftmals persönlicher ist. Auf der anderen Seite sind viele Familienunternehmen aufgrund der hohen Machtkonzentration in der Person des Eigentümer-Managers aber auch sehr patriarchalisch geprägt,

ergänzt Christopher Hansen von der Universität Trier. Die beiden Wissenschaftler stellten außerdem fest, dass die Unterschiede zwischen großen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen wieder geringer werden, wenn sich die Familie aus der operativen Leitung zurückzieht.

* Als Familienunternehmen wurden – gemäß der Definition des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn – solche Unternehmen identifiziert, die sich zu mehr als 50 Prozent in Familienbesitz befinden und mindestens ein Familienmitglied im Management aufweisen.

Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.