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Was tun, wenn die Personalauswahl irgendwie schief läuft?

 

Werkbank im Hintergrund, Überschrift im Vordergrund

 

Frage: Woran könnte es liegen und was kann ich tun, wenn ich merke, dass die Auswahl neuer Mitarbeiter schiefläuft? Wenn die Personen nicht das erfüllen, was wir gehofft haben?

Es antwortet: Michael Kluge, Ausbildungs- und Leadership-Experte

Manchmal ist es wie verhext: Da haben Personalverantwortliche sich so viel Mühe gegeben, den richtigen Mitarbeiter zu finden – und dann erweist sich dieser als Fehlgriff. Wenn derartige Fehlgriffe immer wieder passieren, ist es empfehlenswert, nach den möglichen Ursachen zu suchen. Wo dieses Suchen erfolgreich sein könnte, zeigen die folgenden sieben Tipps.

Schritt 1: Prüfen Sie, ob Ihre vorgegebenen Auswahlkriterien in jedem Fall (noch) stimmen!

 

Um schnell und effizient passende Mitarbeiter zu finden, werden die Bewerber nicht selten mithilfe einer eigens dafür programmierten Software klassifiziert. Das heißt: Nach Eingang einer Online-Bewerbung entscheidet der Computer, ob der Bewerber in die engere Wahl kommt –oder eben nicht. Die automatisierte Entscheidungsfindung erfolgt anhand definierter Kriterien, zum Beispiel: Wessen Abiturnote schlechter als 1,5 ist, fliegt raus. Oder: Wer keinen Bachelor-Abschluss hat, bekommt keine Einladung zum Jobinterview. Solche oder ähnliche müssen kontinuierlich auf ihre Gültigkeit hin überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Computer Bewerber zum Vorstellungsgespräch einlädt, die laut Software zwar alle Voraussetzungen erfüllen, aber nicht den aktuellen Erfordernissen des Unternehmens entsprechen.

Der Aktualisierungsbedarf kann auch durch außerbetriebliche Entwicklungen generiert werden, zum Beispiel: Wenn das Arbeitskräfteangebot größer ist als der eigene Bedarf, ist es kein Problem, die Anforderungsprofile über die reine fachliche Standardkompetenz hinaus um zusätzliche, vorteilhafte Auswahlkriterien zu erweitern. Wenn der Arbeitsmarkt jedoch eng ist und sich das Einstellungsgespräch zum Überzeugungsgespräch wandelt, dann ist zu überlegen, ob man an seinen inzwischen „überzogenen“ Ansprüchen partout festhält.

Schritt 2: Prüfen Sie, ob Ihr Jobinterview noch zeitgemäß ist!

 

Worin sehen Sie Ihre größte Schwäche?“ Oder: „Was möchten Sie in drei/fünf/zehn Jahren erreicht haben?“ Derartige Fragen haben irgendwann Eingang in das Jobinterview gefunden. Seitdem halten sie sich hartnäckig wie Fliegen am Klebestreifen – selbst wenn sie keinen nennenswerten Nutzen für die Bewertung einzelner Interviewpartner stiften, im Gegenteil: Standardfragen erzeugen Standardantworten, die nicht weiterhelfen. Höchste Zeit, den eigenen Fragenkomplex kritisch unter die Lupe zu nehmen und auf das Wesentliche zu reduzieren.

Im Grunde möchten Sie doch herausbekommen, ob der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle fachlich geeignet und zugleich motiviert ist. Also: Schildern Sie Ihrem Gesprächspartner die einzelnen Arbeitstätigkeiten – mit allen Vor- und Nachteilen. Und dann fragen Sie beispielsweise: Welche Kenntnisse und Fertigkeiten bringen Sie für diese Arbeit mit? Kennen und beherrschen Sie die genannten Programme/Tools/Verfahren? Was versprechen Sie sich von der Ausübung dieser Tätigkeit? Wie sieht eine optimale Arbeitsumgebung für Sie aus? Und: Wie arbeiten Sie am liebsten? Achten Sie bei den Antworten darauf, ob es das ist, was Sie a) tatsächlich suchen und b) faktisch bieten können. Alles andere dürfte Ihnen aufgrund der automatisierten Datenanalyse bereits bekannt sein.

Schritt 3: Prüfen Sie, ob die richtigen internen Personen am Vorstellungsgespräch teilnehmen!

Geschäftsführer, Personalleiter, Bereichsleiter, Abteilungsleiter, Ausbildungsleiter, Betriebsrat, Gleichstellungsbeauftragte – je mehr Personen am Jobinterview teilnehmen, desto größer ist die Gefahr, dass die wichtigste Person fehlt: der potenzielle Vorgesetzte aus der Fachabteilung. Aber nur dieser ist in der Lage, die einzelnen Arbeitstätigkeiten mit allen Vor- und Nachteilen zu schildern und aufgrund der Antworten herauszubekommen, ob der Bewerber über das gewünschte Know-how verfügt. Ein weiterer Vorteil dieser ersten Begegnung: Beide können prüfen, ob die „Chemie“ zwischen ihnen stimmt. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt für die künftige Zusammenarbeit.

Schritt 4: Prüfen Sie, ob eine Diskrepanz zwischen Stellenbeschreibung und Arbeitsrealität besteht!

Rekrutierung neuer Mitarbeiter unter Vorspielung falscher Tatsachen? Mit einer derartigen Strategie lassen sich zwar personelle Engpässe kurzfristig beheben, aber nicht nachhaltig lösen, im Gegenteil: Ein Mitarbeiter, der sich aufgrund bestimmter Zusagen für ein Unternehmen entscheidet und im Nachhinein feststellen muss, dass die vorher gemachten Versprechen mit der Arbeitsrealität nichts oder nur wenig zu tun haben, ist schneller verschwunden, als man gucken kann. Selbst unter der Gefahr, dass die Schilderung einer Arbeitstätigkeit mit allen Vor- und Nachteilen nicht gerade zu den „Verkaufsschlagern“ des Unternehmens zählt, ist es allemal besser, bei der Wahrheit zu bleiben.

Schritt 5: Prüfen Sie, ob eine fehlende oder mangelhafte Einarbeitung vorliegt!

Nicht selten gibt es Unternehmen, die zwar einen hohen Aufwand betreiben, um geeignete und motivierte Mitarbeiter zu finden, die aber in ihren Anstrengungen (drastisch) nachlassen, sobald die Neuen „an Bord“ sind. Persönliche Begrüßung durch den Vorgesetzten, informiertes Team über den Arbeitsbeginn des neuen Kollegen, einsatzbereites Telefon oder eingerichteter Computer? Fehlanzeige! Solche Unterlassungssünden oder mangelhafte Ausführungen können der Grund dafür sein, weswegen ein neuer Mitarbeiter die Erwartungen nicht erfüllt.

Schritt 6: Prüfen Sie, ob eine fehlende oder mangelhafte Kommunikation mit den Führungskräften vorliegt!

Gerade in der Anfangsphase sind regelmäßige Gespräche über die ersten Erfahrungen und Schwierigkeiten enorm wichtig, um die Motivation des neuen Mitarbeiters aufrechtzuerhalten und zu fördern. Daher ist es empfehlenswert, wiederholt folgende Fragen zu diskutieren: „Was läuft (zwischen uns) gut? Wo gibt es Schwierigkeiten? Was kann so weitergehen? Was können wir besser machen?“ Wer sich als Vorgesetzter immer wieder zu diesen Fragen eine Rückmeldung geben lässt, unterstreicht sein Interesse und seine eigene Lernbereitschaft. Wenn ein neuer Kollege zudem erlebt, dass die vereinbarten Lösungen tatsächlich umgesetzt und eingehalten werden, fühlt er sich wahrgenommen und wertgeschätzt. Ein Vorgesetzter, der jedoch derartige Feedbackgespräche nicht pflegt oder nur sporadisch durchführt, signalisiert indirekt, dass er an der Arbeit des Neuen kein Interesse hat.

Schritt 7: Prüfen Sie, ob die Auswahl Ihrer Mitarbeiter von verborgenen Motiven geleitet ist!

Der letzte Hinweis ist vielleicht der ungewöhnlichste Tipp, aber deswegen nicht weniger bedeutsam. Er lädt dazu ein, möglicherweise das Problem hinter dem Problem wahrzunehmen.
Im Allgemeinen werden Bewerber im Vorfeld mehr oder weniger getestet, bevor sie eingestellt werden. Dass es trotz dieser „Sicherheitsvorkehrungen“ zu einer falschen Wahl kommt, ist rational nicht mehr nachzuvollziehen – vor allem dann nicht, wenn derartige „Fehlgriffe“ immer wieder passieren. In solchen Fällen dürfte mehr dahinterstecken als bloße Unachtsamkeit oder mangelndes Interesse. Also, Hand aufs Herz: Welchen Gewinn könnte es haben, dass sich in Ihrem Unternehmen regelmäßig Personen wiederfinden, die nicht das erfüllen, was Sie gehofft haben?

Eine mögliche Erklärung stammt aus der Arbeitspsychologie: Die Personalauswahl ist immer ein Akt der Selbststabilisierung, eine Möglichkeit, unbewusst Psychohygiene zu praktizieren. Das bedeutet: Die Aspekte einer Persönlichkeit, die einem selbst als anstößig oder unattraktiv erscheinen, wie zum Beispiel Disziplinlosigkeit, sollen vom neuen Mitarbeiter stellvertretend ausgelebt werden. Dann hat das gewählte „Unglück“ den Vorteil, sich selbst als „Gutmensch“ zu empfinden. Zugleich können die eigenen abgewehrten Aspekte in der Person des Mitarbeiters mit aller Kraft bekämpft werden.

Wenn das eine zutreffende Erklärung ist, dann sind zwei Fragen zu klären.
Erstens: Wie können Sie die „Schattenaspekte“ in Ihre Persönlichkeit integrieren, sodass Sie künftig keine Mitarbeiter mehr benötigen, die die Funktion eines „Sündenbocks“ ausüben müssen (Stichwort: Coaching)?
Und zweitens: Wie kann Ihr Auswahlverfahren tatsächlich die Mitarbeiter zutage fördern, deren charakteristische Eigenschaften zu Ihrem Unternehmen passen (Stichwort: Beobachterschulung)?

✓ Werkstatt-Check: So verhindern Sie eine falsche Personalauswahl
Überprüfen Sie Ihre Auswahlkriterien – immer wieder von Neuem.
Checken Sie, ob Ihre Fragen beim Vorstellungsgespräch wirklich relevant sind.
Sind die relevanten Personen – aus dem Fachbereich – beim Gespräch dabei?
Gibt es Diskrepanzen zwischen Versprechungen und erlebtem Arbeitsalltag?
Achten Sie auf eine gute und umfassende Einarbeitung und Begleitung.
Gibt es Kommunikationsprobleme zwischen Führungskraft und neuem Mitarbeiter?
Seien Sie selbstkristisch: Wollen Sie unbewusst durch eine falsche Personalauswahl Psychohygiene betreiben?

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