Immer mehr Unternehmen setzen beim Recruiting auf maßgeschneiderte Karriereseiten. Eine aktuelle Studie zeigt, welche Methoden dabei Erfolg versprechen – und wo die Unternehmen ihre Hausaufgaben noch machen müssen.
Von Schülern und Azubis bis hin zu Studierenden und Führungskräften – immer mehr Unternehmen setzen bei der Rekrutierung von Mitarbeitenden auf eine gezielte Ansprache, hat eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung NetFed herausgefunden. Für die Studie wurden die Karriereportale der 50 größten deutschen Unternehmen ausgewertet.
Eine zentrale Erkenntnis: Die direkte Ansprache von potenziellen Mitarbeitenden gelingt den meisten Konzernen immer besser. Nahezu jede Zielgruppe wird laut Studie explizit adressiert. „Neu ist, dass wir bei der Ansprache von Führungskräften einen deutlichen Zuwachs feststellen“, erklärt Christian Berens, Geschäftsführer und HR-Verantwortlicher von NetFed. „Für uns ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Feld der Executives in Zukunft auch zunehmend in der digitalen Bewerberansprache Beachtung finden wird.“
Bei dieser Ansprache von Führungskräften setzen manche Unternehmen auch auf Testimonials. „Durch Testimonials und persönliche Geschichten von Mitarbeitern erhalten Bewerber einen authentischen Einblick in das Unternehmen. Diese Transparenz macht die Unternehmen menschlicher und nahbarer,“ betont Christian Berens. In 80 Prozent der untersuchten Karriereportale werden solche Erfahrungsberichte inzwischen offen kommuniziert.
Während die Unternehmensvorstellung und die wichtigsten Informationen zum Unternehmen bei den meisten Unternehmen gut abgedeckt wird und auch ein Großteil der Zielgruppen (Schülerinnen und Schüler, Auszubildene sowie Berufserfahrene) auf der jeweiligen HR-Website berücksichtigt werden, punkten insbesondere die besten Unternehmen bei der Bereitstellung von Mitarbeiterkennzahlen sowie in den Kategorien Dialogfähigkeit und Bewerbung.
Chatbots und passende Ansprechpartner als Pluspunkte
Als Beispiele für die Dialogfähigkeit nennt die Studie unter anderem die clevere Nutzung von Social-Media-Kanälen für die Bewerbenden, einen eigenen HR-Chatbot, der die Nutzerinnen und Nutzer bei bestimmten Anliegen unterstützt, die Bereitstellung eines passenden Ansprechpartners sowie der Verweis auf bestimmte Events (zum Beispiel Jobmessen), zu denen man sich bestenfalls auch möglichst einfach über die Website anmelden kann. Positiv: Direkte Ansprechpartner werden häufiger genannt, was in den vergangenen Jahren eher weniger der Fall war. „Persönliche Kontakte vermitteln Sicherheit und Vertrauen, was das Interesse der Bewerber erhöht“, heißt es in der Studie.
Auch Tipps zum jeweiligen Bewerbungsprozess spielen für potenzielle Mitarbeitende eine Rolle, idealerweise als Video oder Audioaufnahme. Auch die Bereitstellung von Online-Tests – insbesondere für Berufseinsteigerinnen und -einsteiger – bieten manche Unternehmen an. So können beispielsweise Interessierte beim Job-Kompass der Deutschen Bahn herausfinden, welcher Berufsweg für sie der richtige ist. Weitere Pluspunkte sind die Ladezeiten der Karriereseiten sowie die Barrierefreiheit der jeweiligen HR-Portale.
Nachholbedarf im Bereich Inklusion
Stichwort Inklusion: Immer mehr Unternehmen setzen auf innovative Ansätze, um Barrieren zu minimieren, Transparenz zu schaffen und eine inklusive Arbeitsumgebung zu fördern. „Diese dynamische Entwicklung im digitalen HR Bereich verdeutlicht den intensiven Wettbewerb um die besten Fachkräfte und Führungskräfte“, heißt es in der Studie.
Inklusion wird demnach von immer mehr Unternehmen aufgegriffen und als wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur kommuniziert. 82 Prozent der untersuchten Firmen behandeln das Thema auf ihren Webseiten und betonen ihre Bemühungen um eine inklusive Arbeitsumgebung.
Trotz dieser Fortschritte gibt es jedoch noch Herausforderungen. So wird die sogenannte lnklusionsquote, also der Anteil der Mitarbeiten mit Handicap an der Gesamtbelegschaft, seltener auf den Webseiten angegeben als in den Vorjahren. Dies stelle einen Rückschritt dar und könnte auf Schwierigkeiten bei der Umsetzung der lnklusionsstandards hinweisen, vermuten die Studienmacher. „Die Barrierefreiheit der Karriereseiten ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Sie ist ein klarer Indikator dafür, wie stark Unternehmen das Thema Inklusion tatsächlich umsetzen“, unterstreicht Christian Berens. So finden sich nicht bei allen Unternehmen Alternativtexte für Grafiken, wodurch bestimmte Grafiken visuell Beeinträchtigte nicht vorgelesen werden können. Auch bei den Überschriften und Untertiteln bei den Videos gibt es bei einigen Unternehmen noch Potenzial.
Trotz aller Bemühungen: Lediglich 40 Prozent der Unternehmen erreichen beim Thema Inklusion eine positive Bewertung. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das 2025 in Kraft tritt, wird nach Einschätzung von NetFed voraussichtlich dafür sorgen, dass sich dies noch ändern wird. „Der Karrierebereich auf den Unternehmenswebsites ist sehr dynamisch und zeigt, dass der Wettbewerb um Talente und Fachkräfte immer stärker auch digital ausgetragen wird“, so Christian Berens.
Auch Events spielen eine stärkere Rolle
Ein weiteres Element, mit dem Unternehmen bei künftigen Mitarbeitenden punkten wollen, sind Events und Veranstaltungen, die auf der jeweiligen Karriereseite beworben werden. Sie gewinnen mehr und mehr an Bedeutung: In der Live-Umgebung können sich sowohl die Bewerbenden als auch die Recruiterinnen und Recruiter ein besseres Bild von dem zukünftigen Arbeitsplatz verschaffen beziehungsweise vermitteln.
Diese Veranstaltungen ermöglichen es Bewerbern, direkt mit Unternehmensvertretern zu interagieren. Inzwischen machen physische Events 70 Prozent der Angebote aus, während es bei den digitalen Events nur noch rund 30 Prozent sind. „Nach der Verlagerung des Recruiting-Prozesses in den digitalen Raum könnte auch eine Onlinemüdigkeit dazu beigetragen haben, dass man nun bei der Suche nach Personal wieder den direkten Kontakt forciert“, heißt es in der Studie.
Bei den Events handelt es sich oft um Jobmessen oder einen „Tag der offenen Tür“ für Berufseinsteigerinnen sowie bei manchen Unternehmen sogenannte Karriere-Events. Als positives Beispiel nennt die NetFed-Studie die Karriereseite von Volkswagen.
Info
Tipps für kleinere Unternehmen:
- Zeigen Sie Gesicht – durch die Einbindung von Testimonials können sich die Bewerbenden ein passendes Bild von Ihrem Unternehmen machen.
- Seien Sie dialogorientiert – Stellen Sie für die Interessenten die passenden Ansprechpartner auf der Website zur Verfügung – bestenfalls auch mit Durchwahl und Emailadresse.
- Stellen Sie Bewerbungstipps bereit, damit die Interessenten beim Bewerbungsprozess unterstützt werden können.
- Wenn Sie Events für Bewerbende anbieten, stellen Sie diese auf die Website und ermöglichen Sie einen möglichst einfachen Anmeldungsprozess über ein Anmeldungsformular.
- Wenn Sie auf der Unternehmenswebsite schon interessanten Content eingebunden haben, achten Sie auf eine geschickte Querverlinkung der Inhalte aus anderen Fachbereichen auf Ihre Karrierewebsite.
Quelle: NetFed
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.

