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Nachfrage nach Personalern bricht ein

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Derzeit werden rund ein Drittel weniger HR-Stellen ausgeschrieben als noch im Vorjahr. Dies zeigt der Arbeitsmarkt Index der Jobplattform Indeed. In jedem Quartal werden hier Fluktuationen bei ausgeschriebenen Stellen untersucht. Der aktuelle Report zeigt ein weiterhin hohes Niveau an Arbeitskräftenachfrage, blickt man zurück auf Zeiten vor der Pandemie. Doch es geht nach dem Aufwärtstrend, der in einem Hoch im Jahr 2023 kumulierte, wieder deutlich abwärts. Im Vergleich zu den Zahlen aus dem Vorjahr ist die Nachfrage nach Arbeitskräften um 17,4 Prozent gesunken, auf ein Niveau, das zuletzt im August 2021 erreicht wurde.

Der Trend verteilt sich dabei nicht auf alle Branchen gleich. Am stärksten betrifft es derzeit das Personalwesen. Dr. Annina Hering, Ökonomin und Arbeitsmarktexpertin bei Indeed schreibt dazu: „Während sich Pflegekräfte ihren Job im Grunde aussuchen können, stehen HR-Fachkräfte vor der Herausforderung, überhaupt eine passende Stelle zu finden.“ Noch vor zwei Jahren verzeichnete der Index hier Rekordzahlen.

Quelle: Indeed

HR-Spezialfachkräfte weiter gefragt

Mark Brenner, Managing Partner und Mitgründer von der Personalberatung The People Hive.

Die Zahlen des Index decken sich mit den Erfahrungen von Mark Brenner. Er ist Managing Partner und Mitgründer der Personalberatung The People Hive, die sich auf den HR-Bereich spezialisiert hat. „Derzeit geht es vielen Unternehmen zunehmend schlechter. Sie fokussieren sich auf die klassischen HR-Themen, sprich all das, was man unter Operations fassen könnte“, beobachtet er. „Der Laden muss effizient und effektiv laufen.“ Themen wie Employer Branding würden Unternehmen nur angehen, wenn der Kandidatenmarkt leer sei. Das ist zwar kurzfristig gedacht. Aber: „In schlechten Zeiten wird meistens kurzfristig gedacht,“ sagt Brenner.

Auch Brenner merkt im Alltagsgeschäft, dass viele HR-Fachkräfte derzeit auf der Suche sind. „Wir werden aktuell bestimmt zweimal bis dreimal pro Woche von HR-Führungskräften kontaktiert,“ berichtet Brenner. Anders als noch vor einem halben Jahr riefen diese jedoch nicht aus einem Wunsch nach Veränderung an, sondern aus der Not heraus. „Es leiden vor allem die klassischen Generalisten“, sagt Brenner. Viele Jobsuchende kontaktieren ihn auf Empfehlung anderer Beratungen, für ihn ein Indiz, dass es generell zu viele Inbound-Bewerbungen von HR-Führungskräften gäbe. „Sonst würde man nicht an den Wettbewerb weiterleiten.“ Die Nachfrage nach HR-Spezialistinnen und -Spezialisten, beispielsweise Head of Payroll, Head of Comp & Ben, Head of Operations sei hingegen nach wie vor stabil.

Bürojobs weniger ausgeschrieben

Neben HR sinkt laut Indeed die Nachfrage gerade vor allem in anderen klassischen Bürojobs, so etwa im Bereich Softwareentwicklung und Projektmanagement. Insgesamt wurden rund ein Drittel weniger Stellen ausgeschrieben als im letzten Jahr. „Der Großteil der stabil bleibenden Berufsgruppen zeichnet sich […] dadurch aus, dass es sich überwiegend um Präsenzjobs handelt, oft mit intensivem Kundenkontakt und körperlichem Einsatz,“ schreibt Wirtschaftswissenschaftlerin Lisa Feist von Indeed in ihrer Auswertung der Zahlen. Nach ihrer Einschätzung bauen Unternehmen, anders als im Einstellungshoch nach der Coronapandemie, derzeit eher auf eine Strategie der Mitarbeiterbindung statt -findung, da letztere als schwieriger angesehen werde.

Mark Brenner sieht diesen Strategiewandel ebenfalls, für ihn liegt die Begründung im demografischen Wandel und dem herrschenden Kampf um Talente. Auch er hält das Motto „Binden ist das neue Finden“ für wichtig, wobei das Finden seiner Einschätzung nach wieder erheblich einfacher geworden sei: „Noch vor einem Jahr wurden junge Recruiter für Gehälter von teils 80.000 eingestellt, heute liegen sie 20 Prozent darunter – wenn überhaupt noch gesucht wird.“ Eine generelle Strategie vermisst er im aktuellen Marktumfeld. „Die Personalerinnen und Personaler haben das aber leider häufig nicht in der Hand.“

People & Culture fällt unter den Tisch

Die Auswertung des Index prognostiziert eine „anhaltende Schwäche am Arbeitsmarkt“. Ein Grund dafür: Gut ausgestattete Personalabteilungen sind die Voraussetzung dafür, um neue Mitarbeiter einzustellen. So seien umgekehrt starke Nachfragen im HR-Bereich ein Zeichen dafür, dass Unternehmen zukünftig stärkeres Recruiting planen. Auch Mark Brenner sieht keine große Trendumkehr am Horizont. Allerdings: „Das momentan gespart wird und Vorsicht dominiert, dürfte dazu führen, dass ab Q1 [dem ersten Quartal des kommenden Jahres, d. Red.] die Nachfrage leicht anspringt.“ Er prognostiziert weiterhin einen Fokus auf die „harten Themen“ in Unternehmen. „People & Culture landet insofern bei vielen eher auf dem Parkplatz.“

Grundsätzlich sieht Brenner jedoch längst nicht alles pessimistisch: „Es darf nicht vergessen werden, dass es da draußen immer noch Unternehmen gibt, die sich positiv entwickeln und neue Kolleginnen und Kollegen suchen.“

Angela Heider-Willms verantwortet die Berichterstattung zu den Themen Transformation, Change Management und Leadership. Zudem beschäftigt sie sich mit dem Thema Diversity.