Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

Lottoland macht Neurodiversität zur Vielfalts-Priorität

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Sophie Wood und ihr Team möchten zukünftig bei Lottoland ihren Fokus auf Neurodiversität legen. (Foto: Lottoland).
Sophie Wood und ihr Team möchten zukünftig bei Lottoland ihren Fokus auf Neurodiversität legen. (Foto: Lottoland).

In vielen Unternehmen werden derzeit – wenn nicht schon geschehen – Diversity-Beauftragte oder gar ein ganzes Team ausgewählt, die eine vielfältige Unternehmenskultur erschaffen sollen. So auch beim Glücksspielunternehmen Lottoland. Dort gibt es seit zweieinhalb Monaten ein DEI-Team (Diversity, Equity und Inclusion). Allerdings mit einem noch recht seltenen Schwerpunkt: die Förderung von Neurodiversität.

„Wir wollten von unseren Mitarbeitenden in einer Umfrage wissen, welche Aspekte von Diversität ihnen am wichtigsten sind“, sagt Sophie Wood, Learning & Development Partner bei Lottoland und als solche für die Umsetzung der Diversity-Ziele verantwortlich. „Einer der Hauptbereiche, auf den sich die Mitarbeitenden hier fokussieren wollen, ist Neurodiversität.“

Dieser Aspekt der Vielfalt bezeichnet ein Vorhandensein von menschlichen Gehirnen, die unterschiedlich verdrahtet sind und leicht anders funktionieren. Dabei kann es sich um Autismus, AD(H)S, Dyskalkulie, Legasthenie und Dyspraxie handeln, aber auch um andere Entwicklungsstörungen und psychische Krankheiten, die auf neurologische Varianten zurückzuführen sind. Diese Menschen haben oftmals ein bestimmtes sehr ausgeprägtes Talent. Sie können sich beispielsweise gut auf eine Sache fokussieren und zum Kern der Situation durchdringen.

Neurodiverse Mitarbeitende bereits vorhanden

Dass dieses Thema bei Lottoland viel Aufmerksamkeit bekommt, wundert Wood nicht. „Viele technische Jobs bei uns sind passend für neurodiverse Menschen – beispielsweise Produktmanagement, Web Designing oder die Arbeit in der Produktauslieferung.“ Und so befinden sich im neuen 15-köpfigen DEI-Team (Diversity, Equity und Inclusion) fünf Menschen, die entweder selbst neurodivers sind oder mit Personen zusammenleben, die es sind. „Dadurch können Kollegen und Kolleginnen die Aktivitäten für mehr Neurodiversität lenken, die sich am besten mit dem Thema auskennen“, erklärt Wood.

Der Plan des Teams: „Wir wollen das Wissen im Unternehmen über Neurodiversität vergrößern, indem Mitarbeitende ihre Erlebnisse und Geschichten teilen“, sagt Wood. Dafür sollen Plattformen zum Austausch geschaffen und mit externen Inklusionspartnern zusammengearbeitet werden. In Gibraltar, dem Hauptsitz des Unternehmens, wäre man bereits auf verschiedene Gruppen für neurodiverse Menschen zugegangen. Lottoland wolle von deren Mitgliedern mehr über die verschiedenen Formen von Neurodiversität lernen. Im Gegenzug werde das Glücksspielunternehmen die Gruppen finanziell unterstützen und Mitgliedern von ihnen auf Wunsch eine Ausbildung bei Lottoland anbieten.

Die Führungskräfte müssen sich zunächst verletzlich zeigen und vor allen Mitarbeitenden über das Thema sprechen.

Psychologische Sicherheit kreieren

Die Gespräche innerhalb des Unternehmens zu beginnen, sei eine größere Herausforderung. „Wir müssen zunächst psychologische Sicherheit aufbauen, damit sich die Mitarbeitenden wohl dabei fühlen, öffentlich über ihre Neurodiversität oder ihre Erfahrungen damit zu berichten“, sagt Wood. Um diese zu schaffen, benötige es Vorbilder, eine Unternehmenskultur, in der auch über sensible, persönliche Dinge gesprochen wird, psychologische Unterstützung und eine individuelle Herangehensweise, die für jeden Mitarbeitenden auf sie oder ihn angepasste Kommunikationsmöglichkeiten bereithält. „Es beginnt alles von oben“, sagt Wood. „Die Führungskräfte müssen sich zunächst verletzlich zeigen und vor allen Mitarbeitenden über das Thema sprechen“, so Wood. „Es geht dabei darum, sich auf einer zwischenmenschlichen Ebene auszutauschen, anstatt auf einem Business Level.“

Neurodiversen Mitarbeitenden wolle man unterschiedliche Kommunikationskanäle anbieten, um ihre Geschichten möglicherweise zu teilen. „Wir werden uns hier von den neurodiversen Mitarbeitenden führen lassen. Sie haben ihre eigenen Kommunikationsmethoden“, sagt Wood. So fühlten sich manche wohler, in die Kamera zu sprechen und in einem Video ihr Wissen zu teilen. Andere möchten nur mit ausgewählten Personen reden, denen sie vertrauen. Wieder andere fühlten sich am wohlsten damit, Blogeinträge zu erstellen. Auch das DEI-Team von Lottoland werde verschiedenste Kanäle benutzen, um die Mitarbeitenden zu erreichen: „Wir versuchen Interessierte über unsere interne DEI-Webseite, unsere Slack-Kanäle oder im direkten Kontakt über die Angebote zu informieren“, sagt Wood. Das Team ist zudem möglichst gleich auf die Niederlassungen aufgeteilt, sodass es an jedem Ort einen Ansprechpartner gibt.

Räumlichkeiten anpassen

Psychologische Sicherheit habe gerade bei neurodiversen Menschen, die oftmals sehr feinfühlig für sensorische Eindrücke sind, auch viel mit den physischen Räumen zu tun, in denen sie arbeiten. Hier müsse sich bei Lottoland noch etwas tun. „Wir haben derzeit viele Coworking-Räume und in den meisten Büros eher eine Großraum-Atmosphäre“, so Wood. „Uns fehlt es an ruhigen Orten, um sich zu rekalibrieren und Kraft zu tanken.“ Was es allerdings gebe: Die vier Hauptniederlassungen haben eine etwas andere Atmosphäre. Hier könne sich jeder Mitarbeitende aussuchen, welche ihm oder ihr am meisten zusage. „Wir wachsen derzeit stark und versuchen, das zu nutzen, um auch hinsichtlich der Räumlichkeiten auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen“, sagt Wood.

Sollte es dennoch zu Schwierigkeiten oder Überforderungen kommen, könnten sich die neurodiversen Menschen – wie auch jede anderen Mitarbeitenden –  an Therapeuten und Resilienz-Coaches wenden, die Lottoland beauftragt hat, im Notfall psychologische Unterstützung zu leisten. Da diese Unterstützung in manchen der 30 Kulturen, aus denen die Lottoland-Mitarbeitenden stammen, nicht anerkannt ist, wollen Wood und ihr Team viel ins Marketing der Angebote investieren. So werde die Vertraulichkeit der Gespräche mit den Therapeuten betont und die Möglichkeit hervorgehoben, die Therapie außerhalb des Unternehmens durchzuführen.

Mitarbeitende lenken die Aktionen

Bei all den Angeboten ist Wood und ihrem Team eines wichtig: „Wir bieten diese Dinge nur an. Die Mitarbeitenden wählen selbst, ob sie unser Angebot annehmen und in welcher Form sie dies tun.“ Ob die Initiativen erfolgreich waren will das Lottoland-DEI-Team kontinuierlich von außen überprüfen lassen. Dafür habe man sich für Leistungsvergleiche externer Berater angemeldet, die die Diversity-Bemühungen werten werden. Auch ein regelmäßiges Feedback durch Umfragen soll von den Mitarbeitenden zu der Inklusion von Neurodiversität eingeholt werden, um sich selbst zur Rechenschaft zu ziehen. Gute Statistiken seien aber nicht das, worauf es dem DEI-Team ankomme. „Wir wollen Momente schaffen, in denen Mitarbeitende denken, ‚das wusste ich nicht‘ und dann ihr Verhalten ändern“, sagt Wood.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.