Jeder Personaler weiß: Qualifizierte Bewerber sind keineswegs einfach zu finden. Das gilt vor allem für eine relativ unbekannte Arbeitgebermarke. Erscheint die Tätigkeit nicht auf den ersten Blick attraktiv, gleicht das Recruiting passender Interessenten einer Herausforderung. Doch es kann gelingen. Das zeigt das Beispiel der Bildungsinitiative Teach First Deutschland (TFD) und ihrer Partner Yeahr (Eigenschreibweise: YeaHR!), HR-Agentur für Recruiting und Employer Branding, und Gedankenburg, spezialisiert auf datengetriebenes Personalmarketing. Für das TFD-Projekt bündelten die beiden Agenturen ihre jeweiligen Stärken, also datengetriebenes Personalmarketing hier, zielgruppenspezifisches Recruiting dort.
Das Vorhaben: Fellows für TFD gewinnen
Das Projektziel lautete, im Zeitraum von November 2018 bis Juli 2019 mindestens 120 Hochabsolventen für TFD zu gewinnen. Denn die Initiative hat es sich zur Aufgabe gemacht, Jugendliche in sozialen Brennpunkten zu fördern.
Dafür arbeiten engagierte Hochschulabsolventen verschiedener Studienrichtungen als sogenannte Fellows bundesweit an Brennpunktschulen. Als Vertrauenspersonen und zusätzliche Lehrkräfte in Unterricht und Ganztagsangeboten unterstützen sie Schülerinnen und Schüler besonders dort, wo diese häufig scheitern: an Übergängen im Bildungssystem.
Die Fellows werden für diesen Einsatz vorab qualifiziert und während des Leadership-Programms begleitet. Der Einsatz für bei TFD ist für sie eine Zeit intensiver persönlicher Weiterbildung, bei der auch Führungskompetenzen (weiter-)entwickelt werden.
Die Rahmenbedingungen: keine Erleichterung
Für zwei Jahre in Vollzeit als Fellow für TFD zu arbeiten, ist also eine nicht nur ehrenwerte, sondern auch lehrreiche Tätigkeit. Aber ist sie mit einer Bruttovergütung unterhalb von 2.000 Euro finanziell attraktiv für junge Hochschulabsolventen, zumal für solche technischer Berufe oder der Wirtschaftswissenschaften? Daran kann man zweifeln. Hinzu kommt, dass solch ein Einsatz für viele junge Menschen nicht gerade die erste Option ist, wenn sie ihre Karriere planen – was auch an der bisher geringen Bekanntheit der Organisation als Arbeitgeber liegt.
Im Fall des TFD-Projekts wurde die Aufgabe in manchen Bundesländern zudem durch die Rahmenbedingungen erschwert. So hat in Baden-Württemberg ein großer Teil der Absolventen schon vor dem Examen eine oder mehrere Jobzusagen. Zudem sind dort gerade die technisch-naturwissenschaftlichen Absolventen, die auch für TFD wichtig sind, heiß begehrt. In Sachsen kehren zahlreiche Absolventen dem Bundesland unmittelbar nach Studienabschluss den Rücken und stehen daher dort nicht zur Verfügung. Darüber hinaus hatte sich bis zum tatsächlichen Kampagnenstart die Marktlage aus Arbeitgebersicht verschärft. Die Zahl der offenen Stellen und die durchschnittliche Vakanzzeit waren nochmals um jeweils 20 Prozent angestiegen.
In Zahlen: Die Vorgaben übertroffen
Vorab lässt sich festhalten: Die Kampagne erreichte alle Vorgaben, manche übertraf sie sogar. So wurden mehr als die avisierten 120 Hochschulabsolventen als Fellows rekrutiert. Ein weiteres Ziel von TFD waren 98 neue Registrierungen auf dem Bewerberportal pro Woche – erreicht wurden 104. Und statt der angestrebten 52 abgeschlossenen Bewerbungen gingen pro Woche 62,5 ein. Weitere Kennzahlen:
• Das Verhältnis von Bewerbern zu Einstellungen lag letztlich bei 13:1, ähnlich wie in den Vorjahren.
• Bezogen auf das für die Agenturen eingesetzte Budget betrugen die Kosten pro Bewerbung (cost per application) 66 Euro, die pro Einstellung (cost per hire) bei 750 Euro. Das liegt weit unter den in dieser Kategorie regelmäßigen Werten von 3.000 bis 5.000 Euro.
• Die Konversionsrate bei Google stand am Ende bei 6,9 Prozent, die bei Indeed bei 2,2 Prozent, deutlich über dem Durchschnittswert von 1,5 Prozent.
Die Strategie: flexibles datenbasiertes Personalmarketing
Wie aber gelang das, wie sah die Kampagne aus?
• Der Claim „Fürs Leben lernen“ stellte die Sinnhaftigkeit des Berufes (also der Fellowship) in den Mittelpunkt, ein zurzeit bekanntlich zentrales Argument am Arbeitsmarkt, besonders für Absolventen. Er betonte die sozialen und ideellen Aspekte des Jobs: die Wissensvermittlung und die Förderung der persönlichen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bei gleichzeitiger Chance, sich selber zu entwickeln.
Prägnante Überschriften sollten Absolventen von sechs unterschiedlichen Fachbereichen ansprechen – aber auch studierte Menschen im Beruf, die sich noch einmal umorientieren wollen. Die verbalen Inhalte wurden durch starke Bilder in einem CI-konformen Layout unterstützt, wobei die Motive je nach Zielgruppen respektive Fachbereichen variierten.
• Der technische Weg für die Personalgewinnung lautete, Kandidaten sowohl via Google als auch in Stellenbörsen zu suchen und zu adressieren, voran Indeed. Dies sollte eine möglichst direkte, individuelle Ansprache mit geringen Streuverlusten ermöglichen.
Eine zentrale Rolle spielte dabei eine im Rahmen einer Kooperation von Gedankenburg mit der Plattform Indeed etablierte Schnittstelle. Sie ermöglicht es dem Dienstleister, Stellenanzeigen bei der weltweit reichweitenstärksten Plattform im Eigenzugriff „on the fly“ zu adaptieren. Ein starkes Plus an Flexibilität gegenüber klassischen Stellenanzeigen mit festgelegter Laufzeit.
Die Kampagne operierte mit 240 Suchbegriffen. Sie wurden via Schnittstelle in Echtzeit kombiniert und ausgetauscht, bis die jeweils erfolgreichste Variante erreicht war. Eine fortlaufende Datenerhebung zu jeder Anzeige unterstützte den Prozess. Indikatoren für die Optimierungen der Suchbegriffe waren konkrete KPI zu jeder einzelnen Anzeige. Diese wurden fortlaufend und detailliert erhoben.
• Analog ergänzt wurde der digitale Kampagnenansatz durch die Arbeit des Recruiting-Teams von TFD. An jedem Standort der Organisation arbeitet mindestens ein Recruiter oder eine Recruiterin. Deren Fokus ist der direkte und qualitativ hochwertige Kontakt zur Zielgruppe, vor allem über die Präsenz an ausgewählten Hochschulen.
Gleichzeitig sind Multiplikatoren aus ganz unterschiedlichen Bereichen und die Vernetzung mit ihnen wichtig für die NGO – diese Fürsprecher, beispielsweise Dozenten oder (studentische) Initiativen und Organisationen, helfen, das Angebot bekannter zu machen. Zudem liegt ein Fokus des Teams darauf, Fellows und Alumni des Programms zu animieren, passenden Bekannten eine Bewerbung zu empfehlen.
Umgang mit Stolpersteinen: Monitoring hilft
Wöchentliche Monitoring-Reports der Partner verwiesen auf Hindernisse im Kampagnenprozess und zeigten an, wie durch Einzelmaßnahmen gegenzusteuern sei. Das Problem der Akademikerflucht in Sachsen etwa wurde mit einer Bannerkampagne „Rückkehrer“ adressiert.
Auch wurden Kandidaten, die sich auf dem Portal registriert, aber noch nicht beworben hatten, vor Ablauf der Frist per Direct-Mailing ermutigt, ihre Bewerbung noch einzureichen. Gleichzeitig intensivierte das Recruiting-Team zu gewissen Zeitpunkten den telefonischen Kontakt zu den ihnen, um schnelle Antwort auf etwaige Fragen zu geben. So zeigte sich TFD zugleich nahbar und interessiert am potenziellen Mitarbeiter.
Unterm Strich: Bekanntheit als Arbeitgeber gesteigert
Auch jenseits der konkreten Projektziele scheint die Kampagne für TFD Wesentliches bewirkt zu haben. Bereits im Januar 2019 – also wenige Monate nach Projektstart – hatte die Employer-Marke profitierte. TFD lag als eine eher unbekannte Organisation bei Indeed in der Liste der beliebtesten Arbeitgeber bei den für die Kampagne relevanten Suchbegriffen weiter vorne, noch vor einigen Dax-Unternehmen. „Der stark datengetriebene Ansatz der Kampagne hat gut funktioniert“, bilanziert Kathrin Justen, Senior Managerin Recruiting bei TFD. „Für uns war dies ein wichtiger Schritt zur weiteren Professionalisierung in Sachen Online-Personalmarketing.“