Der Bedarf an Spezialisten im MINT-Bereich – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – in Europa ist hoch. So benötigt zum Beispiel allein die IT-Branche bis zum Jahr 2020 rund 900.000 zusätzliche Arbeitskräfte. Bisher sind die MINT-Berufe jedoch überwiegend in Männerhand: In den Naturwissenschaften und im Ingenieurwesen sind nur 24 Prozent der Fachkräfte Frauen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Frauen weniger Selbstvertrauen im Beruf haben als ihre männlichen Kollegen: nur 56 Prozent der Frauen im MINT-Bereich (51 Prozent in Deutschland) sind von ihrem eigenen Marktwert überzeugt, während es bei den Männern gut zwei Drittel (67 Prozent) sind. Das zeigt die Studie „Frauen in MINT-Berufen – Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in Europa“ von Kelly Services. Dafür wurden 164.000 Teilnehmer in 28 Ländern befragt.
Unsere Untersuchung zeigt sehr deutlich die Ausgrenzungen und den Mangel an Unterstützung, denen Frauen im MINT-Bereich während ihres gesamten Karriereweges begegnen. Dies führt überdurchschnittlich häufig dazu, dass Frauen vorzeitig aussteigen,
erklärt Thomas Schenk, Geschäftsführer von Kelly Deutschland. Es beginnt schon damit, dass Frauen nach einem MINT-Studium weniger oft als Männer den Einstieg in die Branche finden, sondern etwa im Bildungs- oder Gesundheitswesen landen. Schaffen sie es doch, werden sie im Unternehmen zu wenig gefördert, fallen durch die Familienpause aus und erhalten weniger Aufstiegschancen. Eine männlich geprägte Unternehmenskultur und wenig familienfreundliche Arbeitsbedingungen gehören laut Studie zu den größten Hürden, die Unternehmen überwinden müssen, um mehr MINT-Frauen für sich zu gewinnen und zu binden.
Work-Life-Balance ist Frauen wichtiger als flexible Arbeitsbedingungen
Die Studie nahm die Ansprüche von MINT-Frauen an Unternehmen genau unter die Lupe. Danach betrachten 68 Prozent der europäischen Frauen eine gute Work-Life-Balance als attraktives Arbeitgebermerkmal, das darüber entscheidet, welchen Job sie wählen. In Deutschland sagen dies sogar 81 Prozent. 36 Prozent der weiblichen MINT-Fachkräfte in Europa würden einen Teil Ihres Gehalts für flexiblere Arbeitsbedingungen aufgeben. Ganze 29 Prozent würden dafür sogar auf eine Beförderung verzichten. Der Wunsch nach flexiblen Arbeitsbedingungen ist über alle Karrierestufen zu beobachten, von der Einsteigerin über das mittlere Management bis hin zu Expertinnen und zum gehobenen Management.
Außerdem schätzen 58 Prozent der befragten Frauen die Arbeit an innovativen Projekten während der Arbeitszeit, inklusive Freiwilligen- und Sozialdienste. 43 Prozent befürworten Unternehmensrichtlinien zur Einschränkung der Arbeitszeiten und des E-Mail-Zugangs außerhalb der Bürozeiten. 39 Prozent stimmen zu, dass Wellnessprogramme des Arbeitgebers, zum Beispiel Fitnessstudios oder stressreduzierende Angebote wie Yoga und Meditation, sich positiv auf die Work-Life-Balance auswirken. 29 Prozent geben an, dass umweltfreundliche Arbeitsmethoden über die Arbeitgeberwahl entscheiden könnten.
Wenn wir den Mangel bei MINT-Fachkräften beheben wollen, müssen wir Frauen stärker fördern. Dazu müssen wir auf ihr Bedürfnis nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und einer unterstützenden Arbeitsumgebung eingehen,
fordert Schenk. Seiner Ansicht nach sollten Unternehmen im MINT-Bereich eine solche Kultur zum allgemeinen Standard erheben. Der Studienbericht schließt mit Empfehlungen für Arbeitgeber, wie sie die Gewinnung und Bindung von weiblichen MINT-Fachkräften verbessern können. Dazu gehören unter anderem die Einführung flexibler Arbeitszeiten, die Abschaffung ungleicher Bezahlung von Männern und Frauen, die Reduzierung von Vorurteilen und anderen kulturellen Hindernissen, die Einführung von Mentoring-Programmen und weitere Maßnahmen zur Mitarbeiterentwicklung sowie die verstärkte Beförderung von Frauen in die oberen Führungsebenen.
Die ausführlichen Ergebnisse der Studie stehen als > PDF-Datei zur Verfügung.