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Wie lief die Bundeswehr-Kampagne zur Frauen-EM?

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Arbeitgeber scheinen vermehrt Fußballspiele für ihr Employer Branding und Recruiting zu nutzen. Die Bundeswehr ist jüngst noch einen Schritt weitergegangen und hat eine ganze Recruiting-Kampagne für Frauen an der Fußball-Frauen-EM aufgehängt. Die Botschaft: Im Fußball und bei der Bundeswehr brauche es „Menschen, die über sich hinauswachsen, die durchziehen und an sich glauben. Frauen, wie dich!“ Wie kam die großausgerollte Kampagne in der HR-Szene und bei Talenten an?

Herzstück der vierwöchigen Kampagne war ein Werbespot, der rund um die einzelnen Spiele ausgestrahlt wurde. Darin sind DFB-Nationalspielerin und Sportsoldatin Cora Zicai sowie Oberstabsgefreiter Laura W. zu sehen. Sie tauschen sich darüber aus, dass es im Fußball und bei der Bundeswehr auf eine gute Technik, einen großen Zusammenhalt und eine gute Verteidigung ankomme und es einen ausreichend großen Kader brauche. Und genau diesen Kader gelte es zu vergrößern.

Neben dem Spot besteht die Kampagne aus Kurzvideos von Soldatinnen, die von ihrem Job und ihren durchweg positiven Erfahrungen als Frau in der Bundeswehr erzählen. Auf der Website der Kampagne können Interessierte zudem einen Stärkentest machen und direkt ein Beratungsgespräch vereinbaren. Auch eine Liste an Benefits als Frau bei der Bundeswehr wird angegeben. Dabei werden etwa Weiterentwicklungsmöglichkeiten, Vereinbarkeit und DEI-Förderung genannt.

Sichtbarkeit erreicht

Die Bundeswehr warb parallel mit Plakaten an Bushaltestellen, Bahnhöfen, in Einkaufszentren und auf Karrieremessen um junge Frauen. Sichtbar war die Bundeswehr mit der Kampagne auf jeden Fall. Allein auf Youtube haben 3,7 Millionen Menschen den Spot „Komm in die Mannschaft“ angeschaut, womit das Video zu den drei meistgeklickten Videos des Kanals zählt.

Auch im Fernsehen sollte der Spot Aufmerksamkeit bekommen haben. Das Viertel-Finale der deutschen Frauen gegen Frankreich verfolgten mehr als zehn Millionen TV-Zuschauer und -Zuschauerinnen. Der Marktanteil lag bei 52,2 Prozent, womit jeder und jede Zweite, der oder die zu besagtem Zeitpunkt den Fernseher anschaltete, das Spiel ansah. Besonders die junge Zielgruppe war stark vertreten. Bei ihnen lag der Marktanteil bei 59,6 Prozent. Zu einer hohen Wahrscheinlichkeit hat ein Großteil der Zuschauerinnen und Zuschauer die in den Pausen ausgestrahlte Kampagne gesehen.

Emotionales Storytelling überzeugt

Doch hat ihnen gefallen, was sie gesehen haben? „Die Verbindung zum aktuellen Ereignis ist clever gewählt“, sagt Personalberaterin Katharina Engfer. Das erzeuge eine hohe Aufmerksamkeit und situative Relevanz. Engfer ist selbst Fußball-Fan und fühlte sich eigenen Aussagen nach aufgrund ihrer Leidenschaft für den Sport direkt abgeholt. Sie lobt die „cleveren Wortwitze“ – etwa, dass Begriffe wie „Mannschaft“, „Zusammenhalt“, „Technik“ und „Verteidigung“ sowohl bei der Bundeswehr als auch im Fußball verwendet werden – und den „emotionalen Storytelling-Ansatz“.

Die Kampagne habe eine klare, stimmige Botschaft, nämlich, dass in der Bundeswehr und im Fußball dieselben Werte zählen – Teamgeist, Resilienz und Leistungsbereitschaft – und Frauen für eine männerdominierte Branche gesucht werden. Letzteres sei ein Thema, das aktuell auch außerhalb der Fußball-Frauen-EM immer mehr Aufmerksamkeit erhalte und es deshalb klug von der Bundeswehr sei, hier mit aufzuspringen.

Recruiting-Beraterin Annika Reinke empfindet die Kampagne ebenfalls als gelungen. Durch den Einsatz von echten Fußballspielerinnen, die gleichzeitig bei der Bundeswehr sind, sei die Kampagne glaubwürdig und schaffe Vorbilder. Gleichzeitig unterstreiche die Bundeswehr mit dem Bezug zum Fußball ein Alleinstellungsmerkmal. „Sie ist eine der wenigen Arbeitgeber in Deutschland, die Spitzensport neben dem Beruf fördern und ermöglichen“, sagt Reinke.

Die Arbeit bei der Bundeswehr ist kein Spiel

Gut gemacht, aber ist die Kampagne auch realitätsnah und ethisch vertretbar? „Beim ersten Anschauen der Kampagne hatte ich zwar Gänsehaut, aber auch ein flaues Gefühl im Magen“, sagt Reinke. „Der Gedanke, ob hier Militär mit einem Spiel gleichgesetzt wird, war zumindest kurz da.“

Was bei der Recruiting-Expertin nur ein kurzer Gedanke war, ist bei anderen Menschen als Kernaussage der Kampagne hängengeblieben. „Demnächst stehen die Damen und Herren im Eingangsbereich von Gamingshops und rekrutieren Call-of-Duty-Veteranen“, schreibt ein Youtube-User unter den Spot. Die Antwort der Bundeswehr darauf: „Im echten Leben gibt es keine Pause-Button und kein Respawn (die Wiederbelebung eines Charakters, Anm. d. Red.). Wer hier antritt, entscheidet sich für Verantwortung, Disziplin und Einsatz und nicht für ein Spiel, das kann man gerne in der Freizeit spielen.“

Gegenüber unserer Redaktion betont eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums: „In der Kampagne wird die Arbeit bei der Bundeswehr nicht mit dem Sport verglichen. Es geht vielmehr darum, dass sowohl der Sport als auch die Bundeswehr als Parlamentsarmee einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten.“ Zudem gehe es um die geteilten Werte.

Diskriminierung wurde nicht thematisiert

Neben diesem Missverständnis könnte die Kampagne auch ein zu eindimensionales Bild zeigen. Zum einen von Frauen generell, zum anderen vom Frausein in der Bundeswehr. „Frauen sind unterschiedlich und facettenreich“, sagt Katharina Engfer. Die Kampagne fokussiere sich aber ausschließlich auf sportlich und leistungsorientierte Aspekte. Auch würden immer noch vorhandene Hürden für Frauen bei der Bundeswehr nicht thematisiert. „Man kann nicht außer Acht lassen, dass es Frauen allgemein schwer in der Bundeswehr haben und viele strukturelle Hürden überwinden müssen.“ Engfer hat durch den Spot nicht wirklich das Gefühl, dass die Bundeswehr diesbezüglich klare Veränderungen anstrebt.

Zu diesen Fragen scheint die Bundeswehr in den sozialen Medien nicht in den Dialog gehen zu wollen. Auf Tiktok zumindest ist die Kommentarfunktion für die meisten Videos deaktiviert, bei Youtube können User kommentieren. „Vermutlich war das auf Tiktok notwendig, denn man kann sich vorstellen, wie die Themen Frauen, Fußball und Bundeswehr auf Social Media leider sehr schlimme Kommentare provozieren“, sagt Recruiting-Expertin Annika Reinke. Eine Deaktivierung der Kommentare ziehe aber auch Konsequenzen mit sich: „Das Community-Feedback und der Austausch mit der Zielgruppe bleiben auf der Strecke.“

Einfluss auf Bewerberzahlen unklar

Am Ende des Tages misst sich der Erfolg einer Recruiting-Kampagne an den eingegangenen Bewerbungen und deren Qualität. Dazu hält sich die Bundeswehr recht bedeckt. „Eine direkte Korrelation zwischen Nachwuchsbewerbung und Bewerberaufkommen besteht nur bedingt“, sagt die Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Schließlich würden sich viele Faktoren auf die Bewerberzahlen der Bundeswehr auswirken – etwa die Arbeitsmarktsituation, die zunehmende Optionenvielfalt an Ausbildungswegen und Berufsbildern sowie aktuell auch die welt- und sicherheitspolitische Lage.

„Fakt ist aber, dass wir aktuell eine deutlich positive Entwicklung bei den Einstellungen und Bewerbungen sehen“, so die Sprecherin. „Dieser Trend ist auch auf die Vielzahl der unterschiedlichen nachwuchswerblichen Maßnahmen der Bundeswehr zurückzuführen.“ Wie viele Bewerbungen nun aber im Zeitraum der EM-Kampagne von Frauen bei der Bundeswehr eingegangen sind – dazu möchte sich die Behörde nicht äußern. Man führe dazu keine „gesonderten Übersichten“. Im Frühjahr hatte sie mitgeteilt, dass es 2024 einen Bewerbungsanstieg von 19 Prozent gab.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.