Als ich meinen ersten Kuchen backte, war das Ergebnis ein Desaster. Einen Kuchen backt man nicht, indem man Eier, Mehl und Zucker in den Backofen wirft und hofft, dass etwas Essbares herauskommt. Man konnte das Ergebnis zwar essen. Aber nach dem ersten Stück habe ich den Rest auf dem Kompost entsorgt.
Beim Erstellen einer E-Learning-Anwendung funktioniert es ebenfalls nicht, einfach Inhalte in ein Autorenwerkzeug zu kippen und zu hoffen, dass etwas Gutes herauskommt. Das Ergebnis wird der Lernende nur widerwillig und oft nicht vollständig bearbeiten.
Zwischen Kuchen backen und der Erstellung von E-Learning-Anwendungen oder allgemeiner digitaler Lernmedien besteht eine Analogie, die man sich genauer anschauen sollte. Es lassen sich wichtige Schlüsse für die Erstellung oder auch die Bewertung von E-Learnings zu ziehen.
Um einen Kuchen zu backen, benötigt man eine Reihe von Komponenten, die man virtuos zusammenstellen muss. Genau diese Komponenten finden man bei der Erstellung von E-Learnings oder digitaler Lernmedien wieder.
- Personen
Beim Kuchen backen braucht man mindestens die Person, die den Kuchen backt, und die Personen, die den Kuchen essen. Auch beim E-Learning benötigt man jemanden, der das E-Learning erstellt, und die Lernenden. In der Regel hat man noch mehr Personen im Boot und sollte sich schon frühzeitig Gedanken machen, wer welche Rolle beziehungsweise Rollen übernimmt: Auftraggebende, Didaktiker:innen, Drehbuchschreiber:innen, E-Learning-Autor:innen, Grafiker:innen, Lernende und oft noch mehr. - Rezept oder Vorgehensweise
So wie man beim Kuchen die Zutaten nicht einfach in den Backofen wirft, sondern sie nach einem Rezept zusammenrührt, benötigt man bei der Erstellung von E-Learnings eine strukturierte Vorgehensweise: Identifikation der Rahmenbedingungen inklusive einer Mehrwertanalyse (lohnt sich der Aufwand überhaupt?), Zielgruppen- und Lernzielanalyse, Festlegung der Lerninhalte, Erstellung von Bauplan und Drehbuch, Umsetzung, Test und Rollout. - Zutaten oder Lerninhalte, Bilder, Grafiken, etc.
Beim Backen eines Kuchens muss ich entscheiden, welche Zutaten ich verwende. Bei dieser Entscheidung hilft mir das Rezept, aber auch meine Erfahrung. Bei der Erstellung einer E-Learning-Anwendung ist die Festlegung der Lerninhalte eine wichtige Entscheidung. Grundlage hierfür sind die Rahmenbedingungen, die Zielgruppenanalyse und die Lernzielanalyse. Aber auch die Auswahl von Bildern, Grafiken, Videos, und so weiter gehören zur Festlegung der Zutaten. - Backwerkzeuge oder Autorenwerkzeuge
Schüsseln, Schneebesen, Backofen und vieles mehr sind die Werkzeuge, um einen Kuchen zu backen. Bei der Erstellung einer E-Learning-Anwendung benötigt man ein Autorenwerkzeug. Sehr einfache E-Learnings inklusive Interaktionen sind schon mit Powerpoint umsetzbar. Mit Werkzeugen wie Camtasia oder Vyond lassen sich Videos produzieren. Andere Tools wie Articulate Storyline oder Adobe Captivate helfen, interaktive E-Learning-Anwendungen und einfache Videos zu entwickeln. - Zeit
Meine Mutter hat viel gebacken. Leider musste ich auch öfters hören: „Heute mache ich keinen Kuchen, ich habe keine Zeit.“ Bei der Erstellung von E-Learning-Anwendungen ist Zeit ebenfalls ein kritischer Faktor. „Mach‘ mir dazu gerade mal schnell ein E-Learning“ funktioniert nicht. Man muss sich auch die Zeit dafür freischaufeln. Allerdings lässt sich durch eine kluge Vorgehensweise die Entwicklungszeit reduzieren, zum Beispiel durch eine konsequente Vorgehensweise mit weniger zeitfressenden Fehlentwicklungen, durch Vorlagen oder durch Erfahrung. - Kreativität
Auch wenn man ein Rezept vorliegen hat, ist das Backen eines Kuchens ein kreativer Prozess. Dies gilt noch viel mehr für die Erstellung einer E-Learning-Anwendung. Kreativität, Ästhetik und ein guter Schuss Logik sind die Würze, die eine attraktive E-Learning-Anwendung ausmacht.
Die Analogie zwischen Kuchen backen und Erstellung eines E-Learnings hilft auch dabei, ein E-Learning zu beauftragen oder einzukaufen. Man kann Qualitätskriterien anlegen, die sich an den handelnden Personen, deren Vorgehensweisen und Kreativität, den Zutaten, den Werkzeugen und so weiter orientieren. Auch andere Analogien sind möglich, zum Beispiel Kochen, einen Garten anlegen oder einen Holzschuppen zu errichten. Der Vorteil der Betrachtung dieser Analogien ist, dass man einen abstrakten Vorgang wie das Entwickeln einer E-Anwendung durch einen physischen Vorgang sichtbar machen und wichtige Erkenntnisse bekommen kann.