„Junge Menschen blicken so pessimistisch wie noch nie auf ihr Leben“, sagt der Jugendforscher Simon Schnetzer zu Beginn der Präsentation der Ergebnisse seiner neuen Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“. Demnach führen große finanzielle Sorgen der befragten 14- bis 29-Jährigen in Deutschland aufgrund von Inflation (65 Prozent der Befragten geben an, dass sie sich darüber Sorgen machen), teurem Wohnraum (54 Prozent) und Altersarmut (48 Prozent) zu hoher Unzufriedenheit. Darauf zahlt auch die wahrgenommene Spaltung der Gesellschaft (49 Prozent) sowie die Angst vor einer Zunahme von „Flüchtlingsströmen“ (41 Prozent) ein. Auch in Zukunft rechnen die Befragten nicht mit besseren Aussichten, im Gegenteil. Sie gehen davon aus, dass sich ihre Lebensumstände weiter verschlechtern. Auch bei der Befragung vor zwei Jahren stand die Verunsicherung aufgrund der finanziellen Situation an erster Stelle bei den abgefragten Sorgen.
Sorge vor Krieg steigt
Diese schlechten Werte erklären sich Schnetzer und sein Team vor allem durch die sich häufenden Krisen und die daraus resultierenden Sorgen und Ängste. Die Corona-Pandemie und Kriege würden den Alltag der in Wohlstand und Sicherheit aufgewachsenen Befragten durcheinanderbringen und ihnen eine feste Zukunftsplanung unmöglich machen. Vor allem die neueren Konflikte beschäftigen die jungen Menschen. 60 Prozent der Befragten geben an, sich Sorgen wegen der Kriege in Europa und Nahost zu machen. Im Vergleich dazu spielt der Klimawandel, wegen dem sich 49 Prozent der Befragten sorgen, nur eine nachgelagerte Rolle.
Die psychische Belastung steigt weiter
Schnetzer legt in seiner Studienreihe einen Fokus darauf, Vorurteile durch den Vergleich von Generationen zu belegen oder zu entkräften. Bereits in der Trendstudie 2023 hat er nachgewiesen, dass die unter 30-Jährigen ein erheblich höheres Niveau von psychischen Belastungen verzeichnen als die Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen sowie der 50- bis 69-Jährigen. Auch in der diesjährigen Ausgabe seiner Studie setzt sich der Trendfort: Die psychische Belastung der Befragten hat weiter zugenommen. Fühlten sich 2022 45 Prozent der Befragten gestresst, waren es 2023 46 Prozent. 2024 fühlen sich sogar 51 Prozent der Befragten gestresst.
Krankmeldungen wegen mangelnder Lust
Doch ist das auch der häufigste Grund, aus dem sie sich krankschreiben? 53 Prozent der Befragten geben an, im vergangenen Jahr null bis sechs Krankheitstage gehabt zu haben. Über ein Fünftel erklärte, dass sie 13 und mehr Krankheitstage hatten. Zwar überwiegen körperliche Krankheiten mit 82 Prozent der Fälle als Grund. Fast ein Drittel (32 Prozent) gibt aber auch an, wegen mangelnder Lust und Motivation nicht zur Schule oder Arbeit gegangen zu sein. Auch das Gefühl von Überforderung oder einer Empfindung von innerlichem Ausgebranntsein (jeweils 26 Prozent) werden als Gründe für Krankmeldungen genannt. Mentale Überforderung, Befindlichkeitsstörungen und sogar fehlende Motivation sind für die 14- bis 29-Jährigen ein Grund, sich krankzumelden.
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Rechtsruck der Jugend
Ebenfalls zeigt die Studie, dass die Zustimmung zu rechtspopulistischen Standpunkten durch die zunehmende Unsicherheit der Befragten zunimmt. 22 Prozent der 14- bis 29-Jährigen gibt bei der Frage nach der Parteipräferenz die AfD an. Die CDU und die Partei Die Grünen erhalten 20 beziehungsweise 18 Prozent Zustimmung. Dahinter folgen die SPD (zwölf Prozent), die FDP (acht Prozent), Die Linke (sieben Prozent), das Bündnis Sahra Wagenknecht (fünf Prozent) und andere (sieben Prozent). Dr. Dr. Klaus Hurrelmann, Professor an der Hertie School und Mitautor der Studie kommentiert dieses Ergebnis auf der Pressekonferenz: „Bei den Befragten herrscht der Eindruck, dass sich die Regierungsparteien nicht kümmern, weshalb die Zustimmung zu ihren Positionen zusammen mit dem Zukunftsoptimismus bröckelt.“
Geld ist jungen Arbeitnehmern wichtig
Der oben genannte Vergleich der Generationen zeigt den Autoren aber auch, dass jüngere Generationen entgegen mancher Vorurteile nicht fauler sind als ältere. „Sie sind bereit, viel zu leisten, allerdings zu anderen Bedingungen“, betont Simon Schnetzer im Gespräch mit der Personalwirtschaft. Ein wichtiger Faktor mit Blick auf die Ängste und Sorgen ist der Faktor Geld. „Es ist demotivierend, nicht genug Geld zu haben. Das zeigen auch die Ergebnisse mit Blick auf Inflation, den Antworten zum Thema Wohnraum sowie Altersarmut“, so der Forscher. Der ausgeprägte Wunsch nach einem guten Gehalt, einer guten Work-Life-Balance sei auch deswegen besonders wichtig, weil die Befragten nicht wüssten, was auf sie zukomme. „Zum guten Gehalt gehört auch der Wunsch, dass Überstunden bezahlt werden“, ergänzt Schnetzer. Bezahlte Überstunden seien deshalb nicht nur wichtig, sondern Benefit Nummer Eins für die Befragten.
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Die jungen Menschen versuchen selbstbewusst, ihre Ansprüche an Arbeitsstellen und Unternehmen durchzusetzen. Das täten sie auch wegen der scheinbar starken Position am Arbeitsmarkt, die etwa der zunehmende Personalmangel begünstige. Auch ältere Generationen würden wahrnehmen, dass sich jüngere stark für ihre Ansprüche in der Arbeitswelt einsetzen und begrüßten dies, heißt es in der Studie. „Es ist wichtig zu wissen, dass die Ansprüche an gute Arbeit von allen Generationen geteilt werden“, sagt der Jugendforscher. „Das zeigen auch die Ergebnisse unserer Studie aus dem Jahr 2023.“ Grundsätzlich sollten Unternehmen die Ansprüche der jungen Menschen beachten. Mut machen sollte ihnen, dass junge Menschen genauso bereit seien, Verantwortung zu übernehmen und Leistung zu zeigen wie ältere. „Sie sind dafür auch bereit“, führt Schnetzer an. „Allerdings müssten sie dafür auch beteiligt werden.“
Info
Die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ wird seit 2010 erhoben. Sie basiert auf einer repräsentativen Online-Befragung. In der Befragung 2024 wurden insgesamt Aussagen von 2.042 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren ausgewertet. Erhoben wurden die Daten vom 8. Januar bis zum 12. Februar 2024.
Tim Stakenborg war bis Sommer 2024 Redakteur bei der Personalwirtschaft.

