HR muss wirtschaftlich sein. Dass die Personalabteilung durch das Personalcontrolling entscheidend zum Unternehmenserfolg beitragen kann – und nicht nur Kosten verursacht –, daran arbeiten so manche noch heute. Auch schon vor 31 Jahren waren unsere Hefte voll von Artikeln über das Lean Management, den KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) und insgesamt der Steigerung der Effizienz in HR. Gleich zu Beginn unseres Jahrgangs 1993 weist Chefredakteur Franz Langecker daraufhin, wie wichtig die Wirtschaftlichkeit des Personalwesens ist. Und er ist sich sicher, dass es trotz der Widerstände und Skeptiker möglich ist. Er zitiert dabei einen geradezu süßen Vergleich: „Wir alle kennen die Hummel. Das Insekt hat 0,7 Quadratzentimeter Flügelfläche und wiegt 1,2 Gramm. Nach den Gesetzen der Aerodynamik ist es unmöglich, bei diesem Verhältnis zu fliegen. Die Hummel weiß das aber nicht. Sie fliegt ganz einfach. Und wenn die Hummel fliegen kann, wieso soll dann kein wirtschaftliches Unternehmen [namens] Personalwesen möglich sein.“ Es wird vermutet, dass ein Aerodynamiker bereits Anfang der 1930er auf das vermeintliche Hummel-Paradoxon aufmerksam machte. Inzwischen gibt es wissenschaftliche Erklärungen, weshalb die Hummel fliegen kann.
Neben dieser immerwährenden Diskussion um die Wirtschaftlichkeit von HR ist auch eine andere Thematik der 1993er-Hefte allgegenwärtig: die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Prof. Dr. Wilhelm Mülder, der heute mit 72 Jahren immer noch lehrt, schreibt in der Märzausgabe 1993 darüber, dass die Vielfalt von Arbeitszeitregelungen ohne den Einsatz von Computertechnik nicht mehr verwaltet werden kann. Dass man sich noch nicht ganz einig war, ob mehr Flexibilität nun mehr oder weniger Organisation benötigt, zeigt aber der Fakt, dass in der Dezemberausgabe getitelt wurde „Das Ende der Zeiterfassungssysteme?“. Anstelle der elektronischen Kontrolle könne zwei anderen Wirtschaftswissenschaftlern zufolge das eigenverantwortliche Verhalten und/oder die Steuerung durch die Gruppe treten. Auch das Sabbatical als Umgang mit gewonnenem Zeitguthaben wird von den Herrschaften angepriesen. Bebildert wird der Fortschritt in Sachen Arbeitszeitflexibilisierung mit einem humoristischen Blick auf das Vorjahr. Abgebildet ist ein Gefängnisinsasse, der im Jahr 1992 seine Zeit absitzt. Die Bildunterschrift: Zahlreiche Unternehmer und Führungskräfte sind Gefangene der eigenen Zeit.

Blast from the past
In einer Kurzmeldung des Jahrgangs 1993 heißt es: „Tausende von Frauen werden nach einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) jedes Jahr an ihrem Arbeitsplatz sexuell belästigt.“ Sie würden nicht nur gedemütigt, sondern verlieren häufig auch ihre Arbeitsstelle. Es gibt zwar kaum bundesweite Zahlen oder Studien, die die Situation in der Gegenwart valide abbilden könnten. Allerdings hat die Kanzlei Vielmeier Rieble kürzlich die Urteile der Arbeitsgerichte im Zusammenhang mit sexueller Belästigung ausgewertet. Eines der Ergebnisse: Seltener sind die Fälle geworden, in denen die belästigten Frauen diejenigen sind, die als Notlösung zur Beilegung eines Konflikts gehen wollen oder sollen. Das Thema gehört keineswegs der Vergangenheit an. Doch immerhin leben wir inzwischen in einer Gesellschaft, in der in aller Regel den Frauen geholfen wird, wenn sie belästigt wurden – und nicht den Männern dabei, ihren Job zu behalten.
Die Vor-AGG-Zeit
Eine gesetzliche Regelung, welche ausdrücklich die Diskriminierung wegen des Alters verbot, gab es im deutschen Recht vor dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Jahr 2006 nicht. Das zeigt sich auch bei der Sichtung unserer 1993er-Ausgaben. Die immer noch agierende Firma „PS 4000 Personalberatung“ schrieb in der Februarausgabe einige HR-Stellen aus. Alle zehn Stellen, darunter als Personalleiter oder Geschäftsführer Personal, schreiben den Bewerbern und Bewerberinnen eine Altersspanne vor: 40-45 Jahre, 40-60 Jahre oder auch 28-35 Jahre. Dass bei den Stellen nicht „m/w/d“ dahintersteht, verwundert nicht. Doch dass ein Personalleiter im Jahr 1993 weder jünger als 40 noch älter als 45 Jahre alt sein durfte, schockiert durchaus, jedenfalls mich, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf der Welt war. Auch hier sind wir glücklicherweise etwas weiter. Erst kürzlich wurde beispielsweise geurteilt, dass der Begriff „Digital Native“ in Stellenausschreibungen altersdiskriminierend ist.

Überraschend aware
Es sind Seiten wie die altersdiskriminierenden Stellenausschreibungen, die einem aufzeigen, wie rücksichtslos einiges früher lief. Denn: Was mir extrem negativ aufstößt, fiel damals vermutlich nicht einmal auf. Doch das Staunen geht in beide Richtungen: Denn positiv überrascht war ich beim Lesen des Editorials der Märzausgabe. Außerordentlich AGG-konform wies Chefredakteur Franz Langecker daraufhin, dass am 24. März 1993 das Fest des Fastenbrechens stattfinden wird. „In einer kleiner werdenden Welt sollten wir nicht nur die Kulturen anderer tolerieren, sondern auch wahrnehmen und den andersgläubigen Mitarbeitern und Kollegen anlässlich des Festtages alles Gutes wünschen. Damit aus netten Worten dann auch Taten folgen, hat unsere Redakteurin Lena Onderka einen Artikel darüber geschrieben, wie Arbeitgeber fastenden Mitarbeitende unterstützen können.
Die Personalie des Jahres
Aus dem Maiheft: „Ellen Schneider (43) ist als erste Frau in der Firmengeschichte in den Aufsichtsrat der BASF AG, Ludwigshafen, gewählt worden. Sie wurde als Arbeitnehmervertreterin in das Gremium bestimmt.“
Die Reform des Jahres
Im Jahr 1993 wurde ein einheitliches Kündigungsfristenrecht für Angestellte und Arbeiter geschaffen. Für Angestellte gab es eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende. Arbeiter konnten bis dahin jederzeit mit einer vierzehntägigen Frist entlassen werden. Diese ungleichen Kündigungsfristen waren verfassungswidrig. Arbeiter waren all diejenigen Arbeitnehmer, denen überwiegend körperliche Arbeiten zugeordnet wurden.
Das „neue“ Produkt des Jahres
Aus dem Maiheft: „Die PLZ-Datenbank ist eine preiswerte PC-Software für das automatische Umstellen und Online-Nachschlagen der neuen fünfstelligen Postleitzahlen.“
Gesine Wagner betreut als Chefin vom Dienst Online die digitalen Kanäle der Personalwirtschaft und ist als Redakteurin hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik. Sie ist weiterhin Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem verantwortet sie das CHRO Panel.

