Die Bundestagswahl vom 23. Februar hat nicht nur in der Politik für Diskussionen gesorgt, sondern auch in der HR-Branche tiefe Spuren hinterlassen. Eine exklusive Befragung von F.A.Z. Business Media | research unter Personalentscheiderinnen und -entscheidern zeigt, dass die Ergebnisse aus Sicht vieler HR-Verantwortlicher besorgniserregend sind. Die Umfrage ist mit 91 befragten Personalerinnen und Personalern natürlich nicht repräsentativ, spannend sind die Ergebnisse dennoch.
Denn laut der Umfrage bewerten drei von vier befragten Personalentscheidern (76 Prozent) das Wahlergebnis als alarmierend. Lediglich 18 Prozent der Befragten äußern keine oder nur geringe Bedenken hinsichtlich des Wahlausgangs.
Sorge wegen gutem AfD-Abschneiden
In einem offenen Textfeld zeigten sich viele HR-Profis insbesondere über den hohen Stimmenanteil der AfD besorgt. „21 Prozent für die AfD ist ein erschreckendes Signal. Unsere Demokratie steht auf dem Prüfstand“, heißt es in einem Kommentar. Andere Befragte befürchten eine zunehmende gesellschaftliche Spaltung und fordern ein politisches Umdenken. „Das Land ist zweigeteilt. Es braucht eine klare Strategie, um die Menschen wieder zusammenzuführen“, schreibt ein weiterer Teilnehmer oder eine weitere Teilnehmerin.
Auch wirtschaftliche Unsicherheiten werden angesprochen. So wird die Regierungsfähigkeit der Parteien kritisch hinterfragt, und einige Personalentscheider sehen in den Wahlergebnissen eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Das wird ganz schwierig, vor allem weil man derzeit keine stabile Regierungskonstellation erkennen kann“, heißt es in einer Stellungnahme.
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Massive Herausforderungen für HR
Ein zentraler Punkt für viele Personalerinnen und Personaler ist die Frage nach der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Gerade internationale Fachkräfte beobachten politische Entwicklungen genau und könnten sich durch instabile politische Verhältnisse abgeschreckt fühlen. „Wir brauchen ein Umfeld, das Innovationen fördert und Planungssicherheit bietet“, betont eine Personalmanagerin.
Hinzu kommt die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft, die sich auch in den Unternehmen bemerkbar macht. HR-Entscheider sehen sich zunehmend mit der Herausforderung konfrontiert, ein integratives Arbeitsumfeld zu schaffen, das unterschiedliche politische und gesellschaftliche Meinungen respektiert. „Wir dürfen nicht zulassen, dass politische Gräben auch in den Unternehmen entstehen. Unsere Aufgabe ist es, Brücken zu bauen“, so ein weiterer Kommentar aus der Befragung.
Unternehmensentscheider sehen das Ergebnis differenzierter
Interessant ist, dass Entscheider insgesamt – darunter CEOs, CFOs, Treasurer, Geschäftsführer und die Führungsetagen von Familienunternehmen – das Wahlergebnis differenzierter bewerten als die Personalentscheider. Während 36 Prozent der HR-Entscheider das Ergebnis als alarmierend einstufen, sind es unter allen Befragten nur 28 Prozent. 24 Prozent von ihnen stimmen einer kritischen Bewertung zu, während 21 Prozent eher zustimmen – eine etwas gemäßigtere Haltung als in der HR-Community.
Auffällig ist zudem, dass in dieser Gruppe mit 8 Prozent ein größerer Anteil dem Wahlergebnis eher gelassen gegenübersteht. Dies zeigt, dass die Einschätzungen zum Wahlergebnis stark von der jeweiligen Perspektive abhängen – während Personalverantwortliche um den Arbeitsmarkt und die gesellschaftliche Spaltung fürchten, scheinen Unternehmensentscheider die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Vordergrund zu stellen.
BDA bezieht ebenfalls Stellung
Auch der Bundesverband der Arbeitgeber (BDA) äußert sich kritisch zum Wahlausgang und fordert von der neuen Regierung spürbare Entlastungen für Unternehmen. „Bürokratiebelastungen stellen eine weiter zunehmende Geißel für die deutsche Wirtschaft dar. Unternehmen am Wirtschaftsstandort Deutschland müssen sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können, statt wertvolle Ressourcen für Dokumentations- und Berichtspflichten zu binden“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme.
Gerade kleine und mittlere Unternehmen seien unverhältnismäßig stark betroffen. Der Verband betont zudem, dass Gesetzgebung nicht länger auf Einzelfallgerechtigkeit ausgerichtet sein sollte, sondern die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in den Fokus rücken müsse.
Ausblick durch die arbeitsrechtliche Brille
Eine der ersten arbeitsrechtlichen Einschätzungen zum Wahlausgang kommt von Dr. Alexander Bissels, Partner bei der Kanzlei CMS Deutschland. In einem Linkedin-Post nennt Bissels das Wahlergebnis „ernüchternd, insbesondere, wenn man das Erstarken der Parteien am rechten und linken Rand des politischen Spektrums betrachtet.“
Von der neuen mutmaßlichen großen Koalition fordert er insbesondere die Schaffung von Rechtssicherheit bei der Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von einer abhängigen Beschäftigung – „ein Problem, das schon seit Jahren beziehungsweise Jahrzehnten bekannt ist, aber immer wieder auf- und verschoben wurde. Jetzt ist die Zeit, auch hier anzupacken“.
Info
Das Befragungsinstitut F.A.Z. Business Media | research befragte vom 24. bis zum 25. Februar insgesamt 1.150 Entscheiderinnen und Entscheider, darunter 91 Personalentscheiderinnen und -entscheider zu ihrer Einschätzung der Bundestagswahl. Die Personalwirtschaft ist Teil der F.A.Z. Business Media.
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.

