Die gute Nachricht ist: Um Mitarbeitende ans Unternehmen zu binden, gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Die schlechte ist: Den Überblick zu behalten, und möglichst all diese Möglichkeiten zu nutzen, ist ziemlich anstrengend. So jedenfalls kann man das Programm der Retentionpro deuten, die vergangene Woche zum ersten Mal stattfand.
Das HRM Institute, unter anderem bekannt für die Talentpro-Konferenz in München, hatte rund 40 Aussteller im Rhein-Main Congress Centrum in Wiesbaden versammelt. Gut 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen in die hessische Landeshauptstadt. Die Angebote reichten dabei von Betrieblicher Krankenversicherung über Rabattplattformen für Mitarbeitende bis zur Vergütungsberatung. Selbst Outplacement war Thema, denn ein fairer und reibungsloser Stellenabbau kann dafür sorgen, dass nicht mittelfristig auch die kündigen, die eigentlich bleiben sollen. Ein weiterer Schwerpunkt im Bühnenprogramm war zudem das interne Employer Branding, dessen Ziel es ist, Beschäftigte im Unternehmen zu halten – die dann im Idealfall die Positionierung als Arbeitgeber auch nach außen tragen. Das unterstreicht einmal mehr die alte These: Retention sei das bessere Recruiting.
Diskutiert wurde dies unter anderem in einer Podiumsdiskussion unter der Moderation von Personalwirtschaft-Redaktionsleiter Matthias Schmidt-Stein. Die Personalexpertinnen und -experten Christina Pallmann (Globus Markthallen), Julia Kounlavong (ehemals unter anderem Amazon, heute unter anderem mit der eigenen Beratung „Unwind your mind“ unterwegs) und Philipp Johann Preißer (Decathlon) schilderten, wie sie beim internen Employer Branding vorgehen und wie die Bemühungen nicht zum „Employer Blending“, wie Kounlavong es nannte, werden. Bei Decathlon, erzählte Preißer, wurd das interne sogar vor dem externen Employer Branding aufgesetzt. Die im Handel traditionell sehr hohe Fluktuation konnte so messbar gesenkt werden.
Ein klarer Wettbewerbsfaktor
Aber auch der Employer-Branding-Bundesverband Queb war mit einem Programmpunkt vertreten. Unter dem Titel „Warum gehen, wenn man bleiben kann? – Retention als Wettbewerbsfaktor in Zeiten der Transformation“ diskutierten Jan Helwerth, Head of People Acquisition Campus bei Robert Bosch, und Jana Berger, Leiterin Recruiting Trainees Studierende bei der Deutschen Bahn, mit Moderatorin und Queb-Vorstandssprecherin Jana Springer. Gerade im Kontrast zu den Beispielen aus dem Handel war hier vor allem der Bosch-Case interessant. Denn dort herrscht traditionell eine niedrige Fluktuationsrate, die jetzt noch einmal gesenkt werden konnte – trotz oder gerade wegen der aktuellen wirtschaftlichen Krise. Es gebe einen sehr gut funktionierenden internen Stellenmarkt, der gute Entwicklungsmöglichkeiten bietet, berichtete Helwerth. Man müsse das Unternehmen nicht verlassen, um sich national oder international weiterzuentwickeln.
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Eine weitere Besonderheit: Bei Fluktuation im eigenen Team bekommen die Führungskräfte aktuell oftmals keine Freigaben für externe Stellenausschreibungen. Die Führungskräfte müssen sich daher mehr denn je darum kümmern, dass sich ihre Teammitglieder wohlfühlen und bleiben wollen. Und selbst wenn extern nachbesetzt werden kann: Trotz der Rezession ist es laut Helwerth bei einer Nachbesetzung immer noch schwer, gute Fachkräfte und Experten auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Retention ist also ein klarer Wettbewerbsfaktor.
Bildet sich eine Community?
Mit den Podiumsdiskussionen – neben den beiden erwähnten gab es noch einige andere – konnten die Einzelvorträge meist nicht mithalten. Weder publikumstechnisch – manches Mal saß nur eine Handvoll Zuschauerinnen und Zuschauer im Publikum – noch inhaltlich. Denn so mancher Vortrag wurde nach einem interessanten Start gegen Ende hin doch sehr werblich.
Was bleibt also von der ersten Retentionpro? Ein solider Start einer neuen Veranstaltung auf jeden Fall. Aber ob sich – ähnlich wie bei den Schwesterevents Talentpro und Staffingpro – eine eigene Retention-Community bildet, bleibt abzuwarten. Auf den ersten Blick scheinen die präsentierten und diskutierten Themen zu weit auseinanderzuliegen. Zwischen Benefit-Plattformen, Versicherungen und Anbietern von Mitarbeiterbefragungen liegen zuweilen doch Welten. Aber sie eint das Leistungsversprechen, den Mitarbeitenden wertschätzende und damit motivierende Produkte und Dienstleistungen anzubieten.
Info
Die Personalwirtschaft war Medienpartner der Retentionpro.
