Personalwirtschaft: Herr Schulte, Sie gestalten bei Thyssenkrupp Steel gerade eine Transformation unter Hochdruck: Wie ermutigen Sie Mitarbeitende dazu, offen für den Wandel zu sein und trotz etwaiger Unsicherheiten ihre Motivation für die Arbeit zu behalten?
Dirk Schulte: Offenheit entsteht nicht durch Appelle, sondern durch Transparenz, Beteiligung und Verlässlichkeit im Handeln. Gerade in Phasen tiefgreifender Veränderung ist es wichtig, als Arbeitgeber Orientierung zu geben und den Mitarbeitenden den Sinn der Transformation verständlich zu machen. Für Motivation wiederum gibt es kein Standardkonzept.
Warum?
Menschen werden individuell angetrieben, und in jeder Veränderung liegen unterschiedliche Chancen, die Mitarbeitende individuell erkennen und nutzen können – oder eben nicht.
Was ist noch wichtig, um Beschäftigte bei einem solchen Prozess mitzunehmen?
Es ist wichtig, Räume für Dialog und ehrlichen Austausch zu schaffen. Mitarbeitende müssen die Möglichkeit haben, mitzugestalten, Fragen zu stellen und gemeinsam mit Führungskräften um die besten Lösungen zu ringen. Und schließlich braucht es auch den Mut, unbequeme Wahrheiten klar zu benennen. Ohne Ehrlichkeit kein Vertrauen und ohne Vertrauen keine Motivation.
Wie muss Führung heutzutage aussehen, um Unternehmen gut für die Zukunft aufzustellen?
Führung muss heute vor allem folgendes sein: ehrlich, inspirierend, klar und empowernd. Wer Veränderung gestalten will, muss nicht nur sagen, was getan werden soll, sondern auch vermitteln, warum es getan werden muss. Das „Warum“ ist zentral und das müssen Führungskräfte für sich selbst auch erstmal verstehen. Nur dann können sie glaubwürdig vermitteln, warum Transformation nötig ist. Gleichzeitig muss der Performance-Gedanke stärker in den Mittelpunkt rücken.
Was meinen Sie damit?
In einem Unternehmen wie Thyssenkrupp Steel, das auf über 200 Jahre Geschichte zurückblickt, sind viele Prozesse und Arbeitsweisen historisch gewachsen und wurden lange nicht mehr hinterfragt. Zukunftsfähige Führung bedeutet, diese Muster kritisch hinsichtlich der Performance zu prüfen und, wenn nötig, zu durchbrechen. Führungskräfte müssen Verantwortung für den Erfolg des Ganzen übernehmen.
Wie gelingt das?
Sie müssen verstehen, welche Wirkung ihr Handeln – oder ihr Untätigbleiben – auf den Gesamterfolg des Unternehmens hat. Genau hier sind auch wir als Vorstand gefragt: Wir müssen diesen Zusammenhang sichtbar machen, Orientierung geben und eine klare Erwartungshaltung formulieren.
Was hat sich für Sie als größter Trugschluss bezüglich der Transformation eines Unternehmens herausgestellt?
Der größte Trugschluss ist die Vorstellung, dass Transformation sich wie ein Projekt planen, durchtakten und dann einfach umsetzen ließe – mit einer klaren Timeline und Checkliste. In Wahrheit ist Transformation aber kein linearer Prozess. Sie ist individuell, dynamisch, von externen Faktoren beeinflusst und voller Unwägbarkeiten.
Wie hat sich das bei Ihnen im Unternehmen gezeigt?
Als wir uns 2021 bei Thyssenkrupp Steel mit der Strategie 2030 auf den Weg gemacht haben, stand die grüne Transformation im Zentrum. Politik und Gesellschaft waren sich einig: Alles soll grün werden, und das möglichst schnell. Doch 2025 zeigt sich ein anderes Bild. Die Rahmenbedingungen haben sich fundamental verändert. Etwa durch die begrenzte Verfügbarkeit von Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen. Diese Erfahrung hat uns gelehrt: Man benötigt immer auch einen Plan B. Transformation braucht nicht nur Visionen, sondern auch Anpassungsfähigkeit, realistische Szenarien und die Bereitschaft, flexibel zu führen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren.
Worauf freuen Sie sich am meisten beim HR-Summit?
Ich freue mich auf den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen zu aktuellen Herausforderungen, aber auch ganz konkret über Lösungsansätze, die bereits wirken oder noch erprobt werden. Summits wie dieser sind eine gute Gelegenheit, die eigene Perspektive zu erweitern, sich inspirieren zu lassen und voneinander zu lernen. Gerade in Zeiten großer Veränderung ist Vernetzung auf Augenhöhe wichtiger denn je.
Info
Der Deutsche Human Resources Summit 2025
„Menschen verbinden, Zukunft gestalten“ – unter dem Motto findet in diesem Jahr der HR-Summit statt. Am 12. und 13. November kommen HR-Führungskräfte im RheinMain CongressCenter in Wiesbaden zusammen, um sich über Best Practices und die Zukunft der Personalarbeit zu unterhalten.
Neben Dirk Schulte sind als Top-Speakerinnen und -Speaker mit dabei: Saba Kascha (CHRO von Canon), Konstanze Marinoff (CPO Sana Kliniken), Markus Fink (CHRO von Infineon), Frank Kohls (Personalvorstand IBM), Sophie von Saldern (Global Head of HR von Covestro), Cawa Younosi (Geschäftsführer Charta der Vielfalt e.V.) sowie Inken Gallner (Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts) und Star-Investor Carsten Maschmeyer.
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Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.

