An diesem Freitag beginnt in insgesamt zehn Städten und mit einem Jahr Verspätung die Fußball-Europameisterschaft. Das gemeinsame „Rudelgucken“, das viele Unternehmen bei vergangenen Turnieren zumindest bei Spielen der deutschen Elf veranstaltet haben, fällt zwar aus Pandemiegründen aus, aber zumindest finden fast alle Spiele finden in den frühen Abendstunden statt, also für die meisten Arbeitnehmer außerhalb ihrer Arbeitszeit. Für die wenigen Ausnahmen (und etwa Fans von Schottland, Tschechien und Nordmazedonien, die alle in der Vorrunde um 15 Uhr ranmüssen) sowie für Beschäftigte, die auch am Abend arbeiten müssen, sollten Unternehmen klare Spielregeln für den „EM-Konsum“ formulieren. Das empfehlen Arbeitsrechtsexperten.
Kein Recht auf Fußball-Urlaub
Ein Recht auf Fußballgucken statt Arbeiten haben Arbeitnehmer nämlich nicht. Natürlich können Beschäftigte an Spieltagen (oder danach) Erholungsurlaub beantragen. Allerdings können diesem Wunsch dringende betriebliche Belange wie ein hoher Krankenstand entgegenstehen. Auch einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf unbezahlten (Sonder-)Urlaub gibt es nicht. Im Gegenteil: Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer müssen berücksichtigt werden, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen.
Zudem haben Fußballfans keine Garantie, dass sie zu einem bestimmten Spiel „spontan“, also kurzfristig frei bekommen. Unternehmen, die ihren Beschäftigten hier entgegenkommen, steigern aber sicherlich die Motivation ihrer Mitarbeiter.
Radio hören am Arbeitsplatz laut BAG prinzipiell ok
Was die Nutzung von Medien während der Arbeitszeit angeht, sollten Arbeitgeber wie Arbeitnehmer Augenmaß beweisen: So gehen Experten davon aus, dass eine nebenbei laufende Live-Übertragung im Radio keine nachteiligen Auswirkungen auf die Arbeitsleistung der Mitarbeiter hat. Das sieht auch das Bundesarbeitsgericht so. Allerdings sollte auf jeden Fall sichergestellt werden, dass andere Beschäftigte dadurch nicht gestört werden.
In Abteilungen mit Kundenverkehr gilt es abzuwägen: Während mancher Kunde letzte Informationen zum Spielstand zu schätzen weiß, könnten sich weniger Ballsportbegeisterte durch einen Live-Kommentar im Hintergrund eher abgeschreckt fühlen.
Vorsicht bei Fernsehen und Live-Stream
Anders sieht es aus, wenn Beschäftigte – übrigens auch die im Home-Office – die EM während der Arbeitszeit im Fernsehen oder Live-Stream verfolgen wollen. Hierzu benötigen sie in jedem Fall das Einverständnis ihres Arbeitgebers. Denn wer während der Arbeitszeit einer anderen Tätigkeit nachgeht, kann abgemahnt werden, im Wiederholungsfall droht sogar eine Kündigung. Am besten sollte es auch hier klare Regeln geben, was erlaubt ist. Eine Ausnahme kann übrigens für Beschäftigte gelten, die auch sonst am Arbeitsplatz Fernsehen dürfen. Wer aber verpflichtet ist, einen Nachrichtenkanal zu verfolgen, darf nicht einfach auf das Spiel umschalten.
Live-Ticker können verboten werden
Die Nutzung von so genannten Live-Tickern oder legalen (sic!) Streaming-Angeboten im Internet können Arbeitgeber im Rahmen ihres Weisungs-/Direktionsrechts prinzipiell verbieten. Doch auch hier gilt: Wenn Providervertrag, Arbeitsbelastung und Komplexität der Tätigkeit im entsprechenden Bereich dies hergeben, kann ein sprichwörtliches Auge zugedrückt werden. Ansonsten gilt: (Private) Internetnutzung während der Arbeitszeit grundsätzlich und betriebsweit regeln.
Die EM bietet Unternehmensleitung und Personalabteilung eine gute Chance, um – gegebenenfalls gemeinsam mit dem Betriebsrat – eine allgemein akzeptierte Regelung zu finden und Unmut in der Belegschaft zu vermeiden. Dies gilt besonders, wenn während der Europameisterschaft Sonderregelungen und Abweichungen von der normalen Arbeitszeitvorgabe gelten sollen. Denn diese sind in der Regel mitbestimmungspflichtig.
(Der Artikel erschien in einer ähnlichen Form zuerst bei Betriebsratspraxis24.)
Frank Strankmann ist Redakteur und schreibt off- und online. Seine Schwerpunkte sind die Themen Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Regulatorik. Er betreut zudem BetriebsratsPraxis24.de, unser Portal für Mitbestimmung.