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Statt Betriebsrat: Hertha BSC gründet Belegschaftsausschuss

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Der Fußball-Zweitligist Hertha BSC Berlin wird einen Belegschaftsausschuss gründen und hat hierfür eine Satzung erarbeitet. Damit ist der Streit um die Gründung eines Betriebsrates vorerst vom Tisch, wie die beteiligte Rechtsanwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in einer Mitteilung schreibt.

Schon Anfang dieses Jahres sollen demnach die Mitglieder des Ausschusses in geheimer Wahl bestimmt werden. Mit der Einigung endet ein monatelanger Streit im Verein. Medienberichten zufolge hatte es nach dem Abstieg Herthas aus der Bundesliga im Sommer 2022 zwei Lager gegeben:  eines, das einen Betriebsrat gründen wollte, um Mitarbeitende vor anstehenden Kündigungen zu schützen und eines, das diese Betriebsratsgründung verhindern wollte. Zwischenzeitlich hatte auch die zuständige Gewerkschaft ver.di ein Beschlussverfahren zur Gründung eines Betriebsrates am Arbeitsgericht Berlin angestrengt, was die Gewerkschaft nunmehr jedoch zurückgezogen hat.

Vor allem aus Arbeitgebersicht attraktiv

Der Belegschaftsausschuss ist eine alternative Mitarbeitervertretung, die nicht den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) unterliegt. Stattdessen wird eine unternehmenseigene Satzung erarbeitet.

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Fußballclubs sind heute oft wie mittelständige Unternehmen organisiert – und betreiben ebenso wie diese auch HR-Arbeit, vor allem für die Beschäftigten im Hintergrund. Aber auch vom Umgang mit den Profispielerinnen und -spielern können Personalabteilungen manchmal lernen. Und natürlich stellen sich auch im Profisport arbeitsrechtliche Fragen.

Vor allem aus Arbeitgebersicht können Belegschaftsausschüsse attraktiv sein, da unternehmensspezifische Besonderheiten wie die Definition des Betriebsbegriffes bei Matrixstrukturen oder Mitbestimmungsrechte bei IT-Fragen dort flexibler abgebildet werden können, statt die vielfach als starr empfundenen Regelungen des BetrVG umsetzen zu müssen. Viele Arbeitgeber sehen auch die Tatsache, dass die Gewerkschaften hier weniger Einfluss haben als bei einem klassischen Betriebsrat, als Vorteil.

Unumstritten ist das Modell gleichwohl nicht – Kritikerinnen und Kritiker bemängeln insbesondere die Möglichkeit für Arbeitgeber, über Belegschaftsausschüsse oder andere alternative Modelle zentrale Mitbestimmungsrechte aus dem BetrVG zu unterlaufen. Zudem gibt es für die Ausgestaltung eines Belegschaftsausschusses keine rechtlichen Vorgaben – zum Beispiel über die Frage, ob die Mitglieder des Ausschusses gewählt oder vom Arbeitgeber bestimmt werden. All dies muss die Satzung festlegen. Ein Belegschaftsausschuss ist zudem nicht rechtsfähig.

Arbeitnehmervertretungen wenig verbreitet

Ein alternatives Mitbestimmungsgremium schließt die Möglichkeit, trotzdem einen Betriebsrat zu gründen, im Übrigen nicht aus. Vielmehr verliert der Ausschuss, sollte tatsächlich daneben ein Betriebsrat gegründet werden, sein Amt, denn der Betriebsrat hat ein Alleinvertretungsrecht.

Ungeachtet dessen bleiben Arbeitnehmervertretungen im Profifußball die Ausnahme: Im Mai 2023 hatten gerade sechs von 36 deutschen Profivereinen einen Betriebsrat. Vorreiter war seinerzeit der FC St. Pauli, der seit 2003 einen Betriebsrat sein Eigen nennt. Ob und wie viele Profivereine eine alternative Form der Mitbestimmung haben, ist nicht bekannt.

Catrin Behlau koordiniert die Magazinproduktion der Personalwirtschaft organisatorisch und thematisch. Sie leitet gemeinsam mit Matthias Schmidt-Stein die Redaktionen der HR-Medien von F.A.Z. Business Media. Ihre thematischen Schwerpunkte liegen im Berufsbild HR.