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„Vorbereitet sein, informieren und Awareness schaffen“

Die Weltgesundheitsorganisation hat vor dem Hintergrund der Corona-Epidemie eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ ausgerufen. Internationale Unternehmen sind schon jetzt betroffen und müssen sich mit den Auswirkungen beschäftigen. Wir sprachen mit Dr. Bernd Calaminus, Leiter Arbeitssicherheit bei EnBW Energie Baden-Württemberg.

Portrait von Dr. Bernd Calaminus
Dr. Bernd Calaminus ist Leiter Arbeitssicherheit, vorbeugender Brandschutz, Krisenmanagement und Umwelt bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG. Foto: © EnBW AG

Personalwirtschaft: Wie gut sind Ihrer Erfahrung nach Unternehmen bereits auf Epidemien und Pandemien vorbereitet?

Dr. Bernd Calaminus: In die Prävention anderer Unternehmen haben wir nur sehr bedingt Einblick. Als Unternehmen, das eine kritische Infrastruktur wie die Energieversorgung unterhält, nehmen wir bei der EnBW das Thema Krisenprävention aber sehr ernst. Dazu gehört natürlich auch die Vorbereitung auf Pandemien. Wir führen regelmäßig Krisenübungen durch und haben im vergangenen Jahr im Rahmen eines EnBW-internen Projekts zur Pandemievorsorge umfangreiches Schutzmaterial wie Atemschutzmasken, Thermometer, Desinfektionslösung et cetera dezentral eingelagert. Das alles, um im Bedarfsfall flexibel in der Lage zu sein, betriebsnotwendigem Personal die Erledigung seiner Kernaufgaben zu ermöglichen, etwa den Betrieb unserer Kraftwerke und Netze sicherzustellen.

Warum ist es wichtig, dass die Vorbereitung nicht erst anfängt, wenn der Krisenfall eingetreten ist?

Der drohende Mitarbeiterausfall wird die größte Herausforderung für Unternehmen sein, aber auch die Unterbrechung von Lieferketten. Es gibt viel zu bedenken und man muss davon ausgehen, dass vieles, was als selbstverständlich angesehen wird, im Krisenfall wie einer Pandemie nicht oder kaum funktioniert. So steigen Nachfragen nach bestimmten Gütern sprunghaft an, weil plötzlich alle den Bedarf sehen. Strukturen werden schnell überlastet, die Logistik beeinträchtigt, Fake News in Umlauf gebracht.

Da ist es gut, wenn man sich auf das Wesentliche konzentrieren kann, weil bestimmte Vorsorgemaßnahmen bereits getroffen wurden und den Rücken freihalten.

Dazu gehört zum Beispiel, dass wir auch ohne akuten Anlass eine Übung zum Szenario Pandemie als Präventionsmaßnahme durchführen. Das haben wir in der EnBW zuletzt im Jahr 2014 gemacht und konnten daraus viele nützliche Einzelmaßnahmen zur Vorsorge und für unseren Pandemieplan ableiten.

Was raten Sie Unternehmen, die die aktuelle Situation zum Anlass nehmen, ihre Pläne zu überarbeiten?

Insbesondere Unternehmen des KRITIS-Bereichs, also gesellschaftlich bedeutsame Basisdienste, die das Funktionieren technischer Systeme und Einrichtungen sicherstellen, sollten sich immer wieder hinterfragen, ob sie auf bestimmte krisenhafte Lagen vorbereitet wären. Das beginnt mit Fragen nach den „Kronjuwelen“: Welche Prozesse sollten/müssen auch im Ernstfall dauerhaft funktionieren? Das kann die Versorgung mit Strom, Gas oder Wasser betreffen, aber natürlich auch elementar wirtschaftliche Fragen, die bei längerem Versagen den Weiterbestand eines Unternehmens gefährden können. Zudem muss im Rahmen einer Notfall- oder Krisenvorsorge darüber nachgedacht werden, wie diese „Kronjuwelen“ technisch und organisatorisch geschützt und aufrechterhalten werden können. Sinnvoll ist natürlich immer, aus konkreten Anlässen zu lernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen: Man lernt immer dazu. 100-prozentiger Schutz ist nicht möglich, aber man erhöht die eigene Resilienz deutlich.

Wie reagieren Sie als EnBW auf die weltweite Corona-Infektion?

Angesichts der aktuellen Entwicklung haben wir EnBW-intern eine Task Force eingerichtet, die sich in kurzen Abständen zur Lage und deren Dynamik austauscht, um einzelne Maßnahmen abzuleiten. Insbesondere stehen wir mit unseren Dependancen im Ausland, unter anderem in Taiwan, in engem Kontakt. Darüber hinaus schauen wir uns mögliche Beeinflussungen von relevanten Lieferketten an, um etwaige Engpässe zu antizipieren und zu vermeiden, die uns in sensiblen technischen Bereichen vor Herausforderungen stellen könnten. Apropos Lieferungen: Mit zwei Paketen konnten wir den Kollegen in Asien schon mit Nachschub an Atemschutzmasken aushelfen, die dort derzeit massiv in Gebrauch sind. Zudem hinterfragen wir Reisetätigkeiten im Gesamtunternehmen auf ihre Relevanz; Reiserückkehrer aus besonders gefährdeten Gegenden verbleiben zunächst für einige Tage zuhause, um sicherzugehen, dass keine Infektion vorliegt.

Was gilt für die in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter?

Verhaltenstipps, die im Übrigen auch bezüglich der alljährlich auftretenden Influenza-Wellen sinnvoll sind, kommunizieren wir im Intranet oder durch unseren Arbeitsmedizinischen Dienst aktiv. Direkte Anfragen besorgter und interessierter Mitarbeiter zu Reisen, Symptomen, Verhaltensregeln et cetera beantworten die Kollegen ebenso kompetent. Schließlich geht es in Zeiten von Internet-Foren, hastiger Verbreitung von Meldungen und mitunter Fake News darum, sich und fundiert, faktenbasiert und differenziert zu informieren, auch und besonders bei einem komplexen, emotional aufgeladenen Thema.

Wo können sich Unternehmen, die bisher noch keinen Pandemieplan erarbeitet haben, kundig machen?

Unser Arbeitsmedizinischer Dienst empfiehlt das „Handbuch Betriebliche Pandemieplanung“ des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Es hilft dabei, strukturiert die richtigen Fragen zu stellen, denn die wenigsten von uns sind ausgewiesene Infektiologen. Wir erleben derzeit, dass Kollegen aus anderen Unternehmen das Gespräch mit unserem Arbeitsmedizinischen Dienst suchen und wir tauschen uns mit ihnen aus. Denn eine gewisse Orientierung an dem, was andere denn so machen, ist sicher nicht verkehrt. Es gibt also nicht den einen Plan X, der für alle Unternehmen gleichermaßen gilt. Vielmehr muss jeder seine eigene Situation bewerten. Ich halte es grundsätzlich für sehr wichtig, Ruhe auszustrahlen, zu informieren und Awareness zu schaffen.


Wie problematisch die Zuständigkeiten bei Epidemien und Pandemien in Deutschland verteilt sind, lesen Sie in › diesem Artikel.

Christiane Siemann ist freie Journalistin und Moderatorin aus Bad Tölz, spezialisiert auf die HR- und Arbeitsmarkt-Themen, die einige Round Table-Gespräche der Personalwirtschaft begleitet.

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