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Die Employee Experience endet nicht an der Firmentür

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Mitarbeiter geht durch den Ausgang
Unternehmen, die ehemaligen Kollegen auch nach deren Austritt wie Betriebszugehörige behandeln, haben deutliche Vorteile. Foto: © Andrey Popov-stock.adobe.com

Früher hat man Menschen eingestellt, beschäftigt und wieder gekündigt. Manchmal haben sie selbst gekündigt oder sind in Rente gegangen. Dann wurde über die Abfindung verhandelt und jeder ging seiner Wege. Der Kontakt danach beschränkte sich auf das Feierabendbier derjenigen Kollegen, aus denen über die Jahre Freunde geworden waren.

Seitens der Arbeitgeber gab es wenig Bestreben, mit den ehemaligen Mitarbeitern in Kontakt zu bleiben. Dass die Employee Experience auch nach dem Offboarding für ein Unternehmen wichtig ist – nicht nur in Sachen Employer Branding – darüber machte man sich seinerzeit wenig Gedanken. Nachlässiges Trennungsmanagement führte dazu, dass die Employee Journey nur in eine Richtung ging – weg vom Unternehmen. Wenn das fehlende Know-how wieder benötigt wurde, ging das Recruiting von vorne los – von der Stellenanzeige bis zum Headhunter. Ein aufwändiger, teurer Prozess.

Wie wichtig der Kontakt zu Ehemaligen ist, zeigte sich bei der Jahrtausendwende. Der Millennium-Bug drohte die komplette IT von Unternehmen lahmzulegen, und die jüngeren Mitarbeiter kannten sich mit den Boliden von IBM & Co. nicht aus. Um die Mainframes sicher ins neue Jahrtausend zu retten, wurden tausende Rentner aus dem Ruhestand zurückgerufen. Nur sie kannten sich mit Cobol, Fortran und anderen vermeintlich antiquierten Programmiersprachen aus.

Das Mitarbeitererlebnis geht nach dem Abschied weiter

Daher ist es so wichtig, die Employee Experience über den Abschied hinaus positiv zu gestalten. Unternehmen, die ehemaligen Kollegen auch nach deren Austritt wie Betriebszugehörige behandeln, haben deutliche Vorteile. Fühlen sich die Ehemaligen auch weiterhin vom alten Arbeitgeber wertgeschätzt und dem Unternehmen verbunden, eröffnet das Möglichkeiten für eine erneute Zusammenarbeit: Arbeitgeber können z. B. bereits verrentete Mitarbeiter als Senior-Experten einsetzen. Das ist nicht nur eine willkommene Option für alle, die ihren Beruf lieben und sich fürs Golfen und Angeln noch zu jung fühlen. Es ist auch eine optimale Lösung für Arbeitgeber, um bei schwierigen Projekten Know-how, jahrzehntelange Erfahrung und gewachsene Kundenkontakte im Unternehmen zu halten.

Natürlich gibt es auch zahlreiche andere Trennungsgründe: Mitarbeiter wechseln den Arbeitgeber, weil sie woanders spannendere Projekte, flexiblere Arbeitszeiten oder attraktivere Gehälter erwarten. Das sind oft jüngere Mitarbeiter aus IT- und Ingenieursberufen oder Sales-Manager mit einem großen Kundenstamm. Wenn sie gehen, klafft eine große Lücke, die beim heutigen Fachkräftemangel kaum zu füllen ist. Deshalb sind Initiativen zur Verbesserung der Employee Experience vorteilhaft für die Mitarbeiterbindung: Wer die Wünsche und Nöte der Mitarbeiter ernstnimmt und spürbare Verbesserungsmaßnahmen zugunsten der Belegschaft umsetzt, kann so manche Kündigung erfolgskritischer Talente verhindern.

Talent Pools für eine positive Offboarding Experience nutzen

Um auf ehemalige Mitarbeiter zurückgreifen zu können, eignen sich sogenannte Talent Pools, in denen neben den Profilen der aktuellen Belegschaft auch die der ehemaligen Kollegen hinterlegt sind. Darüber hinaus sollte diese Form der datenbankgestützten Mitarbeiterverwaltung auch die Profile von Freiberuflern enthalten und auch die von Bewerbern, die zwar auf ein Stellenprofil gepasst hätten, aber nicht zum Zuge kamen.

Solche Talent Pools sind nützlich, wenn etwa bei Firmenübernahmen doppelt besetzte Stellen entstehen und die überzähligen Mitarbeiter nicht weiter beschäftigt werden können. Auch ist es sinnvoll, den Kontakt zu betriebsbedingt Gekündigten aufrechtzuerhalten, wenn in schlechten Zeiten die Belegschaftsgröße reduziert werden muss. Ob diese Menschen noch Interesse an einem Neueinstieg oder einer freien Mitarbeit haben, hängt davon ab, wie das Offboarding vonstattenging. Denn wenn Arbeitgeber sich auch in der Trennungsphase fair und wertschätzend verhalten, sind Ex-Mitarbeiter eher bereit, in besseren Zeiten wieder einzusteigen.

Mit Ehemaligen in Kontakt bleiben

Wenn eine Kündigung unvermeidbar ist – egal von wessen Seite – sollten Personalverantwortliche die scheidenden Mitarbeiter in dieser herausfordernden Situation besonders unterstützen, z. B. durch professionell geführte Trennungsgespräche und faire Konditionen. Die Betroffenen werden es ihnen wahrscheinlich durch positive Beurteilungen auf den einschlägigen Bewertungsportalen danken.

Nach dem Abschied gibt einige Möglichkeiten, den regelmäßigen Kontakt und Austausch, also eine gute Experience der ehemaligen Mitarbeiter zu fördern, zum Beispiel mit einem Alumni-Programm: Hier können Ehemalige an Veranstaltungen teilnehmen, die normalerweise der Belegschaft vorbehalten sind, z. B. Sommerfeste, Preisverleihungen oder Jubiläen.

Außerdem dient ein Alumni-Kanal dazu, Ehemalige über Entwicklungen des Unternehmens auf dem Laufenden zu halten. Einladungen zu Webinaren und anderen Fortbildungsmaßnahmen sind weitere Gelegenheiten, Alumni echten Mehrwert zu bieten. Vor allem, wenn sich auch die Führungskräfte beteiligen und Teilnehmer eigene Ideen und Wünsche einbringen dürfen.

Beispiel SAP: Als das Softwareunternehmen SAP 2016 mit seinem Alumni-Programm an den Start ging, zählte das Netzwerk gerade mal ein paar 100 Teilnehmer. Inzwischen sind es 9.000 Mitglieder aus 90 Ländern, je zur Hälfte Mitarbeiter und Alumni. Die Ehemaligen posten dort ihre aktuellen Tätigkeiten und Interessen, und wenn sie kompatibel sind, werden gemeinsame Projekte aufgesetzt. Im Gegenzug werden die Alumni zu weltweiten Events eingeladen. Wie wichtig dem Softwareunternehmen das Projekt ist, zeigt sich in der Position des „Head of Global SAP Alumni Relations“. Der Slogan bringt es auf den Punkt: „We are family!“ In den Schoß der Familie kehrt man gern zurück

Offboarding bei Corona-bedingten Entlassungen

In der Corona-Krise wird sich einmal mehr zeigen, wie gut Unternehmen Trennungen managen. Selbst wenn der Shutdown nur wenige Monate anhält, werden hunderttausende Menschen ihren Job verlieren, auch Hochqualifizierte. Jetzt ist es besonders wichtig, sie möglichst eng ans Unternehmen zu binden. Nicht nur, um nach der Krise ohne lange Recruiting-Zeiten durchstarten zu können, sondern auch, weil der Umgang mit gekündigten Mitarbeitern einen direkten Einfluss auf die Employee Experience der verbleibenden Mannschaft hat. Und die wirkt sich wiederum auf deren Motivation und Leistungsbereitschaft aus.

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