Allgegenwärtige Themen wie Compliance, Employer Branding, Führungsgrundsätze, Leitbilder, Stellenbewertungen sowie regelmäßige Restrukturierungen halten Systeme und HR-Mitarbeiter bis heute auf Trab. Vor diesem Hintergrund auch noch gute Mitarbeiter zu gewinnen, die Leistungsträger und High Potentials zu fördern und zu halten, ist täglich eine neue Herausforderung.
Vom Personaler zum Controller
Die Lösung dieses Dilemmas wird leider oft nur in der Implementierung von HR- Software gesucht. Auf den großen HR-Messen sind die gängigen Systemhäuser mittlerweile in der Überzahl. Nicht nur internationale Konzerne sehen darüber hinaus im Outsourcing, unter anderem des des Recruitings, die Zukunft der modernen Personalarbeit. Nicht mehr der HR-Manager findet und stellt die neuen Mitarbeiter ein. Es ist der externe Recruiter, der mittels modernster Technik die besten Kandidaten erreicht – allerdings auch hier in der Regel auf Basis der vom HR- Manager erarbeiteten Rahmendaten – des individuellen Briefings. Der HR-Manager soll sich stattdessen mit den vielen neuen Software-Anwendungen auseinandersetzen, die oft mehr Zeit binden, als einsparen. Der Wandel vom Personaler zum Controller ist vorprogrammiert.
HR als Kümmerer
An diesem Punkt stellt sich zwingend die Frage, warum unter oben genannten Bedingungen und in Zeiten galoppierenden Fachkräftemangels die Personalbereiche von Unternehmen nicht eine ihrer wirklichen Bedeutung angemessene Aufwertung erfahren. Motivierte, qualifizierte, loyale und passende Mitarbeiter sind der Treibstoff, das Rückgrat eines jeden Unternehmens, von ganz oben bis ganz unten. Als Partner auf Augenhöhe mit Geschäftsleitung, Vorstand und Betriebsrat, falls vorhanden, sind zwar eine Menge qualifizierter Aufgaben hinzugekommen, die Betreuungsquoten wurden aber nicht geringer. Neben den strategischen Aufgaben sind nicht selten bis zu 500 Führungskräfte und Mitarbeiter zu betreuen. Das Tagesgeschäft bindet zu 100 Prozent, da hilft auch kein noch besseres Zeit- und Selbstmanagement. Neben dem sollen neue Konzepte entwickelt und umgesetzt werden. Dabei war es noch nie so wichtig, Kümmerer in HR zu haben. Es muss laufend mit den Menschen – Mitarbeitern und Bewerbern – Kontakt gehalten werden. Die Kunst ist, in einer HR-Sprache zu kommunizieren, die Menschen verstehen und anspricht.
Matching zwischen Stelle und Bewerber
Gerade kleinere Unternehmen und der Mittelstand stehen vor der großen Herausforderung, sich in ihrer Region als attraktive Arbeitgeber zu profilieren. Es gilt, die Vorteile gegenüber den Großen zu entdecken und herauszuarbeiten. Eine weitere HR-Herausforderung ist, ein funktionierendes Matching zwischen vakanten Stellen und potenziellen Bewerbern zu erreichen. Es ist schon lange nicht mehr der Schlosser, der Klemptner, der Verkäufer, der Kassierer oder der Bankkaufmann, der gesucht und ausgeschrieben wird. Schaut man sich ein wenig in den Stellenbörsen um, so werden mit Key Account Managern, Vertriebslogistikern, Test Ingenieuren etc. keine Ausbildungsberufe mehr gesucht, sondern Fachspezialisten, deren Aufgaben in jedem Betrieb anders definiert werden. Bei der Besetzung von solchen Stellen ist die ganze Erfahrung und Detailkenntnis des Personalers erforderlich. Er muss
- die Stelle genau kennen und in Abstimmung mit dem Fachbereich die Aufgaben und Anforderung ermitteln,
- die erforderlichen Skills so austarieren, dass einerseits Bewerber nicht abgeschreckt werden, andererseits nicht hunderte unpassende Bewerbungen eingehen, und
- die passende Stellenbezeichnung sowie passende Schlagwörter finden, so dass die Stelle gefunden wird und die richtigen Kandidaten sich angesprochen fühlen.
Kernaufgaben wahrnehmen
Psychische Gefährdungsbeurteilung und betriebliches Gesundheitsmanagement bedeuten nicht, einen Schrittzähler zu nutzen oder einen Gesundheitstag durch die Krankenkasse anzubieten. Es bedeutet im HR-Bereich über qualifiziertes und motiviertes Personal zu verfügen, das seinen originären Aufgaben nachgehen kann. Es bedeutet, das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber mitzugestalten und mit dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter die dazu notwendigen Rahmenbedingungen vorfinden und wieder motiviert sind. Es bedeutet, sich darum zu kümmern, dass Chefs führen (können) und Vorbildfunktion erfüllen, dass Arbeitsbedingungen förderlich sind und nicht umgekehrt. Die Begleitung von Onboarding-Prozessen, die Entwicklung von Ausbildungs- und Fortbildungsprogrammen, die professionelle und wertschätzende Kommunikation mit Führungskräften und Mitarbeitern – hierfür ist der Personaler an Bord, hierfür ist er qualifiziert.
Digitalisierung vorantreiben
Die Personaler müssen endlich wieder Freiraum haben für Ihre Kernaufgaben: Personalgewinnung, Personalbetreuung und Personalentwicklung. Die Einführung des Business Partner beziehungsweise des Drei-Säulen-Modells war sicherlich nicht verkehrt und hat dazu geführt, die Personalbereiche in ein neue andere Zeit zu führen. Es hat allerdings auch dazu geführt sich (zu) lange Zeit mit sich selbst zu beschäftigen, die Fachbereiche zu verwirren und in vielen Fällen die betroffenen Personaler zu überfordern. Ein neuer Anstrich reicht nicht aus, wenn die alten Aufgaben bleiben und neue hinzukommen. Das Modell wurde zu oft zweckentfremdet, um mittels Drei-Säulen-Restrukturierungen Personal-Ressourcen abzubauen. Gut 20 Jahre nach Einführung bleiben viele Frage offen, gibt es neue ungelöste Schnittstellen und mit „Arbeitswelt 4.0“ eine große Herausforderung zu bewältigen. Es ist an der Zeit, sich wieder auf die HR-Kernaufgaben zu konzentrieren, Tätigkeiten an externe Dienstleister abzugeben („Personaler on demand“) oder im systemischen Mülleimer zu entsorgen; ob als Personalreferent, HR-Manager oder Business Partner. Es gilt, den anstehenden Eintritt in die Digitalisierung voranzutreiben und zu begleiten. Hier haben die Personalbereiche eine, vielleicht sogar die entscheidende Rolle.