In jeder Unternehmenskrise – egal ob finanziell bedingt, durch die öffentliche Verfehlung zum Beispiel des CEO oder durch Skandale wie Manipulationen in der Produktion – steht unter anderem HR in der Pflicht, die Mitarbeitenden zu informieren. Dabei gibt es vieles zu beachten und eines unbedingt zu vermeiden: Unklarheit. Was Aufgabe der PR nach außen ist, gilt auch für die Personalabteilung nach innen. In unserer August-Ausgabe widmen wir uns in der Titelstrecke thematisch der HR-Kommunikation und auf zwei Seiten auch speziell auf jene in einer Krise.
Weshalb die Information in kritischen Situation ganz besonders zur Krux wird und was genau „Belegschaft first“ in diesem Kontext heißt, erfahren Sie im Heft oder E-Paper, das Sie einen Monat kostenlos testen können! Was HR in der Kommunikation zu beachten hat, wenn wirtschaftlich bedingter Personalabbau ansteht oder führende Mitarbeitende gehen, lesen Sie hier vertiefend.
Wirtschaftlich bedingter Personalabbau
In der Corona-Pandemie half und hilft vielen Unternehmen das staatliche Instrument des Kurzarbeitergeldes, Entlassungen zu verhindern – ausgehend davon, dass die schlechte Nachfrage- und Ertragslage eine vorübergehende sei. Wo finanzielle Probleme längerfristig andauern oder das Kurzarbeitergeld die Personalkosten nicht ausreichend senkt, um das Tief zu kompensieren, kann es zur Schließung von Abteilungen oder Standorten kommen. Und folglich zu Entlassungen.
Die Zuständigkeit für die Organisation und Durchführung des Personalabbaus liegt in den meisten Unternehmen bei den Personalverantwortlichen. „HR hat den besten Einblick in die Strukturen der Mitarbeitenden und weiß oftmals am besten, wie Betriebsräte oder Gewerkschaften einbezogen werden müssen“, sagt Thomas Gauly, Gründer und Managing Partner der Unternehmensberatung für Strategie und Kommunikation Gauly Advisors. Freilich kommt es auf die Art und Weise an, wie immer in der innerbetrieblichen Krisenkommunikation. Die Kommunikation der Personalabteilung muss durchdacht und sensibel sein, damit aus der Entscheidung zum Personalabbau keine noch kritischere Situation für das Unternehmen wird. Personaler müssen laut Gauly von Anfang an versuchen, den Plan und die Notsituation zu erklären, um die Personalmaßnahmen nachvollziehbar zu machen.
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Erklären und ansprechbar sein – diese Anforderungen betont auch Alwin Binder, Senior Manager beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC Deutschland: „Wird zum Beispiel ein Produktionswerk geschlossen, ist HR als Fachabteilung am allermeisten gefordert.“ Zum Beispiel darin, wichtige Fragen von Mitarbeitenden zu sozialverträglichen Lösungen, Abfindungen, Optionen zur Übernahme in andere Werke und dem Umzug des Mitarbeitenden dorthin auszuarbeiten, kurz: die Beschäftigten beim Thema „Was heißt das jetzt für mich genau?“ zu begleiten.
Personalabbau als letztes Mittel
„Erst gehen Zeitarbeitskräfte, dann Menschen in Probezeit und letztlich Menschen, von denen man sich trennen kann – das halte ich für schlecht“, sagt Marcus K. Reif, Director Human Resources bei der Hyundai Capital Bank Europe. Es gebe andere Wege, die operativen Kosten zu drücken als Mitarbeitende zu entlassen. Zumal das in Deutschland durch das Kündigungsschutzgesetz sehr viel koste. Und die Rekrutierung neuer Mitarbeitender, wenn es dem Unternehmen finanziell wieder besser gehe, sei um den Faktor zwei oder drei teurer als das Jahresgehalt der Entlassenen.
Negativstimmung der verbleibenden Belegschaft, Kosten für Anwälte und Rechtsberatung, die Risiken schlechter Kommunikation beim Offboarding: All das kann mit dem Personalabbau einhergehen und muss bei der Abwägung berücksichtigt werden. „Entlassungen sind vor diesem Hintergrund die schlechteste Maßnahme, die ich treffen kann“, sagt Reif. Stattdessen könne man Beschäftigte bitten, ihren arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeitsumfang temporär zu reduzieren. Und manche Mitarbeitende würden sich, wenn eine offene Kommunikation vor der Entscheidung zum Personalabbau stattfinde, vielleicht auch unbezahlten Urlaub für eine Weltreise nehmen oder eine ohnehin geplante Kur antreten. Für Reif folgt aus dieser Reihe an Optionen eine klare Forderung: „HR muss immer mit am Tisch sitzen, wenn über Krisensituationen geredet wird.“ Und das, ergänzt er, schon sehr früh.
Verlust führender Mitarbeitender
Auch wenn ein Mitarbeitender nicht aus finanziellen Gründen entlassen wird, sondern schlichtweg kündigt, weil er oder sie sich woanders weiterentwickeln möchte oder es intern Streitigkeiten gab, spielen Qualität und Timing von Kommunikation eine Schlüsselrolle. Dabei steigt ihre Wichtigkeit mit dem Status der ausscheidenden Person. Beim Weggang von hochrangigen Führungskräften, Abteilungsleitern oder beim Top-Management können Versäumnisse an diesen Stellen aus einer eigentlich harmlosen Begebenheit eine Unternehmenskrise machen.
Deutschland. (Foto: PwC)
Eine Führungsperson muss vor wie nach einer Kündigung als verflochtene Instanz im Unternehmen verstanden werden, auch wenn es eine einzelne Person ist, die geht. Denn Binder zufolge darf nicht vernachlässigt werden, dass ein leitender Angestellter sehr verbunden sein kann mit der eigenen Abteilung und mit den anderen Führungskräften. Unter Berücksichtigung der Verbreitungsgeschwindigkeit, die so eine Nachricht entwickeln kann – „wir sind am Ende des Tages alle Menschen“, sagt Binder zum Thema Flurfunk – müsse HR bewusst entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt für eine Verkündung der Information gekommen sei. Im selben Atemzug mit der Ernennung des Nachfolgenden kommunizieren? Klar, die Nachricht wirkt mit der passenden Lösung verdaulicher. „Wenn es aber nicht gleich jemanden gibt, der nachrückt, sollte der Weggang nicht verheimlicht werden, sondern offengelegt werden, dass und wie gerade an einer Suche gearbeitet wird“, sagt Binder.
Klingt logisch, erlebte Reif in seinen vielen Berufsjahren aber anders. Oft einige sich das Top-Management inklusive betroffener Führungskräfte in kleinem Kreis darauf, dass auf keinen Fall Unruhe entstehen dürfe. Mit der Folge, dass man erst einmal die Stelle ausschreibe. „Und dann fragt sich jeder ‚Aber der Kollege sitzt doch noch da?‘“, beschreibt Reif den Worst Case. Er kann nicht nachvollziehen, warum Unternehmen einer klaren Kommunikation aus dem Weg gehen. Es sei völlig normal, dass Mitarbeitende kündigen: „Die Wahrheit ist den Menschen zuzumuten.“ Daher solle man an die Mitarbeitenden herantreten, den Beitrag des Kollegen oder der Kollegin wertschätzen, und äußern, dass die Stelle intern wie extern ausgeschrieben werde. „Die wenigsten Unternehmen gehen so transparent mit Kündigungen um.“
Gute Kommunikation dem Nachfolgenden zuliebe
HR-Chef Reif denkt dabei einen Schritt weiter: „Wenn das tradierte Muster greift: Jemand kündigt und im stillen Kämmerlein werden erst die richtigen Worte kuratiert, dann lastet das auf der Nachfolgerin oder dem Nachfolger.“ Denn diese Person rücke dann in ein Umfeld nach, in dem die Gerüchteküche brodele, Fehlinformationen kursierten und sich die Belegschaft nicht einbezogen fühle. Die Person, die nachrücke, verdiene daher eine klare, ehrliche Verkündung der Umbesetzung.
Kommunikation nicht geschehen lassen, sondern durchdacht gestalten: So lautet auch die Devise von Binder. Geht es darum, einen Nachfolgenden vorzustellen, gebe es inzwischen viele Alternativen dazu, sich in einer lieblosen Mitarbeiterversammlung mit dem- oder derjenigen vor die Belegschaft zu stellen. „Manche drehen ein kurzes Video und zeigen die Person, wenn sie es will, auch etwas privater.“ Den Mitarbeitenden die oder den Neuen nahezubringen, sei eine konzeptionelle Aufgabe der HR-Kommunikation. „Wenn man das überlegt tut, ist das ein echter Hebel, damit er oder sie von der Belegschaft akzeptiert wird.“
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Gesine Wagner ist hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik und ist Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem schreibt Sie über Recruiting und Employer Branding.