Mobiles Arbeiten steht bei vielen Bewerbern hoch im Kurs. Wer als Unternehmen auf Remote Work setzt, kann damit bei potenziellen Kandidaten punkten. Über das Modell und seine Vorzüge haben wir mit Claudia Abele, Personalleiterin bei der All for One Group, gesprochen.
Personalwirtschaft: Remote Work scheint zunehmend an Attraktivität zu gewinnen. Warum setzten Sie auf dieses Arbeitsmodell und verzichten weitestgehend auf Präsenz im Büro?
Claudia Abele: Remote Work ist ein Angebot an unsere Mitarbeiter, ihre Arbeit von zuhause oder abseits eines unserer zahlreichen Office-Standorte zu erbringen – wann immer das möglich ist. Vor allem von unseren Beratern, die sonst beim Kunden vor Ort sein müssen und viel unterwegs sind, wird das sehr geschätzt. Für gemeinsame Vor- und Nachbereitungen von Kundenterminen zum Beispiel. Die Mitglieder eines Projektteams sind bei uns in der Regel über ganz Deutschland verteilt. Da würde es viel wertvolle Zeit kosten, sich an einem Standort persönlich zu treffen. Und ob man sich dann von einem Office oder von zuhause in ein Abstimmungsmeeting über Skype einwählt, spielt absolut keine Rolle. Selbstverständlich können auch Mitarbeiter, die keinen Kundenkontakt haben, an den Tagen remote arbeiten, an denen ihre persönliche Anwesenheit nicht erforderlich ist. Aus Firmensicht ist es nicht entscheidend, wo der Mitarbeiter sitzt, sondern dass er einen guten Job abliefert und seine Ziele erfüllt.
Wie begehrt ist Remote Work bei Ihren Mitarbeitern und was schätzen sie daran?
Das Angebot finden alle klasse. Es gibt dennoch Mitarbeiter, die lieber im Office arbeiten. Entweder, weil sie die Arbeitsatmosphäre im Büro bevorzugen, gerne Kollegen um sich haben oder einfach stärker zwischen Arbeit und Freizeit unterscheiden möchten. Es hat auch etwas Positives, wenn man eine Bürotür nach Feierabend einfach mal zu machen kann.
Ich denke, die Meisten schätzen an dem Modell den Zeitgewinn durch den Wegfall des Arbeitsweges. Viele arbeiten gerne remote, wenn sie konzentriert an einer Aufgabe arbeiten müssen. Oder sie genießen es, mit den Kindern Mittag zu essen oder einen privaten Termin mitten am Tag wahrnehmen zu können. Die berühmte Work-Life-Balance eben. Man muss es aber genießen können, nachmittags zum Joggen zu gehen mit dem Wissen, dass es später nochmals an den Schreibtisch geht. Das braucht sicher eine Lernkurve.
Die Vorzüge des Modells sind die eine Sache, eine andere ist es, diese nach außen für Bewerber sichtbar zu machen. Wie sorgen Sie dafür, dass potenzielle Kandidaten davon erfahren?
Im Bewerberinterview geben wir unseren Kandidaten eine Übersicht unserer Benefits. Dabei ist Remote Work ein wichtiger Bestandteil. Für alle, die das nochmals nachlesen oder ihrem Partner zeigen wollen, geben wir eine Präsentation unserer gesamten Benefits den Bewerbern mit. Hier sind ebenso andere Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung beschrieben. So können Mitarbeiter ein Arbeitszeitwertkonto führen, dort Stunden ansparen und die Zeit als Sabbatical – Vollzeit oder Teilzeit – nehmen. Auf unsere Benefits gehen wir in unseren Arbeitgeberprofilen auf den Social-Media-Kanälen ein – auch auf die Möglichkeit von Remote Work.
Welche Rolle spielen Ihre Mitarbeiter – also die Remote Worker in Ihrem Unternehmen – im Employer Branding? Fungieren sie als eine Art Markenbotschafter?
Sie spielen dabei eine entscheidende Rolle. Wir gewinnen die meisten Mitarbeiter über unser Mitarbeiterempfehlungsprogramm. Sie präsentieren und repräsentieren uns als Arbeitgeber. Sie reden natürlich mit ihren Bekannten, Freunden oder Familienmitgliedern, die sie für uns gewinnen wollen, über Freiräume der Arbeitszeitgestaltung bei uns und was sie selbst davon halten.
In unserem Video ›“Zuhause bei All for One“ geben ausgewählte Mitarbeiter von uns Einblicke in ihr Zuhause. Idee für das Video war es, unsere Kollegen in ihrer vertrauten Umgebung, ganz privat zu zeigen. Bereits in den Vorbesprechungen der Szenen zum Dreh haben die ausgewählten Mitarbeiter das Filmteam wissen lassen, dass sie auch bei der Arbeit zuhause gefilmt werden möchten. Der Grund: Der Job gehört zu ihrem Zuhause einfach dazu. Das fanden wir spannend.
Ist Remote Work in Auswahlgesprächen ein Thema? Oder andersgefragt: Inwiefern überzeugt dieses Arbeitsmodell potenzielle Mitarbeiter, schließlich bei Ihnen anzufangen?
Es fragen immer mal wieder Bewerber, ob sie von Zuhause aus arbeiten können. Manche sind überrascht, dass wir solche Freiräume bieten. Ob jemand bei uns anfangen möchte, hängt sicher nicht alleine davon ab – aber es trägt einen großen Anteil dazu bei. Gerade die Generation Y schätzt diese Möglichkeiten. Wenn beispielsweise der Partner auch berufstätig ist, entschärft sich so die Betreuungssituation mit Kindern erheblich. Aber auch junge Kollegen ohne Familie und ältere Bewerber überzeugt der Zeitgewinn und das Mehr an Flexibilität.
Ein anderer Effekt kommt positiv dazu: Die Möglichkeit von Remote Work macht potentiellen Kandidaten deutlich, welche Unternehmenskultur bei uns herrscht. Das Unternehmen hat Vertrauen in seine Mitarbeiter, gibt ihnen Freiräume und die Verantwortung, damit umzugehen.
Viele Bewerber kommen aus dem klassischen Büroarbeitsplatz-Umfeld. Für sie klingt Remote Work vielleicht danach, dass die eigene Führungskraft schwer greifbar und man selber nicht richtig sichtbar ist. Wie begegnen Sie diesen Sorgen und überzeugen von den Stärken ihres Modells?
Diesen Sorgen begegnen uns nicht so häufig. Das kann daran liegen, dass wir ein IT-Dienstleister sind. Unsere Bewerber sind es in der Regel gewohnt, dass sie in agilen und verteilten Teams arbeiten. Dort sitzt der Chef selten im Zimmer nebenan. Für unsere Führungskräfte ist es allerdings eine Herausforderung trotz der Remote Work einen engen Kontakt zum Team zu haben. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass alle Informationen ankommen und jeder die notwendige Unterstützung für seine Arbeit erhält.
Ganz grundsätzlich: Wird das Modell Remote Work Ihrer Einschätzung nach in den nächsten Jahren weiter zunehmen oder geht der Trend doch eher in Richtung persönlicher Kontakt?
In Konzernen und Dienstleistungsunternehmen ist Remote Work schon sehr verbreitet. Ich gehe nicht davon aus, dass das Modell bei uns noch weiter zunimmt. Es ist einfach schön, seine Kollegen mal persönlich zu sehen. Zwei Tage Remote Work – und das meist nicht am Stück – ist bei vielen die Grenze. Dennoch gibt es Branchen, die aktuell weniger Vorteile darin sehen und dieses Modell noch nicht anbieten. Wer das Modell nicht anbietet, dem wird die Suche nach passenden Kandidaten zukünftig schwerer fallen. Unternehmen verlieren damit auf lange Sicht Wettbewerbsvorteile. Aber nach anfänglicher Skepsis wird sich Remote Work etablieren und alle werden feststellen, dass sie motiviertere Mitarbeiter haben.
Für uns ist Remote Work eine Win-Win-Situation. Insgesamt geht es aber weniger um Remote Work selbst, sondern um eine bestimmte Haltung den Mitarbeitern gegenüber. Wenn ich den Mitarbeitern mehr Vertrauen schenke und Freiräume zulasse, denken und handeln sie automatisch eigenverantwortlicher und unternehmerischer. Beides trägt zu einer Unternehmenskultur bei, die Bewerber wie bestehende Mitarbeiter als attraktiv wahrnehmen.
Von: Sven Lechtleitner
››Weitere Artikel zum Thema lesen Sie im Special „Remote Work“.