Während Konzerne wie Amazon medienwirksam auf die Rückkehr ins Büro setzen, zeigt eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO): Die Realität sieht anders aus. Hybride Arbeit – also die flexible Kombination aus mobilem Arbeiten und Büropräsenz – ist nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel.
Über 60 Prozent der Befragten verteilen ihre Arbeitszeit nahezu gleichmäßig zwischen Büro und Homeoffice. Gleichzeitig geht der Anteil derjenigen, die vollständig mobil oder vollständig in Präsenz arbeiten, zurück: Nur noch etwa 16 Prozent arbeiten ausschließlich mobil, weniger als 25 Prozent ausschließlich in Präsenz. Da sich die Studie schwerpunktmäßig mit hybriden Berufsbildern befasst, ist sie allerdings nicht repräsentativ für alle Branchen oder die Gesamtbevölkerung, wohl aber aufschlussreich für digitalisierte Arbeitskontexte.
DAX-Konzerne als hybride Vorreiter
Auch in zahlreichen deutschen Konzernen sind Modelle, die mobiles mit stationärem Arbeiten kombinieren, gang und gäbe: Etwa BMW, Siemens, Mercedes-Benz oder Bosch haben sie längst zum Standard gemacht. Meist kombinieren sie zwei bis drei Präsenztage mit mobilem Arbeiten – abhängig von Funktion, Teamprozess und individueller Vereinbarung.
Einen anderen Weg gehen Volkswagen und die Deutsche Bank, die stärker auf Büropräsenz setzen, um Führung transparenter und Unternehmenskultur greifbarer zu machen. Laut einer Bitkom-Studie haben etwa 20 Prozent der Unternehmen das Homeoffice sogar komplett abgeschafft, ein Ergebnis, das sich mit den Erkenntnissen der Fraunhofer-Studie deckt. Die Begründung ist meist die gleiche: Präsenz soll informelle Begegnungen stärken, Teamzusammenhalt fördern und bessere Führung ermöglichen.
Produktiver durch hybrides Arbeiten
Ein weiteres interessantes Ergebnis der Fraunhofer-Studie: Mehr als 80 Prozent der Befragten glauben, in hybriden Modellen produktiver zu arbeiten als im klassischen Präsenzalltag, weil sie sich besser konzentrieren und selbstbestimmt arbeiten können. Belege, dass diese Selbsteinschätzung tatsächlich die Realität widerspiegelt, gibt es indes nicht. Entsprechende Studien kamen in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Wie erleben Beschäftigte Führung im hybriden Kontext? Über 78 Prozent fühlen sich in ihrer Arbeit frei gestaltet – ein klarer Vertrauensbeweis. Auch der Kontakt zur Führungskraft funktioniert für den Großteil: 84,5 Prozent geben an, regelmäßig mit Vorgesetzten im Austausch zu stehen.
Doch dort, wo es um emotionales Gespür und psychologisches Feingefühl geht, offenbart sich ein Defizit: Knapp die Hälfte der Befragten sagen, ihre Überlastung werde von der oder dem Vorgesetzten nicht erkannt. Und rund 30 Prozent vermissen individuelle Unterstützung, wenn es Probleme bei der Arbeit gibt.
Die Kollaboration leidet
Ein weiterer kritischer Punkt der hybriden Arbeit: Insbesondere das soziale Miteinander leidet offenbar unter diesem Arbeitsmodell. So berichten 29 Prozent der Befragten, dass es schwer sei, neue Kontakte aufzubauen. 18 Prozent fühlen sich unzureichend integriert, und fast die Hälfte der Befragten fühlt sich durch eng getaktete Online-Meetings fremdbestimmt.
Spontane Begegnungen, informelle Gespräche und teamübergreifende Verbindungen nehmen ab – mit Folgen für Innovationsfähigkeit, Feedbackkultur und Zugehörigkeitsgefühl. „Unternehmen müssen informelle Interaktion gezielt ermöglichen – etwa durch Teamtage, offene Flächen oder Events mit Begegnungscharakter“, heißt es in der Studie.
Wer Hybrid will, muss gestalten
Die Studie macht deutlich: Hybrides Arbeiten ist keine Übergangserscheinung, sondern ein struktureller Bestandteil moderner Arbeitswelten. Doch die Forschenden des Fraunhofer IAO warnen davor, hybride Modelle sich selbst zu überlassen. Vielmehr sei „eine aktive Gestaltung erforderlich, um das Potenzial beider Welten – mobil und vor Ort – optimal zu nutzen“, heißt es in der Studie. Es reiche nicht, mobile Arbeit zuzulassen, sie müsse gezielt orchestriert werden.
Dr. Josephine Hofmann, Hauptautorin der Studie und Leiterin des Teams „Digital Leadership“ am Fraunhofer IAO, formuliert es so: „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass hybride Arbeitsformen ein unverzichtbarer Bestandteil moderner und effektiver Arbeitswelten sind.“ Sie betont: „Unternehmen, die es schaffen, ihre Mitarbeitenden aktiv in die Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen einzubeziehen und gleichzeitig Raum für soziale Interaktion zu schaffen, werden in Zukunft bessere Voraussetzungen haben, motivierte Mitarbeitende zu finden und zu binden.“
Info
Die IAB-Studie
Die Studie „Beyond Hybrid Work – Die post-hybride Arbeitswelt“ wurde vom Fraunhofer IAO durchgeführt. Im Zeitraum von Juni bis Juli 2024 wurden insgesamt 2427 Personen im Rahmen einer offen zugänglichen Online-Befragung befragt.71 Prozent der Befragten verfügen über keine disziplinarische Führungsverantwortung, knapp die Hälfte (49,7 Prozent) arbeitet bereits seit mehr als zehn Jahren im aktuellen Unternehmen. 58 Prozent der Teilnehmenden sind in Organisationen mit über 5000 Beschäftigten tätig. Besonders stark vertreten waren die Branchen IT, interne Dienstleistungen wie Personal oder Controlling, Logistik sowie der öffentliche Dienst.
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.

