Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

„Personalarbeit in Brasilien oder den USA ist eine ganz andere“

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Personalwirtschaft: Frau Holle-Spiegel, vor rund vier Jahren sind Sie von Lautsprecher Teufel zu BMG gewechselt. Wie unterscheidet sich die Personalarbeit bei einem internationalen Musik-Unternehmen mit der bei einem doch eher klassischen Mittelständler?
Nikola Holle-Spiegel: Die Methoden bei der Personalarbeit sind natürlich keine anderen. Der größte Unterschied ist, dass wir bei Lautsprecher Teufel zwei Standorte hatten, bei BMG sind es aktuell 22 Standorte in dreizehn Kernmärkten. Vergleichen wir dann die einzelnen Märkte, dann ist die Personalarbeit in Brasilien oder den USA grundsätzlich eine ganz andere als hierzulande, im Vereinigten Königreich spielen Organisationsstrukturen eine andere Rolle und Betriebsräte wiederum gibt es außerhalb von Deutschland und Frankreich nicht an den übrigen Standorten. Daher ist es wichtig, sich auf die unterschiedlichen Bedarfe einzulassen und flexibel zu bleiben.

Ist Ihnen die Umstellung schwergefallen?
Nein. Ich habe elf Jahre Hochleistungssport betrieben und war bis Mitte zwanzig Teil der deutschen Nationalmannschaft im Kanurennsport und stetig international unterwegs, zudem bin ich in einem Mittelstandsunternehmen aufgewachsen. Somit hatte ich immer schon viel mit anderen Kulturen zu tun und habe früh Kundenkontakt zu Menschen aus ganz unterschiedlichen Gesellschaftsschichten gehabt. Neben diesen Erfahrungen bringe ich auch die Persönlichkeit mit, unterschiedliche Perspektiven bedienen und zusammenführen zu können.

Aber auch ihre Personalabteilung muss das Management für 13 Märkte handeln. Wie ist sie aufgebaut?
Wir haben in unseren drei größten Märkten – Deutschland, UK und USA – jeweils eigene HR-Teams vor Ort. In anderen Regionen mit sehr kleinen Büros haben wir teilweise insgesamt nur acht bis zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dann ist das auch eine wirtschaftliche Frage. Deshalb wird zum Beispiel die Region Asien-Pazifik von unserem britischen Team mitbetreut. Und einige Funktionen, etwa in der Personalentwicklung und im Employer Branding, steuern wir vom Headquarter in Berlin aus. Unsere Maßgabe dabei ist es, so viel wie möglich global zu regeln, und dann lokal anzupassen, wo es aus rechtlichen oder eben auch kulturellen Gründen erforderlich ist.

Wie bekommen Sie das hin?
Vor allem durch viel Austausch und unsere außergewöhnliche lösungs- und serviceorientierte Unternehmenskultur. Beispielsweise haben wir regelmäßig globale Calls und leiten daraus in kleineren Arbeitsgruppen dann die lokalen Bedürfnisse ab. Dazu wechseln viele unserer Mitarbeitenden auch mal den Standort und arbeiten für mehrere Jahre in einem anderen Land – auch, um die Kultur und andere Spezifika kennenzulernen. Und ich selbst bin viel unterwegs. Seit einiger Zeit lebe ich in London, und während wir sprechen, bin ich aktuell in den USA – auch, um genau diesen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu haben, Beziehungen aufzubauen, Anforderungen der einzelnen Standorte zu verstehen und Lösungen zu finden.

In der ostwestfälischen Stadt Gütersloh ist der Sitz von Bertelsmann, dem Mutter-Konzern von BMG. Wie ist hier die Zusammenarbeit organisiert?

Wir sind in der einzigartigen Position, die Vorteile einer Start-up Kultur mit den Ressourcen und der Unterstützung eines der größten deutschen Unternehmen kombinieren zu können. Dabei agieren alle Divisionen von Bertelsmann als eigene Unternehmen, aber natürlich nutzen wir Synergien. Es gibt das Corporate Center in Gütersloh, auf dessen Ressourcen wir zugreifen können, wenn es um übergreifende Themen wie das Überprüfen von rechtlichen Sachverhalten oder Compliance geht. Natürlich ist das Ziel von Bertelsmann, durch BMG Erfolg zu generieren, es kommt aber nicht ständig jemand, und greift in interne Prozesse ein. Im Rahmen der Personalarbeit kommen wir als Leadership-Team zwei bis drei Mal im Jahr mit dem Personalvorstand des Konzerns zusammen und besprechen strategische Zielsetzungen.

Gibt es Bereiche, in denen Sie von der Einbettung in einen größeren Konzern besonders profitieren? Zum Beispiel beim Thema Fachkräftemangel?

Ja, insbesondere bei Führungspositionen schauen wir auch cross-divisional. Und natürlich in Bereichen wie HR oder Finance, die in der Verlagsbranche genauso funktionieren wie in der Musikbranche. So war unser CFO Thomas Coesfeld (der zum 1. Januar 2024 CEO wird, wie das Unternehmen zwischenzeitlich bekanntgab, Anm. d. Red.) vorher bei der Bertelsmann Printing Group. Und unser Senior Director Global Diversity, Equity and Inclusion Pierrot Raschdorff kam im vergangenen November von der Penguin Random House Verlagsgruppe, die ebenfalls zu Bertelsmann gehört, zu uns. Bei musikspezifischen Jobs ist diese cross-divisionale Vorgehensweise schwieriger.

Profitieren Sie denn insgesamt davon, dass die Musikbranche vielleicht als „cooler“ gilt als andere Branchen?

Ich glaube schon, dass die Musikbranche punkten kann. Wir sind in einer Branche tätig, die eine besondere Attraktivität hat für Leute, die einen Sinn suchen und vielleicht auch das Interesse für Musik mit dem Beruf verbinden möchten – und das spielt auch im Finance- oder HR-Bereich eine Rolle. Klar, es ist jetzt nicht jeden Tag der Fall, dass uns ein weltberühmter Rockstar im Büro beehrt, aber es kommt vor. Wir verstehen uns als Dienstleister für unsere Künstlerinnen und Künstler und unsere Songwriterinnen und Songwriter, aber auch für unsere Mitarbeitenden. Es ist eine wirklich schöne Branche, interkulturell und ein Stückweit auch unkonventionell, daraus entsteht aber genau für den Personalbereich die Herausforderung, notwendige Strukturen zu schaffen und auch hin und wieder Prozesse zu normieren. Zudem kommt uns natürlich auch hier zugute, dass wir ein global agierendes Unternehmen sind. Dass wir Leute, die wir für unser Headquarter in Berlin suchen, in vielen Fällen auch in London oder New York einstellen können – und umgekehrt.

Das heißt, Sie finden noch genügend Leute?

Jedenfalls haben wir 2022 wie die Weltmeister rekrutiert und mit vier Recruitern weit über 300 neue Mitarbeitende eingestellt.

Welche Rolle spielt dabei das Thema Diversity?

Ein großes – und zwar länderübergreifend. Ich bin davon überzeugt, dass wir da schon auf einem guten Weg sind. Am Ende sind wir aber längst nicht! In der Gender Diversity haben wir viel geschafft. Denn auch, wenn die Musikindustrie als Ganzes noch eine sehr männerdominierte Branche ist, besteht zumindest unser Board mittlerweile zu 40 Prozent aus Frauen, ist also fast ausgeglichen. Auch auf den Führungsebenen darunter wollen wir in den nächsten zwei Jahren auf 50 Prozent Frauenanteil kommen, so ist es auch mit Bertelsmann vereinbart und wir liegen auch hier bereits bei 40 Prozent. Zusätzlich arbeiten wir stetig daran, unsere Ethnicity-Durchmischung zu erhöhen, was uns in den USA und in UK etwas leichter gelingt als an anderen Standorten. Stolz sind wir hier in Deutschland zudem auf unsere Auszeichnung im Rahmen des Pride Index 2022, denn wir gehören zu den Top 5 der LGBTIQ-freundlichen Unternehmen und sind das einzige Musikunternehmen im gesamten Ranking.

Matthias Schmidt-Stein koordiniert die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet gemeinsam mit Catrin Behlau die HR-Redaktionen bei F.A.Z. Business Media. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit den Themen Recruiting und Employer Branding.