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Wie Jobsharing auf Manager-Ebene klappen kann

Angela Nelissen (l.) und Christiane Haasis
Angela Nelissen (l.) und Christiane Haasis treten gemeinsam als CHAN auf. Warum dieser Name für ihr Jobsharing-Modell im Management nützlich ist, erklären sie im Interview mit der Personalwirtschaft. Foto: © Unilever

Personalwirtschaft: Sie teilen sich seit acht Jahren einen Direktorenposten und sind im April 2018 zum Vice President Refreshment befördert worden. Sie sagten einmal, ohne Jobsharing wären Sie nicht dort, wo Sie jetzt sind. Hätten Sie sonst auf Ihre Karriere zugunsten des Privatlebens verzichtet?

CHAN: Wir sind sicher, dass für uns nur mit Jobsharing ein erfülltes Privatleben möglich ist. Wenn eine einzelne Person so eine Top-Position ausfüllt, die große Verantwortung für viele Mitarbeiter mit sich bringt, ist die Balance nur schwer zu halten. Im Management fünfzig Stunden oder mehr im Einsatz zu sein, ist aus unserer Sicht auch immer weniger zeitgemäß.

Sie beide arbeiten zu jeweils 60 Prozent. Das entspricht aber nicht 60 Prozent eingebrachter Leistung, wie Sie betonen.

Es ist ein offenes Geheimnis unter Personalern, dass Teilzeitkräfte sehr effizient sind, da sie motiviert sind und in der kürzeren Zeit großen Einsatz erbringen. Das gilt genauso für Jobsharing. Zusätzlich findet durch den Duo-Charakter eine Verbesserung der eigenen Leistung statt. Wir nennen das gerne den 100-Prozent-Jobsharing-200-Prozent-Mindshare-Effekt. Chefs können so die doppelte Brain Power einsetzen. 

Mal ehrlich, arbeiten Sie nicht doch mehr und können Sie an Ihren freien Tagen wirklich abschalten?

Natürlich klingt das einfacher gesagt als getan. Das Grundmodell ist zwar so, aber wir passen es an die Erfordernisse des Geschäftszyklus an. Wenn viel los ist, können wir in einer Woche auf doppelte Kapazität hochschalten. Flexible und agile Arbeitsmethoden machen das leicht möglich, ohne immer im Büro zu sein. Den Ausgleich für so eine intensive Zeit finden wir dann in den Wochen danach, aber man muss schon etwas darauf achten. Dabei ist es leichter, wenn auch die jeweils andere ein Auge drauf hat.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie geklärt hatten, wie Sie Ihre Aufgaben gemeinsam erfüllen wollen?

Man muss sich und dem Team schon ein paar Monate geben, bis es ganz rund läuft. Unser Ziel war es, Jobsharing für die Firma und für unsere Teams so einfach wie möglich zu halten. Dazu ist es wichtig, am Anfang ein paar Organisationsregeln zu vereinbaren und zu klären, wo Menschen die direkte Vertrauensbasis im Eins-zu-eins-Verhältnis brauchen und wo es nur darum geht, ein Thema fachkompetent zu lösen. Wir kamen auch früh auf die Idee, in der schriftlichen Kommunikation als eine Person aufzutreten, unter dem Namen CHAN, gebildet aus unseren Initialen (CHristiane und ANgela). Und wir haben eine gemeinsame E-Mail dafür etabliert. Das macht es für alle leichter, keiner muss sich überlegen, wer von uns beiden gerade im Haus ist oder ein spezifisches Thema vorantreibt.

Es braucht gegenseitiges Vertrauen für so ein Modell, sind Sie auf Führungsebene nicht noch ein Ausnahmebeispiel?

Bei Unilever haben wir fast 20 Jahre Erfahrung mit Jobsharing, über 30 Manager haben bereits so gearbeitet oder tun es noch. Wir sind zwar aktuell die einzigen auf VP-Ebene, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Wenn man das gleiche Ziel hat, merkt man sehr schnell, dass man gemeinsam viel stärker ist. Man muss es sich vorstellen wie einen gemeinsamen Coachingprozess. Jeder hat immer einen Sparringspartner an seiner Seite, der einen gut kennt. Das macht nicht nur in der Sache besser, sondern auch emotional stärker. 

In Zusammenhang mit New Work geht es auch darum, starre Hierarchien aufzulösen. Auch Sie empfinden sich nicht als Bosse …

Wir wollen für unser Team da sein und nicht umgekehrt. Egal, wie gut wir sein könnten, die gemeinsame Kraft des großen Teams ist um ein Vielfaches wirkungsvoller. Wir sorgen dafür, dass die Mitarbeiter optimal zusammenarbeiten können und sich persönlich weiterentwickeln. Auch Markt, Konsumenten und Kommunikation entwickeln sich so schnell, dass wir zeitnah gar nicht richtig entscheiden könnten, wenn wir hierarchisch denken und agieren würden.

Wie haben Ihre Mitarbeiter darauf reagiert, dass sie unter CHAN mal die eine, mal die andere antreffen, auch in Teambesprechungen?

„Eigentlich kennen wir Jobsharing doch alle aus unserem Privatleben: Eltern teilen sich auch häufig die Erziehungsfrage, mal ist der Vater, mal die Mutter da.“

Nun ist Management keine Erziehungsfrage, sondern eher Teamcoaching. Wir sind immer wieder positiv überrascht, dass unsere Teams und Mitarbeiter fast stolz darauf sind, ein Führungsduo zu haben. Sie können unsere individuellen Stärken nutzen und gezielt einsetzen. Und alle wissen, dass wir zu unseren jeweiligen Entscheidungen stehen. 

Sie führen auch Personalentwicklungsgespräche gemeinsam durch. Wie läuft das konkret?

Grundsätzlich hat jeder Mitarbeiter einen von uns beiden als direkten Ansprechpartner, der verantwortlich für seine Entwicklung ist. Wir sprechen uns aber ab, um ein gemeinsames und möglichst vollständiges Bild einer Person zu bekommen. Und je nachdem, was der Mitarbeiter wünscht, kann er gemeinsame Gespräche oder Einzelgespräche führen. 

Was tun Sie beide, wenn Sie einmal konträrer Meinung sind? 

Das kommt natürlich vor und dann können wir auch leidenschaftlich diskutieren. Wenn wir uns dann etwa bei einem neuen Ansatz wirklich einmal nicht einig sind, kann man ihn im Kleinen ausprobieren und dann die Daten sprechen lassen. Aber grundsätzlich gilt: Konstruktive Businessfragen diskutieren wir im Führungsteam und treffen eine gemeinsame Entscheidung. Interne Konflikte, die es aber sehr selten gibt, bespricht CHAN unter vier Augen.

Mit welchen Hauptproblemen müssen Führungskräfte rechnen, die sich einen Job teilen?

Es ist für das Jobsharing von Vorteil, wenn die Firma und die direkte Jobumgebung offen für organisatorische Veränderung und neue Modelle sind. Gerade Vorgesetzte denken gerne: Oh je, Jobsharing ist komplex, ich muss mir ja immer merken, wem ich was gesagt habe. Unsere Erfahrungen zeigen aber, dass Jobsharing für Vorgesetzte mit vielen Vorteilen verbunden ist, zum Beispiel können Job Couples nicht Urlaubs- und Abwesenheitszeiten besser überbrücken. Es gibt aber eine Herausforderung, auf die man zunächst gar nicht kommen würde: Ein gut funktionierendes Job-Tandem kann für andere Kollegen und Teammitglieder sehr gefestigt und stark in seinen Ansichten wirken, es stehen ja immerhin zwei Leute dahinter. Da gilt es, feinfühlig und offen für alternative Meinungen zu bleiben.

Geraten Sie nie in Wettbewerb zueinander?

Die Gefahr besteht durchaus. Keine zwei Manager sind gleich und jeder bringt seine individuellen Stärken und Schwächen mit. Da kann man schnell mal ins Grübeln kommen: Bin ich in dem Bereich gut genug? Merkt das mein Jobpartner?

Ihr Tipp, um damit umzugehen?

„Der gemeinsame Erfolg zählt, der Teamgedanke muss an erster Stelle stehen.“

Legen Sie den Fokus darauf, den anderen gut aussehen zu lassen. Ein Beispiel: Wenn CHAN 1 ein Strategiemeeting vorbereitet, CHAN 2 aber das Meeting leitet, stellen beide sicher, dass man optimal vorbereitet ist. Was braucht der andere? Was muss er wissen, damit das Meeting zum Erfolg wird? Die Grundeinstellung von Vertrauen und Investition in den anderen führt zum Erfolg. 

Halten Sie Jobsharing im Management in allen Unternehmensbereichen – auch auf CEO-Ebene – für geeignet?

Unbedingt. Die aktuelle Aufteilung der Arbeit in die typischen Fünftagejobs ist nur eine mögliche Art, die noch auf die frühe Industrialisierung zurückgeht. Wie Arbeit geschafft wird und was sinnvolle Arbeitsmethoden sind, kann man auch ganz anders organisieren. Dabei ist Jobsharing nur ein Modell von vielen. In den vergangenen Jahren hat sich in der Arbeitswelt mehr getan als je zuvor. Wir alle, Manager und Unternehmen, haben die Chance, aber auch die Verpflichtung, das aktiv mitzugestalten. Im Grunde geht es immer darum, wie man die besten Mitarbeiter und Teams für sich gewinnt, motiviert und weiterentwickelt. 

Ihr Jobsharing-Modell hat im Unternehmen bereits Nachahmer gefunden, wie sieht es denn bei den Männern aus?

Die Männer sind sehr an dem Modell interessiert, bisher hat es aber noch nicht geklappt. Wir freuen uns auf das erste gemischte oder reine Männer-Duo. Ich habe so ein Gefühl, dass das nicht mehr lange auf sich warten lässt.


Die „New Work Experience 2019“ im Überblick

Die dritte „New Work Experience“ (NWX19) findet am 7. März 2019 in der Hamburger Elbphilharmonie statt. Unter dem Motto „Make it work“ will das Event, das vom Business-Netzwerk Xing veranstaltet wird, Antworten auf die zahlreichen Fragen von Unternehmen und Berufstätigen zum Wandel der Arbeitswelt geben. Auf der Veranstaltung wird außerdem der „New Work Award“ verliehen. Die Personalwirtschaft unterstützt die NWX19 als Medienpartner. Weitere Informationen zum Event finden Sie › hier.  

Vortrag von Angela Nelissen und Christiane Haasis: „Wir sind CHAN: 2 Women, 2 Lifes, 1 Job! Who is next?“ 7.3.2019, 16:30-17:00, Großer Saal

Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.