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Wie viel Politik tut dem Arbeitsplatz gut?

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Die Böttcher AG, ansässig in Jena, ist ein Anbieter für Bürobedarf und repräsentiert in vielerlei Hinsicht einen typischen deutschen Mittelständler: Rund 650 Personen sind in dem Unternehmen nach eigenen Angaben beschäftigt, und außerhalb des unmittelbaren Einzugsgebiets ist die Bekanntheit des Unternehmens begrenzt. Allerdings hat sich die Firma kürzlich durch die Veröffentlichung der Ergebnisse einer Mitarbeiterumfrage auf Facebook einer zweifelhaften Aufmerksamkeit erfreut. Der Grund? Die veröffentlichten Umfrageergebnisse betrafen nicht die Mitarbeiterzufriedenheit oder die Unternehmenskultur, sondern die politischen Ansichten der Angestellten.

Ein öffentlich geteilter Beitrag, der inzwischen entfernt wurde, behandelte die Frage nach der Parteipräferenz der Mitarbeitenden, wenn heute Wahlen wären. Die Redaktion der Personalwirtschaft berichtete dazu, mit Bezugnahme auf einen Screenshot aus dem ursprünglichen Social-Media-Post.

Gegenwind – nicht nur wegen Böttcher

Laut den Ergebnissen antworteten über 34 Prozent der Böttcher-Mitarbeitenden, dass sie die AfD wählen würden. In Thüringen, dem Bundesland, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, wird der AfD-Landesverband vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem” eingestuft.

Anderer Ort, andere Brisanz, aber mit einer Verbindung zum Ergebnis der Mitarbeiterumfrage der Böttcher AG: Hochrangige AfD-Politiker (also die Partei, die in der internen Umfrage 34 Prozent Zuspruch bekommen hat), Neonazis und finanzstarke Unternehmer seien im November in einem Hotel bei Potsdam zusammengekommen. Sie planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland, so berichtet correctiv.org

Kurz nach Veröffentlichung dann die Reaktion: Tausende Menschen demonstrieren in ganz Deutschland für die Demokratie. Es wird darüber gesprochen, es wird gestritten.

Wie viel Politik verträgt eigentlich der Arbeitsplatz?

Jetzt kann man sich die Frage stellen: Wie viel Raum sollte und darf Politik im beruflichen Umfeld eigentlich einnehmen? Rechtlich ist die Lage klar: Für Arbeitnehmerinnen und -nehmer gibt es kein direktes Verbot der politischen Betätigung. Allerdings sind sie aufgrund der Treuepflicht nach § 241 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) dazu verpflichtet, die Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Sie dürfen demnach nichts unternehmen, um den Betriebsfrieden zu stören. Private politische Tätigkeiten tun dies in der Regel auch nicht.

Dabei ist das BGB „politisch neutral”. So liegt ebenso eine Verletzung der Treuepflicht vor, wenn Mitarbeitende während der Arbeitszeit – unerlaubt – zu einer Anti-Rechts-Demo gehen, im Vergleich zum Besuch einer AfD-Veranstaltung. Beides ist vor dem BGB gleich. So ist die Arbeitszeit grundsätzlich zum Arbeiten da. Eine Arbeitsunterbrechung zur politischen Betätigung ist nicht zulässig.

Ehrbare Prinzipien

Neben der rechtlichen Komponente sollten wir uns alle aber auch die moralisch-ethische Komponente vor Augen rufen. Und da schätze ich immer noch sehr die Begrifflichkeit des „Ehrbaren Kaufmanns” und dessen Prinzipien.

So schreibt Wikipedia: „Der Ehrbare Kaufmann steht als Leitbild für das optimal handelnde Wirtschaftssubjekt. Das drückt sich auch deutlich im aktuell gültigen §1 des IHK-Gesetz aus: „Die Industrie- und Handelskammern haben (…) die Aufgabe, für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns, einschließlich deren sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung, zu wirken.“ Das heißt, es hat einen Vorbildcharakter für jeden verantwortlichen Teilnehmer am Wirtschaftsleben: Eigenwirtschaftler, Kaufleute, Unternehmer und Manager.

Ich als Kaufmann habe eine Idee: Wollen wir nicht alle mit unseren Mitarbeitenden, welche sich klar gegen rechts positionieren, auf die Straße gehen und demonstrieren? Denn bei dem derzeitigen Rechtsruck in Deutschland hilft uns ausnahmsweise mal nicht die Technologie weiter. Es liegt in unserer, menschlichen Hand, dies zu verhindern! Also ich wäre für diesen Zweck für eine Arbeitsunterbrechung zu haben. Sie auch?

Alles zum Thema

In seiner Kolumne „Ben’s People Perspective“ schreibt Benjamin Visser, der CEO und Founder von allygatr, über HR Tech und die Arbeitswelt. Allygatr ist ein Venture Capitalist, der mehr als ein Dutzend HR-Start-ups aufbaut. Dabei teilt Visser seine einzigartige Sicht auf alles, was Unternehmen und ihre Mitarbeitenden verbindet.