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40 Prozent der Arbeitnehmervertreter hierzulande verbinden die Digitalisierung mit positiven Auswirkungen für die Mitarbeiter und das Unternehmen. Auch sind 38 Prozent der Meinung, dass Beschäftigte durch neue Technologien mehr Möglichkeiten haben, eigenverantwortlich zu arbeiten. Einige Branchen stehen dem technologischen Wandel und dessen Folgen jedoch sehr kritisch gegenüber. Bei den Banken und Versicherungen etwa befürchtet jeder dritte Betriebsrat negative Auswirkungen wie zunehmende Rationalisierung, Standardisierung und Leistungskontrolle. Das sind Ergebnisse einer neuen Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, die sich auf eine Umfrage aus dem Jahr 2016 unter mehr als 2000 Betriebsräten bezieht.
Nur eine Minderheit der Unternehmen erlaubt flexibles Arbeiten im Home Office
Nach Ansicht der Befragten werden die Chancen, die der digitale Wandel im Hinblick auf Flexibilität und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bietet, noch wenig genutzt: So erlauben nur 13 Prozent der Unternehmen ihren Beschäftigten, von zu Hause aus zu arbeiten. Lediglich im IT-Sektor scheint sich das Home Office mit einem Anteil von 43 Prozent durchzusetzen. An zweiter und dritter Stelle stehen unternehmensnahe Dienstleistungen (22 Prozent) sowie Finanz- und Versicherungsdienstleister (17 Prozent). Ein allgemeiner Trend in diese Richtung ist aber laut Studie nicht zu erkennen.
70 Prozent empfinden großen Arbeitsdruck
Bei den betrieblichen Rahmenbedingungen besteht noch erheblicher Verbesserungsbedarf, so die Studie, um Unternehmen für Arbeit 4.0 fit zu machen. In rund 70 Prozent der größeren Betriebe nehmen die Befragten großen Arbeitsdruck und damit verbundene psychische Belastungen wahr sowie Defizite bei der Weiterqualifizierung, die die Gesundheit und Zukunftsperspektiven der Mitarbeiter gefährden können. Mehr als drei Viertel (78 Prozent) der Befragten geben an, die Arbeitsintensität sei in den vergangenen fünf Jahren gestiegen. Das gilt besonders für den Dienstleistungsbereich: In der Branche Finanz-und Versicherungsdienstleistungen stellen 87 Prozent zunehmenden Stress fest, im Bereich Erziehung, Gesundheit und Schule sind es 84 Prozent und im Handel 80 Prozent.
Mehr Arbeitsintensität, weniger Zufriedenheit bei Mitarbeitern
Branchenübergreifend diagnostizieren 73 Prozent der Studienteilnehmer einen Personalmangel und 60 Prozent sagen, es gebe dauerhaften Zeitdruck. Darüber hinaus gaben 76 Prozent der Betriebsräte an, dass es in ihrem Unternehmen keine ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilungen gibt, obwohl beispielsweise die systematische Erfassung psychischer Belastungen inzwischen gesetzlich vorgeschrieben ist. Arbeitsverdichtung und Leistungsdruck waren in einem sehr großen Teil der für die Studie befragten Unternehmen bereits Themen auf Betriebsversammlungen oder bei Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Mehr als jeder zweite Betriebsrat (56 Prozent) gab zu Protokoll, dass die Arbeitszufriedenheit im Unternehmen gesunken ist.
Herausforderung Nummer eins: die dünne Personaldecke
Die Arbeitnehmervertreter wurden auch nach den aus ihrer Sicht wichtigsten Herausforderungen für die nächsten Jahre gefragt. Danach steht es für 74 Prozent im Vordergrund, dass die Personalbemessung dem tatsächlichen Arbeitsbedarf angepasst wird. Jeweils 70 Prozent halten es für notwendig, die permanent hohe Arbeitsintensität zu verringern und die Beschäftigungssicherung zu gewährleisten. Für fast genauso viele (69 Prozent) ist es wichtig, die Belegschaft für die Digitalisierung zu qualifizieren. Eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben ist für 63 Prozent eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. 58 Prozent finden, dass der betriebliche Gesundheitsschutz an die neuen digitalen Bedingungen wie mobiles Arbeiten und ständige Erreichbarkeit angepasst werden muss.
Arbeitgeber müssen die Rahmenbedingungen für die Menschen verbessern
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass viele Unternehmen für die derzeitigen Herausforderungen schlecht gerüstet sind. Um fit für die neue Arbeitswelt zu werden und das Potenzial der Digitalisierung, der viele Arbeitnehmer aufgeschlossen gegenüberstehen, auch sinnvoll zu nutzen, müssten sie für die Menschen die passenden Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehöre neben einer Aufstockung der Personaldecke auch, Gesundheitsprävention und -schutz zu gewährleisten sowie flexibles Arbeiten zu ermöglichen, etwa durch Arbeitszeitkonten.
Mehr Informationen über die Studie gibt es > hier.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.