Die Generation Z ist mit dem Smartphone in der Hand groß geworden – und mit YouTube-Tutorials, Reels und Chatbots. Klar, dass sie auch beim Lernen in der Ausbildung etwas anderes erwartet als Arbeitsblätter und Overheadfolien. Aber welche digitalen Formate wirken wirklich? Zwischen Microlearning, Gamification und hybriden Lernwelten kursieren viele Buzzwords – Zeit für einen Blick auf das, was wirklich funktioniert.
Microlearning: Lernen in kleinen Häppchen
Kurz, knackig, klickbar – das ist das Motto von Microlearning. Lerninhalte werden in Einheiten von wenigen Minuten verpackt, oft als kurze Videos, Quizze oder interaktive Lernkarten. Das klingt trivial, hat aber eine solide lernpsychologische Basis: Das menschliche Gehirn verarbeitet und speichert Informationen besser, wenn sie in kleinen Portionen präsentiert werden. Zudem passt Microlearning perfekt in den Ausbildungsalltag: Statt zwei Stunden Theorie am Stück lieber jeden Tag fünf Minuten Wissen „to go“ – auf dem Smartphone in der Bahn oder zwischen zwei Arbeitsschritten.
Aber Vorsicht: Microlearning ersetzt kein strukturiertes Curriculum. Es funktioniert am besten als Ergänzung, nicht als Ersatz. Das heißt: Kleine Wissenssnacks ja – aber bitte eingebettet in ein didaktisch durchdachtes Gesamtkonzept.
Gamification: Wenn Lernen (fast) Spaß macht
„Noch ein Level, dann höre ich auf!“ Was bei Games funktioniert, kann auch beim Lernen zünden. Gamification nutzt spieltypische Elemente wie Punkte, Abzeichen, Ranglisten oder Quests, um Lernprozesse zu motivieren. Psychologisch basiert dies auf dem Belohnungssystem des Gehirns: Jedes erreichte Ziel schüttet Dopamin aus – und steigert so Motivation und Lernbereitschaft. In der Ausbildung kann das zum Beispiel heißen: Azubis lösen digitale Lernaufgaben, schalten Levels frei oder sammeln Punkte für Teamleistungen.
In einem Praxiseinsatz einer gamifizierten Quiz-Lernplattform berichten die Anbieter von einer Verdopplung der Log-ins und einer dreifachen Steigerung der Verweildauer. (Vgl. eCademy). Entscheidend ist dabei aber: Das Spiel darf nie Selbstzweck sein. Wenn der Wettbewerb die Zusammenarbeit verdrängt oder der Spaß wichtiger wird als das Lernen, kippt der Effekt.
Hybride Formate: Das Beste aus zwei Welten
Seit Corona hat sich in der Ausbildung viel getan: Digitale Tools sind nicht mehr Kür, sondern Pflicht. Trotzdem zeigt sich immer wieder, dass es ganz ohne analoge Elemente nicht geht. Hybride Lernformate kombinieren digitale Selbstlernphasen mit Präsenztrainings oder Praxisprojekten. Das kann zum Beispiel so aussehen: Ein Azubi schaut vorab ein kurzes Erklärvideo (Microlearning), arbeitet dann eine Simulation am Tablet (Gamification-Element) und vertieft das Gelernte im Betrieb mit der Ausbilderin. Solche „Blended Learning“-Konzepte gelten als besonders wirksam.Lernende können ihr Tempo selbst steuern, bekommen aber gleichzeitig soziale Rückkopplung und Praxiserfahrung.
Wichtig ist: Die digitale und die analoge Welt müssen didaktisch verzahnt sein. Sonst bleibt das Hybridformat ein Flickenteppich.
Tools im Azubi-Alltag: Was wirklich hilft
Im Dschungel der Lern-Apps, Plattformen und KI-Assistenten den Überblick zu behalten, ist nicht leicht. Einige Tools haben sich aber in der Ausbildungspraxis bewährt:
- Lernplattformen wie Moodle, ILIAS oder die IHK-Lern-App bieten strukturierte Lernpfade und ermöglichen Feedback.
- Quiz-Apps (beispielsweise Kahoot!, Quizlet) eignen sich für Wiederholungen und Lernerfolgskontrollen – am besten in Teams, um den sozialen Faktor zu stärken.
- KI-basierte Helfer (wie ChatGPT oder spezielle Lernbots) können beim Üben, Erklären oder bei der Vorbereitung auf Prüfungen unterstützen – solange sie nicht zum Copy-Paste-Ersatz für eigenes Denken werden.
- Virtuelle Lernräume oder Simulationen (VR/AR) ermöglichen praxisnahe Übungen, etwa für technische oder medizinische Berufe.
Doch auch hier gilt: Technik allein macht noch keinen Lernerfolg. Entscheidend ist, ob sie sinnvoll in die Ausbildung integriert wird. Ausbilderinnen und Ausbilder brauchen dafür digitale Kompetenzen – und die Bereitschaft, Neues auszuprobieren.
Info
Weitere Informationen zum Thema finden Sie hier: E-Learning: Digitales Lernen in Unternehmen – KOFA
(Digitale) Weiterbildungen für Ausbilderinnen und Ausbilder gibt es zum Beispiel beim Netzwerk Q4.0.
Wissenschaft: Lernen ist sozial
So digital die Ausbildung auch wird – Lernen bleibt ein sozialer Prozess. Untersuchungen der Universität Paderborn und des BIBB zeigen, dass Azubis besonders dann nachhaltig lernen, wenn sie gemeinsam reflektieren, Feedback erhalten und Wissen anwenden können. Das heißt: Digitale Medien sollten nicht isolieren, sondern vernetzen. Tools, die Austausch fördern – etwa über Lern-Communities, Peer-Feedback oder kollaborative Projekte –, wirken nachweislich stärker als reine Selbstlern-Apps. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Selbstwirksamkeit: Wer erlebt, dass er mit eigenem Einsatz Lernfortschritte erzielt, bleibt motivierter. Hier können digitale Medien durch unmittelbares Feedback punkten – etwa durch Fortschrittsanzeigen oder adaptive Lernpfade.
Digital ja – aber bitte mit Konzept
Digitale Medien sind kein Wundermittel, aber ein mächtiges Werkzeug, wenn sie klug eingesetzt werden. Sie machen das Lernen flexibler, individueller und oft auch motivierender. Entscheidend ist die pädagogische Haltung dahinter: nicht „Tool first“, sondern „Lernziel first“. Oder anders gesagt: Nicht jedes Quiz ist Gamification, nicht jedes Video Microlearning. Wirklich wirksam wird digitales Lernen in der Ausbildung erst, wenn es didaktisch durchdacht, praxisnah und sozial eingebettet ist.
Und wer weiß – vielleicht ist das nächste große Lernformat gar nicht das mit der spektakulärsten App, sondern das, das am meisten Nähe schafft: zwischen Menschen, Wissen und Erfahrung.
Info
Miriam Schöpp, die Autorin der Kolumne „Wie Ausbildung gelingt” ist Senior Referentin für Berufliche Bildung am KOFA Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
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