Unternehmen versuchen ihre Mitarbeiter häufig extrinsisch zu motivieren – mit materiellen oder monetären Belohnungen. Viele bezeichnen diese Vorgehensweise aber als „bösen Gegenspieler“ der intrinsischen Mitarbeitermotivation, die die wirksamste Form sei. Doch diese These ist falsch, meint Detlev Fey. Hier sein Standpunkt.
Belohnungen wie Geld, Boni oder andere Zusatzvergütungen sind in der modernen Arbeitswelt nach wie vor Standard. Arbeitgeber versprechen sich davon eine gezielte Leistungssteigerung ihres Personals. Sie versuchen, die Handlungen der Angestellten zu beeinflussen und in eine der Firma zuträgliche Richtung zu steuern. Dieses extrinsische Procedere ist Verfechtern der intrinsischen Motivation ein Dorn im Auge.
Klären wir zunächst den Begriff „intrinsisch“ auf. Er entspringt der Selbstbestimmungstheorie, ist aber auch im erziehungswissenschaftlichen Bereich vertreten. Entsprechender Literatur zufolge sind Menschen dann intrinsisch motiviert, wenn sie in ihrer Tätigkeit eine aus sich selbst kommende Begeisterung finden und dieser nachgehen. Dieser Anreiz sei „ehrlich“, sei „echt“, meinen Theoretiker. Und genau sie sind es auch, die immerzu vor einer empfindlichen Störung dieser intrinsischen Motivation warnen: Kommen nämlich extrinsische Belohnungen wie Boni ins Spiel, lenken sie die Aufmerksamkeit des Menschen von der Tätigkeit weg auf die Belohnung selbst. Dies störe nicht nur die Leistung des Menschen, sondern auch die Entwicklung eines dauerhaften Interesses an der Tätigkeit.
Der intrinsische Irrglaube
Um diese These zu stützen, führten Motivationsforscher zahlreiche Fallstudien durch. Besondere Aufmerksamkeit kam einem Testszenario mit Kindergartenkindern in den 1970er Jahren zu: Im ersten Schritt registrierte man, was die Kinder von sich aus gerne taten. Im zweiten Schritt erhielten sie Belohnungen, wenn sie diese Lieblingstätigkeit ausübten. In Schritt drei fielen die Belohnungen plötzlich weg und die Kinder führten besagte Tätigkeit jetzt seltener aus. Aus dieser theoretischen Position heraus sprach man 1973 erstmals von einem schädlichen „Korrumpierungseffekt“ extrinsischer Belohnungen auf die intrinsische Motivation des Menschen. Bis heute taucht dieser beschriebene Effekt in einigen Werken der Motivationsliteratur auf.
Jedoch hat dieser – unter stark konstruierten Idealbedingungen durchgeführte – Versuch mit Kindern sehr wenig mit der Realität zu tun. Die Motivationsforscher Eisenberg und Cameron beschränkten sich daher 1996 auf realistischere Alltagsbedingungen, um die mangelnde Validität des Korrumpierungseffektes zu beweisen. Sie kamen zu der Einsicht, dass es sich bei den schädlichen Effekten von Belohnungen um einen Mythos handele. Befürworter der intrinsischen Motivation wie Deci, Koestner und Ryan (1999) wetterten natürlich sofort dagegen und strengten weitere Studien an, um ihrerseits das Gegenteil zu beweisen. Der Klassenkampf der beiden Lager ging in eine nächste Runde.
Motivationsfaktoren nüchtern betrachtet
Dabei gibt es eigentlich bei der Motivation kein richtig oder falsch, kein schwarz oder weiß. Um als Führungskraft, als Unternehmer zu verstehen, was die eigenen Mitarbeiter motiviert, sollte man die Sachlage ganz nüchtern betrachten: In erster Linie sind Mitarbeiter Menschen. Und Menschen betrachten die Arbeit vor allem als Sicherung ihrer Existenz. Schließlich benötigen sie Geld zum Leben. So einfach und gleichermaßen einleuchtend fasst es Führungs- und Motivationsexperte Dr. Dieter Frey von der LMU München zusammen. Seinen Forschungen zufolge sei „die Befriedigung dieses existenziellen Bedürfnisses […] ein extrinsischer, also von außen kommender Grund, jeden Tag zur Arbeit zu gehen. Aber auf Dauer nur intrinsisch, also von innen motiviert, sind die wenigsten.“
Genau das bestätigt die Hypothese der US-amerikanischen Motivationsforscherinnen Sansone und Harackiewicz, die im Jahr 2000 äußerten, dass die Suche nach einer wahrhaft intrinsischen Motivation eines Menschen die Jagd nach einem Phantom sei. Es gäbe per se Tätigkeiten im Arbeitsalltag, die unangenehmer sind als andere. Sie haben also einen negativen Vollzugsanreiz, wie die Psychologen Heckhausen und Heckhausen in den 2000er Jahren ebenfalls festhielten.
Es ist wenig streitbar, dass nicht jeder Mitarbeiter dazu in der Lage ist, eine aus sich kommende Begeisterung in allen Tätigkeiten seines Berufsalltags zu finden. Ganz ohne extrinsische Einflüsse wie Gehalt oder Prämien funktioniert es im Berufsleben nicht.
Der tägliche Schulterklopfer
Eine aktuelle Studie zeichnet ein klares Praxisbild auf. Das britische Unternehmen Aon Hewitt befragte Mitarbeiter in über 1.000 Ländern, was ihr Engagement am meisten fördere. Die Studie „2018 Trends in Global Employee Engagement“ führt auf, dass „Gehalt und Anerkennung“ unter den leistungsfördernden Faktoren unangefochten Platz eins belegt. Geld spielt immer eine Rolle. Eine Rolle, die weit über das Existenzbedürfnis des Menschen hinausgeht. Wir sollten uns aber viel mehr dem zweitgenannten Faktor, der Anerkennung, widmen.
Im Sinne der Motivationspsychologie führt Geld nämlich bestenfalls zu einer kurzfristigen Steigerung der Mitarbeitermotivation. Wir sprechen hier nur über eine nüchterne Zahl auf dem Kontoauszug. Der Geldbetrag verschwindet meist unbemerkt in der Haushaltskasse. Er wird weder mit einer Leistung, noch mit dem Unternehmen in Verbindung gebracht. Firmen sollten also nach neuen Belohnungsansätzen streben, um ihre Anerkennung gezielt auszudrücken. Neben einem verbalen Lob, einem Schulterklopfen, eignen sich dazu vor allem Sach- und Erlebnisprämien. Ein Fernseher, ein neuer Kühlschrank oder eine Traumreise – diese Belohnungen sind teilweise täglich in Gebrauch und bleiben nachhaltiger in Erinnerung. Ein täglicher Schulterklopfen vom Chef, wenn man so will.
Sich selbst belohnen mit individuellen Anreizen
Eine Sachprämie kann aber nur dann motivieren, wenn sie individuell auf den Mitarbeiter zugeschnitten und situativ ist. Doch wie finden Führungskräfte heraus, welche Sachprämie welchem Menschen maximale Anerkennung vermittelt? Rein auf Spekulationen sollte man sich nicht verlassen. Jeden Angestellten einzeln befragen? Zu Aufwendig. Am einfachsten und gleichzeitig wirkungsvollsten wäre es doch, wenn der Mitarbeiter seine Wunschprämie selbst aussuchen würde. Genau das ist der richtige Ansatz.
Professionelle Bonus- oder Prämienprogramme erlauben Unternehmen, Punkte an Mitarbeiter auszuschütten. Diese Punkte sind dann quasi die Währung, mit der sie ihre langgehegten Wunschprämien oder -reisen in einem Online-System bestellen können. Etwaige Punkte sollten Firmen aber nicht willkürlich an die Angestellten verteilen. Aus psychologischer Sicht ist es essenziell, dass sich die Punktebelohnung auf eine Leistung bezieht. Wir sprechen hier zum Beispiel von abgeschlossenen Projekten oder Geschäftsabschlüssen; die Anlässe sind je nach Unternehmensausrichtung variabel.
Damit die Belohnung besonders wirkungsvoll ist, sollte sie zeitnah auf ein spezifisches Resultat erfolgen, sprich eine Leistung anerkennen. Wichtig ist, genau zu artikulieren, warum der Mitarbeiter die Belohnung erhält. So wird sie stärker als gezielte Anerkennung wahrgenommen. Erst recht dann, wenn der Mitarbeiter am Ende eine selbst ausgesuchte Belohnungsprämie in den Händen hält. Dieser individuelle Ansatz der Anerkennungsvermittlung fördert eine nachhaltige Leistungsmotivation des Mitarbeiters. Und exakt das ist es doch, was jedes wirtschaftlich denkende Unternehmen anstrebt.
Der Kommentator:
Dr. Detlev Fey ist promovierter Diplom-Psychologe und Vorstand der Magmapool Sales & Marketing Services AG in Montabaur. Das Unternehmen entwickelt Incentive-Systeme zur Motivation von Mitarbeitern (www.magmapool.de).
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In der Aprilausgabe 2018 behandelte die Personalwirtschaft im Schwerpunkt das Thema „Bock auf Arbeit“ und was Mitarbeiter motiviert. Hier einige ausgewählte Beiträge aus dem damaligen Heft und mehr:
› Auf der Suche nach der Mitarbeiterbegeisterung
› Wie Sie Begeisterung entfachen: Die 3 wichtigsten Learnings
› Interview mit Götz Werner: „Mitarbeiter sind keine Kostenfaktoren“
› Interview mit Professor Tobias Esch: „Den Mitarbeitern etwas zumuten – und zutrauen“