Lebenslanges Lernen ist der Trend. Hat sich dieser aber in der täglichen Praxis in Unternehmen durchgesetzt? Eine Studie des Weiterbildungsportals kursfinder.de geht der Frage nach, welchen Stellenwert Personalentwicklung in Unternehmen einnimmt. Hat Deutschland eine Lernkultur? Jein! Nur sechs von zehn Einrichtungen bezeichnen dem Studienergebnis zufolge ihre Unternehmenskultur als Lernkultur. Es gibt demnach noch Nachholbedarf.
Lernkulturen entstehen nur dort, wo Führungskräfte und Management eine befürwortende Haltung gegenüber Personalentwicklung einnehmen.
Fakt: Die von kursfinder.de befragten Unternehmen, die nach eigenen Angaben eine Unternehmenskultur pflegen (57 Prozent), geben an, dass ihr Management glaubt, dass Weiterbildungsprogramme dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen (73 Prozent). Das sind weit mehr als im Studiendurchschnitt (60 Prozent). Bestärkt wird diese Aussage durch die Antworten auf die offene Frage „Was bremst die Lernkultur und -bereitschaft in Ihrem Unternehmen?“ Hier tauchen Führungskräfte verstärkt in den Antworten auf, etwa in Form von „Topmanagement, das Wichtigkeit nicht erkennt“, „sparsame Managementeinstellung“, „fehlende PE-Kompetenz bei den Führungskräften“ oder „Führungskräfte, die sich selbst nicht weiterbilden“.
Transfer: Führungskräfte und Management müssen als gutes Beispiel vorangehen, wenn in ihren Unternehmen eine Lernkultur gelebt werden soll. Sie sollten ihre Mitarbeiter dazu ermutigen, sich weiterzubilden. Gerade Abteilungsleiter und Führungskräfte sind in der Regel die besseren Personalentwickler, weil sie ihre Mitarbeiter, deren Kenntnisse und Bedürfnisse besser kennen als die Kollegen im Bereich Personal und Personalentwicklung. Wichtig ist, dass die Unternehmensspitze der Belegschaft Raum, Zeit und finanzielle Ressourcen einräumt, um die persönliche Entwicklung voranzutreiben und eine Lernkultur zu praktizieren.
Die größte Herausforderung im Bereich Personalentwicklung ist ein Mangel an Ressourcen.
Fakt: Eine Lernkultur im Unternehmen zu etablieren, ist nicht leicht. Personaler und Personalentwickler stehen gleich vor mehreren Herausforderungen, die sich unter dem Schlagwort Ressourcenmangel zusammenfassen lassen: Auf einer Skala von eins bis zehn landet bei den befragten Experten begrenztes Budget mit einem Score von 8,5 auf Rang eins der größten Herausforderungen, dicht gefolgt von begrenzten Ressourcen im Bereich HR/Personalentwicklung (Score 8,2) sowie dem Zeitmangel durch die hohe Arbeitsauslastung der Mitarbeiter (Score 8,0).
Transfer: Weiterbildung hat ihren Preis. Verfolgen Unternehmen das Ziel, eine Lernkultur im Unternehmen zu leben, müssen dafür Ressourcen eingeräumt werden. Einrichtungen, die die Wichtigkeit von Personalentwicklung erkannt haben, verfügen häufig über einen Personalentwicklungsplan für jeden Mitarbeiter und stellen ein jährliches Weiterbildungsbudget bereit. Das Tagesgeschäft darf zwar nicht zu kurz kommen. In Unternehmen mit ausgeprägten Lernkulturen werden jedem Mitarbeiter jedoch Lernzeiten zugestanden. Da der Bedarf an Weiterbildungen mit dem digitalen Wandel und dem zunehmenden Fachkräftemangel tendenziell steigt, sollten die Ressourcen diesem Trend angepasst und bei der Personal- und Budgetplanung berücksichtigt werden.
Inhouse-Schulungen sind in der Personalentwicklung besonders gefragt.
Fakt: In sieben von zehn der von kursfinder.de befragten Unternehmen wird bei Weiterbildungen am häufigsten auf Inhouse-Schulungen zurückgegriffen. 41 Prozent der Unternehmen holen sich dazu einen externen Trainer ins Haus, 29 Prozent der Unternehmen nutzen Inhouse-Schulungen einer internen Akademie. Die klassische Art der Weiterbildung in Form von Präsenzseminaren ist rückläufig (15 Prozent), während E-Learnings allmählich aufholen (10 Prozent).
Transfer: Inhouse-Schulungen sind gegenüber offenen Seminaren für Unternehmen meist preiswerter und bringen bedeutende Vorteile mit sich: Zum einen kann der Seminarinhalt individuell auf das Unternehmen zugeschnitten werden. Zum anderen können bei einem Inhouse-Kurs gleich mehrere Mitarbeiter, die ähnliche Aufgaben zu bewerkstelligen haben, zeitgleich geschult werden. Außerdem fallen Reise- und Übernachtungskosten sowie Anund Rückreisezeiten für die zu schulenden Mitarbeiter weg. Im Gegenzug dazu erlauben offene Präsenzseminare mit Seminarteilnehmern aus anderen Unternehmen einen Blick über den Tellerrand hinaus. Durch den Austausch können neue Inspirationen für das eigene Unternehmen gewonnen werden.
Viele Unternehmen legen ihren Weiterbildungsschwerpunkt auf Führungskräftetrainings.
Fakt: Auf gut ausgebildete Führungskräfte legt die Mehrheit der Unternehmen großen Wert: In den Top Drei der Weiterbildungsschwerpunkte landen bei den befragten Unternehmen Führungskräftetrainings, gefolgt von Kommunikationstrainings und Projektmanagement- Seminaren.
Transfer: Fachexpertise ist zwar wichtig, Führungskompetenzen und Soft Skills zählen jedoch heutzutage in Unternehmen, in denen zunehmend team- und projektbezogen gearbeitet wird, oft mehr. Indem Führungskräfte geschult werden, wird ein wesentlicher Grundstein für eine Lernkultur gelegt: Sie gehen als gutes Beispiel voran und schaffen so bei ihren Mitarbeitern ein Bewusstsein für die Bedeutung von Personalentwicklung. Die Wichtigkeit guter Kommunikation im Unternehmen ist nicht zu unterschätzen: Sie trägt wesentlich zum Betriebsklima bei.
Personalentwicklung fördert die Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit.
Fakt: In Unternehmen, die über höhere Weiterbildungsbudgets verfügen und somit mehr in die Personalentwicklung stecken, ist die Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit deutlich höher. Die befragten Vertreter aus Unternehmen mit steigendem Weiterbildungsbudget geben an, dass 76 Prozent ihrer Mitarbeiter laut aktueller Mitarbeiterumfrage zufrieden bis sehr zufrieden sind. Im Durchschnitt aller Befragten sind es nur 61 Prozent. Die Zufriedenheit wirkt sich auf die Fluktuationsrate aus: In Unternehmen mit steigenden Weiterbildungsbudgets verweilt die Mehrheit der Mitarbeiter zehn bis 15 Jahre (29 Prozent). Im Durchschnitt aller Umfrageteilnehmer bleibt nur jeder Fünfte so lange an Bord.
Transfer: In Lernkulturen zu investieren, zahlt sich doppelt aus: Die Treue und Zufriedenheit der Belegschaft profitiert davon. Wenn Mitarbeiter das Gefühl haben, sich im Unternehmen entwickeln und mehr Verantwortung übernehmen zu können, fühlen sie sich und ihre Arbeit mehr wertgeschätzt. Das trägt dazu bei, dass Angestellte gerne zur Arbeit gehen, zufriedener sind und keinen Anlass sehen, dem Unternehmen den Rücken zu kehren. Fehlt es an Entwicklungsmöglichkeiten und -perspektiven, kann das auf Dauer frustrierend sein – der Absprung, das Unternehmen zu wechseln, fällt deutlich leichter.
Weiterbildung muss nicht zwangsweise teuer sein.
Fakt: Die in der Studie befragten Personaler und Personalentwickler werden kreativ, wenn das Weiterbildungsbudget knapp ist. So geben sie in der Umfrage an, auf Low-Budget-Methoden wie Lunch-Roulette, unternehmensinterne Webinare oder Learning on the Job zurückzugreifen, wenn das Budget knapp ist. Auch Social Learning spielt bereits in drei von zehn Unternehmen eine Rolle: Indem Mitarbeiter von anderen Mitarbeitern lernen, etwa durch Job-Shadowing oder Patenmodelle während des Onboardings, können die Kosten für Weiterbildung gering gehalten werden.
Transfer: Dass Weiterbildung günstig möglich ist, heißt nicht, dass das Budget für Personalentwicklung heruntergefahren werden soll. Low-Budget-Methoden zeigen in erster Linie, dass Personalentwicklung auch dann möglich ist, wenn es wirtschaftlich gerade nicht so gut um das Unternehmen bestellt ist. Selbst in Krisenzeiten müssen Organisationen nicht auf Weiterbildung verzichten, sondern können auf etablierte kostengünstige Methoden zurückgreifen.
Fazit
Der Stellenwert von Personalentwicklung hat in vielen Unternehmen noch Luft nach oben. Lebenslanges Lernen mag zwar ein Trend sein. In zahlreichen Betrieben wird er jedoch nicht ausreichend in der Praxis umgesetzt. Die Haltung des Managements ist häufig ausschlaggebend dafür. Erkennt die Unternehmensspitze die Vorteile einer kontinuierlichen Personalentwicklung nicht und räumt keine Ressourcen für Weiterbildungen ein, ist es kaum möglich, eine Lernkultur als Baustein in die Unternehmenskultur zu integrieren. Die Folgen liegen auf der Hand: unzufriedene Mitarbeiter, fehlende Motivation, geringere Produktivität sowie höhere Fluktuation. Wer in Personalentwicklung investiert, profitiert also gleich doppelt und dreifach – letztendlich auch wirtschaftlich.
Die Studie |
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Haben Unternehmen eine Lernkultur? Dieser Frage ist das Weiterbildungsportal kursfinder.de in Kooperation mit dem HRM Research Institute in Deutschland nachgegangen. Für die Studie wurden 175 Personalentwickler und Personaler in Unternehmen und Organisationen verschiedener Größen und Branchen befragt. Die Befragung fand Ende 2018/Anfang 2019 statt. Die ausführliche Studie finden Sie unter › dieser externer URL. |
Dieser Round Table erschien in der Personalwirtschaft Ausgabe 08/2019. Das gesamte Heft können Sie › hier in unserem Shop bestellen.
Bilderstrecke: Lebenslanges Lernen
Nur sechs von zehn Unternehmen in Deutschland pflegen nach eigener Aussage eine Lernkultur. Das ergab die kursfinder.de-Studie. Es besteht also noch Nachholbedarf.
Inhouse-Schulungen sind in der Personalentwicklung besonders angesagt: Sie sind kostengünstiger als offene Präsenzseminare. E-Learnings gewinnen allmählich an Bedeutung.
In Unternehmen, die mehr Geld in die Personalentwicklung stecken, ist die Mitarbeiterzufriedenheit höher: 76 Prozent ihrer Mitarbeiter sind laut aktueller Mitarbeiterumfrage zufrieden bis sehr zufrieden – mehr als im Durchschnitt aller befragten Unternehmen.
In Unternehmen mit steigenden Weiterbildungsbudgets ist die Fluktuation geringer. Die Mehrheit der Mitarbeiter (29 Prozent) verweilt 10 bis 15 Jahre im Unternehmen. Im Durchschnitt aller Umfrageteilnehmer bleibt nur jeder Fünfte so lange an Bord.
Lernkulturen entstehen nur dort, wo Führungskräfte und Management eine befürwortende Haltung gegenüber Personalentwicklung einnehmen.