Die Qualifikationen der Kandidatinnen und Kandidaten für Ausbildungen passen häufig nicht zu den ausgeschriebenen Stellen. Das zeigt das Paper „Ausbildung 2025“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), welches auf einer Onlineumfrage aus dem Mai 2025 basiert. Rund 15.000 Unternehmen nahmen an der Befragung teil. Etwa die Hälfte davon gab Schwierigkeiten an, alle angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen – vor allem, weil keine geeigneten Bewerbungen für die Ausbildungsplätze vorlagen, vier Prozent mehr als im Vorjahr (73 Prozent).
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Die DIHK befragte vom 12. bis zum 30. Mai 2025 insgesamt 14.994 ausgewählte Unternehmen online zu Themen rund um die Ausbildung. Befragt wurden vor allem anderem Unternehmen aus der Industrie (26 Prozent), sowie Unternehmen aus anderen Branchen wie dem Baugewerbe, den Medien und dem Gastgewerbe. Den größten Teil stellten mit 49 Prozent Unternehmen mit 20 bis 199 Beschäftigten.
Zwar hat sich dieser Wert seit dem Sinkflug von 2018 (hier lag er bei 32 Prozent) das erste Mal verbessert, aber lediglich von 49 auf 48 Prozent. Am gravierendsten trifft dieses Problem die Industriebranche, den Verkehr, das Baugewerbe und den Handel. 2024 blieben laut Bundesagentur für Arbeit 90.0000 Ausbildungsstellen unbesetzt. Das liegt vor allem auch an Passungsproblemen.
Es fehlt an Schulbildung
Bei Schulabsolventinnen und -absolventen stellt die DIHK-Umfrage Mängel in den Ausbildungsvoraussetzungen fest. Insgesamt 87 Prozent der Befragten bestätigten dies – wobei nicht klar ist, wie genau sie diese Mängel identifizierten. Faktoren wie Belastbarkeit liegen dabei ganz vorne. Hier geben nur 14 beziehungsweise 6 Prozent der Befragten an „nie“ oder „selten“ Mängel bei den Schulabsolventinnen und -absolventen festzustellen, 46 Prozent sehen diese Mängel „oft“. Bei der grundlegenden mentalen Leistungsfähigkeit vermelden 32 Prozent „manchmal“, 40 Prozent „oft“ und 6 Prozent der Befragten „immer“ festgestellte Mängel. Weniger einig sind sich die Betriebe, wenn es um die Teamfähigkeit der jungen Menschen geht. Hier attestieren die befragten Betriebe 36 Prozent „selten“, und 28 Prozent „oft“ festgestellte Mängel.
Hinzu kommen gravierende Defizite im Schulwissen. Die zu beantwortende Frage war: „Stellen Sie Mängel bei den schulischen Basiskenntnissen und grundlegenden IT- und Medienkenntnissen fest?“ Hier gaben bei mündlichem und schriftlichem Ausdrucksvermögen und elementaren Rechenfähigkeiten „manchmal“ etwa ein Drittel an, „oft“ 41 (Ausdrucksvermögen) beziehungsweise 38 Prozent (Rechenfähigkeiten).
Deutlich besser werden die Azubis im Bereich Englisch-, IT- und Medienkenntnisse eingeschätzt. Stefan Dietl leitet seit 2007 die nationale und internationale Ausbildung beim Steuerungs- und Automatisierungshersteller Festo. Der HR-Professional, dessen Team 2018 für das Projekt „Ausbildung internationalisieren“ den ersten Platz in der Kategorie Ausbildung des Deutschen Personalwirtschaftspreises erhielt, sagt, dass die IT-Kenntnisse aber nicht immer zum Vorteil sind: „KI-Anwendungen übernehmen inzwischen Aufgaben, die früher selbst gelöst werden mussten, ob in Mathe oder bei Textinterpretationen. Dadurch rückt das eigene Verstehen in den Hintergrund.“ In Prüfungen ohne Hilfsmittel zeigten sich dann oft Lücken. Gleichzeitig erlebe er bei vielen Jugendlichen eine „gemütlichere Gangart“. „Der Druck, sich anzustrengen, ist geringer geworden – auch, weil viele finanziell gut abgesichert sind und im Elternhaus lange versorgt werden.“
Mehr Kooperation mit der Schule
Wie nun den festgestellten Skill Gap schließen? Stefan Dietl sieht, ähnlich wie die Autoren und Autorinnen des DIHK-Reports, grundsätzliche Fähigkeiten als elementar an. Für ihn sind Mut, Zuversicht und Optimismus zentrale Eigenschaften für die Zukunft. „Deshalb entwickeln wir in der Ausbildung gezielt Module, die genau solche Themen aufgreifen.“ Denn diese „Lifeskills“ seien beständiger als reines Prüfungswissen. „Fachwissen bleibt wichtig, doch genauso entscheidend sind Kompetenzen, die unseren Absolventen langfristig helfen, erfolgreich zu sein – und es auch zu bleiben.“
Ein weiterer Ansatz ist es, Kooperationen zu stärken und das Problem gemeinsam anzugehen. „Wir begegnen dieser Entwicklung bei Festo mit gezielten Schulpartnerschaften, starten früh in der Bildungskette und laden auch Lehrkräfte zu Praktika ein“, sagt Dietl. „Wir wollen Begeisterung für Technik wecken und zeigen, dass ein erfolgreicher Abschluss Einsatz erfordert – aber auch mit echtem Stolz verbunden ist.“ Dietls Ziel: Schülerinnen und Schüler wieder neugieriger zu machen, „was eine wichtige Einstiegshürde für einen erfolgreichen Lern- und Arbeitsprozess ist.“ Laut dem DIHK-Paper bieten aktuell schon viele Unternehmen gezielte Förder- und Nachhilfemaßnahmen an. Hier gelte „Back to the Basics‘“.
Das wünschen sich die Betriebe für die Ausbildung
In der DIHK-Umfrage wurden auch die von den auszubildenden Unternehmen gewünschten Veränderungen in der dualen Ausbildung thematisiert. Rund die Hälfte der Befragten schätzte verstärktes anwendungsorientiertes Lernen an der Berufsschule als „wichtig“, mehr als ein Drittel als „sehr wichtig“ ein. 42 Prozent halten eine verbesserte personelle und technische Ausstattung der Berufsschule für „wichtig“, 26 Prozent für „sehr wichtig.“ Eine verstärkt gewünschte Zusammenarbeit zwischen Berufsschule und Betrieb variierte je nach Branche und Größe des Unternehmens. Hier stimmten vor allem Industriebetriebe (72 Prozent) und solche mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden zu (71 Prozent). „Eine mögliche Erklärung: Größere Unternehmen verfügen über mehr personelle und zeitliche Ressourcen für den Austausch“, hieß es im Report der DIHK.
Stefan Dietl rät den Betrieben, proaktiv zu handeln. „Statt nur zu kritisieren, sollten wir die Berufsschulen besser verstehen und gemeinsam an Lösungen arbeiten.“ Seiner Erfahrung nach zahlt sich ein enger Austausch mit den Schulen, beispielsweise durch Einblicke in neue Ausbildungsberufe oder Praktika, aus. „Auch der Austausch mit Schulleitungen ist für mich sehr wertvoll. Viele zeigen echtes Interesse daran, ihre Schule zukunftsfähig auszurichten.“
Man kann den Passungsproblemen aber nicht die alleinige Schuld an dem Mangel an geeigneten Bewerbungen geben. Davon zumindest ist Dietl überzeugt. Auch der demografische Wandel und die mangelnde Attraktivität der Ausbildungsvergütung trügen ihren Teil dazu bei. Er rät Unternehmen, deutlich aktiver zu werden: „Wir müssen zeigen, warum sich eine Ausbildung bei uns lohnt, und die jungen Menschen zeitgemäß ansprechen – etwa über Social Media. Klassische Wege reichen da nicht mehr aus.“
Angela Heider-Willms verantwortet die Berichterstattung zu den Themen Transformation, Change Management und Leadership. Zudem beschäftigt sie sich mit dem Thema Diversity.

