Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

High-Potential-Management als Teil des Talentmanagements

Ein einheitliches Verständnis von Talentmanagement existiert weder in der Wissenschaft noch in der Unternehmenspraxis. Divergierende Sichtweisen erschweren das Verständnis. Dieser Beitrag setzt den Fokus auf eine Subform des Talentmanagements, den „engen Ansatz“. Der geht nicht der Frage nach, wie das Potenzial jedes einzelnen Mitarbeiters zu heben ist, sondern der Fokus liegt auf High Potentials, die den Unternehmenserfolg nachhaltig sichern können. Diese Personen zielgerichtet zu gewinnen, zu entwickeln, zu motivieren, zu binden und einzusetzen erfordert ein systematisches Vorgehen. Nachfolgend werden die Grundzüge eines High-Potential-Managements vorgestellt.

High-Potential-Strategie

Um die Erfolgspotenziale, die mit High Potentials einhergehen, zu realisieren, bedarf es eines ganzheitlichen, integrativen Ansatzes, dessen wichtigste Bestandteile oben dargestellt sind. High-Potential-Management ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Erreichen strategischer Unternehmensziele, um die Wettbewerbsfähigkeit heute und in Zukunft sicherzustellen. Eine High-Potential-Strategie sollte in Anlehnung an Scholz (2011, 43) aus der Unternehmensstrategie abgeleitet oder im Idealfall ein integrativer Bestandteil der Unternehmensstrategie sein. Fahrlässig wäre es, wenn angesichts der Bedeutung von High Potentials keine High-Potential-Strategie oder nur losgelöst von der Unternehmensstrategie existiert. In einer empirischen Studie, basierend auf einer Befragung von 201 Unternehmen in der DACH-Region, zeigen Weinert et al. (2014, 30), dass zwar 82,1 Prozent der Studienteilnehmer High Potentials als zentrale Mitarbeitergruppe zum Erreichen strategischer Unternehmensziele ansehen, dass aber nur 57,9 Prozent über eine Strategie mit explizitem Bezug zu High Potentials verfügen.

Idealtypisch wird im Rahmen der Strategieentwicklung das zukünftige Zielbild entwickelt. Die (Teil-)Ziele sollten stets SMART sein, also spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert (Doran 1981). Konkret ist im High-Potential-Management sicherzustellen, dass jederzeit genügend Nachfolgekandidaten für erfolgskritische Positionen mit den notwendigen Kompetenzen vorhanden sind. Zu diesem Zweck gilt es, in einem nachfolgenden Schritt eine Talent-Pipeline zu entwickeln. Grundlage dafür ist der Talentpool, dem alle identifizierten High Potentials angehören.

Der Aufbau einer Talent-Pipeline und eines Talentpools ist von Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens und externen Einflüssen wie Arbeitsmarkt oder Maßnahmen der Wettbewerber abhängig. Daher ist es zu empfehlen, dass diese Instrumente einen Risikopuffer beinhalten. Es sollten mehr High Potentials vorhanden sein als zu besetzende Stellen, denn ein Ausfall oder eine ungeplante Abwanderung von High Potentials ist nie auszuschließen.

Um Ziele messen zu können, ist der Einbezug geeigneter Kennzahlen zur Fortschritts-, Abweichungs- und Erfolgskontrolle ein weiterer Bestandteil der Strategieentwicklung (Boudreau & Ramstad 2006). Nur so lässt sich der wirtschaftliche Mehrwert eines integrierten High-Potential-Managements sicher nachweisen. Zudem helfen Kennzahlen und deren regelmäßige Überprüfung, kritische Abweichungen frühzeitig zu identifizieren und gegenzusteuern.

Die wichtigste Kennzahl ist hier nicht die Anzahl der High Potentials, sondern die Anzahl der Ready Candidates, die unverzüglich imstande sind, erfolgskritische Positionen adäquat zu besetzen. Die Phase der Strategieentwicklung beinhaltet die Benennung der verantwortlichen Personen und die Bestimmung des Ausmaßes ihrer Entscheidungsbefugnisse.

High-Potential-Kultur

Erfolgsentscheidend ist auch die Schaffung einer High-Potential-Kultur. Darin wird die Leistung von Mitarbeitern nicht nur eingefordert, sondern aktiv gefördert und anerkannt. Eine zentrale Rolle spielen die Führungskräfte vom Top-Management bis zur Teamleiterebene. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, potenzielle High Potentials zu identifizieren und zu entwickeln. HR unterstützt sie dabei mit Instrumenten, Prozessen und Beratung. Eine solche Kultur gilt es oft erst zu entwickeln. Der Prozess ist langwierig und nur bedingt steuerbar. Nehmen Führungskräfte und HR ihre Rolle aktiv wahr und werden Zeichen sichtbar, indem zentrale Positionen mit High Potentials aus dem eigenen Pool besetzt werden, lässt sich eine High-Potential-Kultur besser entfalten.

HR-Instrumente und -Methoden

Für ein effektives High-Potential-Management muss HR nach Möglichkeit den gesamten Lebenszyklus eines High Potentials berücksichtigen. Zu Beginn ist zu klären, welche Kriterien anzulegen sind, um eine Person als High Potential zu bezeichnen. Manche Autoren postulieren, dass einige wenige Persönlichkeitseigenschaften, so genannte Potenzialtreiber, besonders bedeutsam sind, insbesondere Intelligenz, Leistungsmotivation und Lernfähigkeit (Enaux & Henrich 2011, 29). In anderen Betrieben werden organisationsspezifische Kriterien definiert. In der großen Mehrheit der Unternehmen scheinen keine Kriterien vorzuliegen (Weinert et al. 201, 31).

Wenn Kriterien vorliegen und eine erste Eingrenzung der potentiellen High Potentials vorgenommen werden kann, sollte eine Validierung durch eignungsdiagnostische Verfahren erfolgen. Psychometrische Testverfahren, speziell Intelligenztests, scheinen empfehlenswert, da sie eine hohe prognostische Validität in Bezug auf den späteren Berufserfolg aufweisen (Schmidt & Hunter 1998). Doch Intelligenztests werden einer Studie von Weinert, van Laak und Müller-Vorbrüggen (2014, 13) zufolge nur in rund 13 Prozent der Unternehmen zur Identifikation von High Potentials eingesetzt. Mit 74 Prozent der Nennungen wird die Leistungsbeurteilung am häufigsten genutzt.

Eine Alternative für die High-Potenzial-Identifikation ist der Talent-Review-Prozess. In regelmäßigen Zyklen, häufig im Jahresrhythmus, schlagen Vorgesetzte Mitarbeiter als potenzielle High Potentials vor. Befürwortet die nächsthöhere Ebene den Vorschlag, werden die Kandidaten in einem Talent-Summit, dem obere Führungskräfte bis zu Vorstand bzw. Geschäftsführung angehören, bestätigt oder abgelehnt. Bei einer Bestätigung werden die Personen in den Talent-Pool aufgenommen. Die Zeit im Talent-Pool, die häufig zwischen zwölf und 24 Monaten dauert, dient der zielgerichteten Entwicklung der High Potentials. Der Aufbau grundlegender Managementkompetenzen steht dabei im Mittelpunkt. Der Methodenmix sollte sich stets nach den zukünftig notwendigen Anforderungen richten. Im Vorfeld ist eine Anforderungsanalyse zu empfehlen. Über die Entwicklung von Managementkompetenzen hinaus dient die Zugehörigkeit zum Talent-Pool dazu, Netzwerke zwischen High Potentials sowie zwischen High Potentials und Entscheidern im Top Management aufzubauen.

Alle Maßnahmen zur Identifikation und Entwicklung von High Potentials sind Investitionen des Unternehmens, die sich dann auszahlen, wenn sich erfolgskritische Positionen kurzfristig mit geeigneten internen Kandidaten besetzen lassen. Daher ist es erfolgsentscheidend, diese Personen gezielt an das Unternehmen zu binden. Dafür lassen sich vielfältige Möglichkeiten materieller oder immaterieller Art nutzen. Deren Auswahl und Einsatz hängen von unternehmerischen Ressourcen und Präferenzen der Kandidaten ab, so dass allgemeingültige Empfehlungen nicht möglich sind. HR hat die vorrangige Aufgabe, Bindungsmaßnahmen zu gestalten. Am Ende des Lebenszyklus eines High Potentials steht die Nachfolgeplanung. Sie stellt ein systematisches Matching zwischen High Potentials und deren Kompetenzen einerseits und den Anforderungen wichtiger Positionen andererseits sicher.

Fazit

High Potentials können als herausragende Mitarbeiter die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben entscheidend beeinflussen. Um sie gezielt einzusetzen, bedarf es eines integrierten High-Potential-Managements, das aus der Strategie abgeleitet ist und wertschätzende HR-Maßnahmen beinhaltet.

info(*)faz-personaljournal(.)de

Info

Literatur

Boudreau, J.W. & Ramstad, P.M. (2006). Talentship and HR measurement and analysis: From ROI to strategic organisational change. Human Resource Planning, 29 (1), 25-33

Capelli, Peter (2008). Talent on Demand. Boston: Harvard Business School Press

Doran, G. T. (1981). There‘s a S.M.A.R.T. way to write management‘s goals and objectives. Management Review, 70 (11), 35-36

Enaux, C. & Henrich, F. (2011). Strategisches Talent-Management. Freiburg: Haufe

Scholz, C. (2011). Grundzüge des Personalmanagements. München: Vahlen

Weinert, S., van Laak, C., Müller-Vorbrüggen, M. & Nachtwei, J. (2014). Es hapert an der Umsetzung. Personalmagazin, 2, 30-31

Weinert, S., van Laak, C., Müller-Vorbrüggen, M. (2014). Identifikation von High Potentials: Testverfahren fristen ein Schattendasein. Wirtschaftspsychologie aktuell, Nr. 3, 12-14