Aktuelle Ausgabe neu

Newsletter

Abonnieren

So funktioniert Personalentwicklung bei der IT-Beratung viadee

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Traditionell werden Menschen für ausgeschriebene Stellen gesucht. Wie wäre es, das Verfahren auf den Kopf zu stellen und sich an den Mitarbeitenden zu orientieren – also passende Positionen für die Mitarbeitenden statt passende Mitarbeitende für eine Position zu suchen? Wir, die viadee IT-Unternehmensberatung AG aus Münster, gehen genau diesen Weg. Dafür haben wir den viadee-Karrierekompass entwickelt, ein mehrstufiges Personalentwicklungsprogramm, das inzwischen 110 Mitarbeitende durchlaufen haben. Das Ergebnis: sehr hohe Mitarbeiterzufriedenheit und geringe Fluktuation

Info

Im Jahr 2015 waren wir bei der viadee zu der Erkenntnis gelangt, dass wir flexiblere Organisationsstrukturen brauchten, um zukunftsfähig zu bleiben. Wenn wir weiter wachsen wollten, musste die Verantwortung für einzelne Aufgaben auf mehr Schultern verteilt werden. Da unsere internen Hierarchien auf Kompetenzen basieren, hielten wir es für entscheidend, die Potenziale der eigenen Mitarbeitenden noch besser zu erkennen. Wir wollten allen Interessierten die Möglichkeit bieten, sich in die dafür geeigneten und auch am stärksten gefragten Aufgabenfelder einzuarbeiten: in Funktionen im Vertrieb und der Personalführung oder in die Rolle von „Fachexperten“; so nennen wir Beratende mit einem Themenschwerpunkt (Software-Architektur, KI et cetera). Dafür entwickelten wir den viadee-Karrierekompass.

Sicherheit als Voraussetzung

Der Karrierekompass richtet sich insbesondere an Beraterinnen und Berater, mit dem Ziel, ihnen Orientierung zu geben und Perspektiven auf mögliche Entwicklungspfade zu eröffnen. Wir sind überzeugt, dass Menschen dann langfristig leistungsfähig sind, wenn sie intrinsisch motivierte Tätigkeiten ausführen. Es ist zudem ein wichtiges Merkmal der viadee-Kultur, in der Personalentwicklung auch auf Eigeninitiative zu setzen. Insofern war es bei der Ausgestaltung eines Personalentwicklungsprogramms wichtig, auf keinen Fall ein klassisches Bewertungs- und Auswahlverfahren zu konzipieren. Vielmehr sollten alle Mitarbeitenden die Chance bekommen, ihre persönlichen Motivationen zu reflektieren und passende unternehmensinterne Entwicklungsziele zu finden, oder eben für sich zu entscheiden, dass die aktuelle Rolle genau die richtige sei. Im Rahmen dieses Prozesses gab es folgende Prämissen:

  • Beurteilungsfreiheit: Alle bekommen die Chance, sich ohne Bewertung (etwa „geeignet“ beziehungsweise „ungeeignet“) und ergebnisoffen mit ihren mittelfristigen Karrierezielen auseinanderzusetzen.
  • Freiwilligkeit: Niemand muss teilnehmen. Außerdem ist es allen freigestellt, ob sie Erkenntnisse und erhaltenes Feedback mit anderen Menschen teilen oder nicht.
  • Chancengleichheit: Es gibt keine Einschränkung beim Entwicklungsziel. Alle Rollengruppen – beispielsweise Führungskräfte – stehen grundsätzlich allen Teilnehmenden offen.

Phasen der Personalentwicklung

Jeder Durchgang des Karrierekompasses ist sequenziell aufgebaut und besteht aus drei Phasen. Erstens der Standortbestimmung, zweitens einem Planspiel und drittens der Festlegung langfristiger Entwicklungmaßnahmen. Aktuell finden jährlich zwei Runden des Karrierekompasses bei viadee statt, das Durchlaufen von Phase eins und zwei dauert dabei durchschnittlich fünf Monate. Die Dauer von Phase drei richtet sich nach dem individuell vereinbarten Entwicklungsplan. Es nehmen jeweils acht Personen teil. Im Einzelnen laufen die Phasen wie folgt ab:

Abbildung: viadee
  • Phase 1: Motivation als Basis
    In der ersten Phase setzen sich die Teilnehmenden mit ihren persönlichen Motiven auseinander, um zu erkennen, was sie im Arbeitskontext intrinsisch antreibt. Dies erfasst viadee mittels Luxx-Profilen: Das Verfahren unterscheidet 16 Lebensmotive und hilft, die eigene konkrete Ausprägung zu verstehen. Ein Beispiel: Manchen Menschen ist das Motiv „Autonomie“ sehr wichtig. Sie können durch individuelle, selbstgesteuerte Arbeit beflügelt werden. Demgegenüber stehen Menschen, die ihre Motivation eher aus starker Teamorientierung, enger Abstimmung und gemeinsamen Aktionen ziehen.

    Das eigene Luxx-Profil wird in einem wertefreien Farbsystem veranschaulicht und anschließend mit einem Luxx-Master ausführlich besprochen. Dabei wird auch erörtert, wie sich die jeweiligen Ausprägungen auf die Rollen und Aufgaben in der Organisation auswirken könnten. Dieses Gespräch ist streng vertraulich. Alle sollen unbefangen über ihre Motive, Wünsche und Ziele sprechen. viadee bekommt weder einen Ergebnisbericht noch das Profil zu sehen. Einzige Ausnahme sind die ausgewählten Rollen – denn die sind Voraussetzung für Phase zwei, das Planspiel.
  • Phase 2: Ausprobieren im sicheren Raum
    In dieser Phase besprechen die Mitarbeitenden mit einem externen Berater ihre persönlichen Vorstellungen und wählen bis zu zwei Rollen aus, die ihnen als mittelfristig interessante Perspektiven erscheinen. Im Planspiel können die Teilnehmenden ihre ausgewählten Rollen praktisch erproben. In Gruppen zu jeweils vier Beteiligten durchleben sie einen Tag mit maßgeschneiderten Aufgabenszenarien: Vormittags schlüpfen sie in die erste, nachmittags in die zweite Rolle. Um der Realität möglichst nah zu kommen, spielt die Gruppe dabei in einem durchgängigen Szenario Situationen aus dem Arbeitsalltag durch.

    Die Gesamtszenarien sind eng mit dem Geschäftsmodell von viadee verwoben: Plant beispielsweise ein Kunde ein neues Großprojekt und beauftragt viadee mit der IT-Beratung, stellen wir abhängig von den gewählten Rollen der Teilnehmenden die typischen Arbeitssituationen nach. So kann zum Beispiel ein Teilnehmer in der Rolle des Vertrieblers zum Kunden gehen und ein Gespräch über die Projektinhalte und den Beratungsbedarf führen. Oder eine Teilnehmerin probiert sich als Teilprojektleiterin im gleichen Umfeld aus. Die Kundenrollen werden während des Planspiels von Kollegen und Kolleginnen übernommen, die das Geschäft und die typischen Beratungssituationen gut kennen.

    So gibt es über den ganzen Planspieltag die unterschiedlichsten Arbeitsszenarien, vom Vertriebsgespräch über einen Fachvortrag bis zur Lenkungsausschusssitzung. Die Mitarbeitenden reflektieren, ob die jeweiligen Arbeitsinhalte tatsächlich zu ihnen passen. Im Anschluss erhalten alle Teilnehmenden Anregungen, welche Weiterbildungsinhalte für sie wichtig wären, um die von ihnen ausgewählte Rolle – so sie sie noch anstreben – perspektivisch ausfüllen zu können

    Wichtig ist, dass auch in dieser Phase die Fähigkeiten der Einzelnen im Hinblick auf die gestellten Aufgaben in keiner Weise bewertet werden. Es gibt ein Kollegen-Feedback zu den Spielsituationen und auf Wunsch auch ein Feedback eines Coaches, jedoch keine Bewertungs- oder Potenzialanalyse für die Unternehmensleitung der viadee. Es geht vielmehr darum, möglichst praxisnah Arbeitssituationen zu erfahren und zu prüfen, ob diese Aufgaben den persönlichen Motiven und Zielen der betreffenden Personen entsprechen.
  • Phase 3: Impulse verinnerlichen
    Die dritte Phase beginnt mit einem Entwicklungsgespräch, in dem alle gesammelten Erfahrungen zwischen dem Personalberater, der teilnehmenden Person sowie deren Führungskraft besprochen werden. Ziel ist es, die mittelfristigen Entwicklungsziele zu definieren und den möglichen Weg dorthin vorzudenken. So kann zum Beispiel eine Beratungs-Mitarbeiterin, die an Vertriebsaufgaben interessiert ist, Stück für Stück solche Aufgaben beim eigenen Kunden übernehmen. Oder die potenzielle „Fachexpertin“ kann konkret Vorträge zu ihrem neuen Thema auf Konferenzen planen. Darüber hinaus werden genauere Weiterbildungsschritte vereinbart: Schulungen, Trainings on the Job, kollegiale Beratungen oder individuelle Coachings.

    In der darauffolgenden Zeit durchlaufen die Teilnehmenden dann den abgestimmten Fortbildungsplan. Sie erhalten begleitend zu ihren Projekteinsätzen konkrete neue Aufgaben im gewünschten Tätigkeitsbereich. Der Entwicklungsprozess ist dabei langfristig angelegt und mit der täglichen Arbeit verzahnt, um die Übertragung und Verankerung des Gelernten in die Praxis zu gewährleisten. Das jährliche Mitarbeitergespräch mit der persönlichen Führungskraft bietet die Möglichkeit, die eingeschlagene Richtung laufend zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Info

Ergebnisse und Wirkungen

Unser Unternehmen entwickelt seine Führungskräfte heute zu 100 Prozent aus den eigenen Reihen. Im Mai 2024 werden wir die 14. Anwendung des Karrierekompasses beenden, dann haben sich insgesamt 110 viadee-Mitarbeitende als Vertriebler, Personalführungskraft, Fachexpertin oder Projektleitung ausprobiert und sind zumindest innerlich in diesen Rollen angekommen.

Die dafür nötige Investition in die Mitarbeitenden empfinden wir als mehrfach lohnenswert, denn das Aufzeigen und Wahrnehmen von Entwicklungsperspektiven verstärkt das Gefühl der Unternehmenszugehörigkeit und senkt die Fluktuationsrate. Zudem werden die Einstiege in die neuen Rollen aufgrund des behutsamen Prozesses nicht als „Sprung ins kalte Wasser“ wahrgenommen.

Trotz der Prämisse der freiwilligen Weitergabe von Informationen legen viele Mitarbeitende ihr Luxx-Motivationsprofil gegenüber Kolleginnen und Kollegen offen. Typischerweise entstehen dann „Lass uns mal vergleichen“-Situationen, in denen die Beteiligten einander mit viel Spaß und Anekdoten besser verstehen lernen. Die Frage der Motive und ihrer Ausprägungen haben heute einen festen Platz in unserer Unternehmenskultur. Sie werden kommuniziert, zitiert und respektiert. So kümmern sich Menschen mit „Struktur rot“ – sie werden durch Strukturen motiviert – bei Projekten um die Agenda oder die Dokumentation. Menschen mit „Neugier blau“ – die durch praktische Anwendbarkeit von Erkenntnissen motiviert werden – sorgen ihrerseits dafür, dass neue Impulse, die ans Team herangetragen werden, auch in der Praxis ankommen.

Info

Info

Autor