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So lassen sich Soft Skills bestimmen und bewerten

Frage an die HR-Werkstatt: „Aus Gesprächen mit unseren Führungskräften wissen wir, dass ihnen das Erfassen und Einschätzen der Soft Skills im Rahmen der regelmäßigen Mitarbeiterbeurteilung schwerfällt. Wie können wir die Verantwortlichen bei dieser Aufgabe unterstützen?“  

Es antwortet: Michael Kluge, Ausbildungs- und Leadership-Experte

Soft Skills kommt oftmals eine besondere Bedeutung zu. Für Führungskräfte allerdings sind diese Kompetenzen nicht immer ganz einfach einzuschätzen. Sie müssen im Arbeitsalltag erkennen, inwiefern ein Mitarbeiter beispielsweise angemessen kommuniziert oder nicht. Falls das Ergebnis positiv ausfällt, gilt es, die Ausprägung der Kommunikationsfähigkeit festzustellen.

Schritt 1:  Schlüsseln Sie Soft Skills in konkrete Verhaltensweisen auf!

Das Erfassen und Einschätzen von Soft Skills wie Organisationsfähigkeit oder Arbeitsmethodik ist ohne eine aus dem Kontext abgeleitete Definition nicht denkbar. Denn die einzelnen Substantive haben einen schier unermesslichen Interpretationsspielraum. Demzufolge ist die Mehrdeutigkeit solcher Oberbegriffe einzugrenzen und zu gewichten. Das Ergebnis sind dann einzelne, klar beobachtbare Verhaltensweisen, an denen sich jeder orientieren oder reiben kann – meistens auch beides. Wenn eine solche klare und greifbare Aufzählung fehlt, wächst meistens das Misstrauen den getroffenen Bewertungen gegenüber. Der Grund: Schnell entsteht der Verdacht von Willkür. Und das erzeugt Hilflosigkeit, Wut oder Resignation – drei Reaktionsweisen, die einem produktiven Miteinander im Weg stehen.

Soft Skills in konkrete, beobachtbare Verhaltensweisen aufzuschlüsseln, ist erfahrungsgemäß eine Fleißarbeit. Diese kann HR den Führungskräften nicht abnehmen – auch wenn sie es sich oft wünschen. Denn neben den abteilungsübergreifenden Verhaltensweisen wie Freundlichkeit müssen alle anderen definierten Anforderungen im Zusammenhang mit der jeweiligen Stellenplatzbeschreibung stehen. Das bedeutet: Eine Verhaltensweise, die für die Abteilung X angemessen ist, muss nicht automatisch für die Abteilung Y sinnvoll sein. Die abteilungsspezifischen Besonderheiten dürfte keiner so gut kennen, wie der jeweilige Vorgesetzte.

Schritt 2:  Führungskräfte können lernen, wie Soft Skills sich in beobachtbare Verhaltensweisen aufschlüsseln lassen!

Regen Sie als HR-Mitarbeiter Ihre Führungskräfte dazu an, sich hinsichtlich der einzelnen Soft Skills folgende Frage zu stellen: „Was muss mein Mitarbeiter faktisch tun, damit ich ihn beispielsweise als ‚kommunikationsfähig’ wahrnehme?“ Eine möglich Antwort darauf könnte lauten: „Der Mitarbeiter schaltet sich (unaufgefordert) in Diskussionen ein und leistet dabei einen konstruktiven Beitrag.“

Manchen Führungskräften fällt es leichter, diese Anforderungen über den Weg der Verneinung zu definieren, zum Beispiel: „Über welche Verhaltensweisen würde ich mich tendenziell ärgern?“ Angenommen, dies ist der Fall, wenn der Mitarbeiter „schwafelt“ und „pseudoenglisches Imponiergehabe“ praktiziert. Aus diesen Negationen lässt sich umgekehrt das positive Gegenteil ableiten, zum Beispiel: „Der Mitarbeiter bringt die Kernaussagen auf den Punkt und verwendet dabei eine fachlich richtige Wortwahl.“ 

Schritt 3: Unterstützen Sie die Führungskräfte mit einer Musterliste!

Selbst wenn Sie den Führungskräften die Arbeit der Operationalisierung von Soft Skills nicht ersparen können, können Sie ihnen dennoch eine Musterliste zur Verfügung stellen. Darin enthalten ist eine Übersicht, die die wichtigsten Soft Skills Ihres Beurteilungsbogens enthält in Kombination mit möglichen Verhaltensweisen, die den einzelnen Kriterien zugeordnet sind. Aber Obacht! Es geht nicht darum, dass die Führungskräfte die genannten Vorschläge Eins-zu-eins übernehmen, sondern sich davon anregen lassen bei der Definition eigener Erwartungen – immer passend zum jeweiligen Arbeitsumfeld. Zu Ihrer eigenen Inspiration können Sie hier eine solche Musterliste als PDF-Datei herunterladen.

Schritt 4: Erläutern Sie Ihren Führungskräften, wie mit mehrdeutigen Verhaltensweisen umzugehen ist!

Bei der Definition einzelner Soft Skills stellen die Führungskräfte möglicherweise fest, dass sich einzelne Verhaltensweisen nicht eindeutig zuordnen lassen. So kann die positive Antwort auf die Frage „Geht der Mitarbeiter auf Kollegen in der Abteilung zu, sucht das Gespräch und stellt Fragen?“ sowohl auf seine Teamfähigkeit als ebenso auf seine Kommunikationsfähigkeit hinweisen. Bei solchen Überschneidungen empfiehlt es sich, die damit verbundene Erwartung eindeutig einem Beurteilungskriterium zuzuordnen und nur dort zu bewerten. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass ein und dieselbe beobachtete Verhaltensweise gleich zweimal zu Buche schlägt – sowohl im positiven als auch im negativen Fall.

Schritt 5: Vermitteln Sie Führungskräften, wie sie die Soft Skills gewichten können!

In vielen Beurteilungsbögen müssen die Führungskräfte nicht nur feststellen, ob ein Mitarbeiter beispielsweise als teamfähig gilt oder nicht. Sie müssen auch festlegen, welche Ausprägung der Mitarbeiter auf einer Skala von X bis Y erreicht hat. Angenommen, Ihr unternehmensinterner Beurteilungsbogen sieht eine sechsstufige Bewertungsskala vor. Während die 80 als unterste Zahl für eine „stark verbesserungsbedürftige Leistung“ steht, symbolisiert die 130 als höchste Stufe eine „hervorragende Leistung“. Nehmen wir weiterhin an, Ziel Ihres Unternehmens ist es, dass in jeder Abteilung jeder Mitarbeiter zumindest die dritte Stufe erreichen und somit 100 Punkte bekommen soll. Dies entspräche einer „erwartungsgemäßen Leistung“.

Wie können die Führungskräfte festlegen, was eine „stark verbesserungsbedürftige“, „erwartungsgemäße“ oder „hervorragende Leistung“ in der Abteilung ist? Sie können zwischen der quantitativen und der qualitativen Methode wählen.

Die quantitative Methode
Angenommen, eine Führungskraft hat hinsichtlich der „Kommunikationsfähigkeit“ zwölf beobachtbare Verhaltensweisen beschrieben. Dann kann sie Folgendes festlegen: Wenn ein Mitarbeiter mindestens zwei Kriterien erfüllt, entspricht das einer Bewertung von 80 Punkten. Wenn er zwei weitere Kriterien erfüllt, bekommt er 90 Punkte. Und so weiter.

Die qualitative Methode
In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen: Welches Verhalten muss ein Mitarbeiter nach einer bestimmten Zeit seines Einsatzes auf jeden Fall beherrschen? Welches Verhalten entspräche in der Abteilung einer „Minimalkompetenz“ und ist insofern unabdingbar, um in der Bewertung zumindest die unterste Stufe von 80 Punkten zu erlangen? Welches Verhalten wäre zusätzlich von Vorteil, um eine Punktzahl von 100 zu bekommen? Und welche Handlungen geben den Ausschlag, um als „hervorragende Leistung“ mit 130 Punkten bewertet zu werden?

Die Kombination beider Verfahren
Selbstverständlich kann eine Führungskraft auch beide Verfahren kombinieren. Statt sechs x-beliebige Verhaltensweisen mit 100 Punkten zu bewerten, bestimmt sie im Vorfeld die sechs Eigenschaften, die einer „erwartungsgemäßen Leistung“ entsprechen. 

Schritt 6: Erinnern Sie an die Informations- und Aufklärungsaufgabe, die eine Führungskraft hat!

Damit es in den einzelnen Beurteilungsgesprächen keine bösen Überraschungen gibt, empfiehlt es sich, dass Führungskräfte die Kriterien offenlegen, nach denen sie die Mitarbeiter beurteilen. Die Mitteilung darüber, was einer Führungskraft wichtig ist, was sie im Einzelnen beobachten und wie beurteilen wird, fördert die Transparenz des Beurteilungsmaßstabes und reduziert zugleich die Subjektivität, die trotz allen Bemühens einem solchen Instrument innewohnt.

✓ Werkstatt-Check: So unterstützen Sie Führungskräfte bei der Beurteilung
Soft Skills in konkrete Verhaltensweisen aufschlüsseln
Verhaltensweisen als Fragen formulieren
Musterliste zur Verfügung stellen
Umgang mit mehrdeutigen Verhaltensweisen definieren
Gewichtung von Soft Skills definieren
Beurteilungskriterien für alle Beteiligten transparent halten

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