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Übung macht den Meister

Musiker spielt Trompete
Bild: MACIEJ NOSKOWSKI/istock

Kinder und Jugendliche von 8 bis 18 Jahren, die sich am renommierten Julius-Stern-Institut zur musikalischen Nachwuchsförderung an der Universität der Künste in Berlin bewerben, müssen eine musikalische Vorbildung nachweisen. „Es reicht nicht, wenn die Eltern vom Talent ihres Kindes überzeugt sind“, sagt Anita Rennert, Musikpädagogin, Gitarristin und Professorin am Institut. Sie fördert nur solche jungen Menschen, denen Lehrer eine herausragende Begabung bescheinigen. Und Fleiß, sehr großen Fleiß. Denn in der Tonkunst macht erst die Übung den Meister. „Was auf der Bühne so leicht aussieht“, sagt Rennert mit Nachdruck, „ist harte Arbeit.“

Eine musikalische Begabung macht sich an vielen Dingen fest. Wie man Musik hört. Wie man sie wiedergibt. Wie gut man sein Instrument beherrscht. „Und wie man Musik emotional und intellektuell versteht“, vervollständigt die Professorin. Auf all diese Kriterien achten die pädagogisch geschulten Dozenten beim Vorspielen oder -singen. Danach entscheiden sie, ob das Kind oder der Jugendliche in musikalischer Hinsicht so viel verspricht, dass die Förderung durch das Institut berechtigt ist.

Etwa 70 junge Menschen sind ständig im Programm. Es beginnt mit der Aufnahme, endet mit dem Schulabschluss und bedeutet – neben der Auszeichnung, Jungstudierender an der Universität zu sein – viel Engagement. Während des Semesters bekommen die angehenden Instrumentalsolisten, Sänger oder Orchestermusiker an der Universität wöchentlich 90 Minuten Einzelunterricht. Ab 14 Jahren kommen Musiktheorie und Gehörbildung dazu. Streicher ab dem zwölften Lebensjahr müssen zusätzlich am Julius-Stern-Kammerorchester teilnehmen. Das heißt also: üben, üben und nochmal üben.

Man müsse bis zu 10 000 Stunden üben, um in einem gewissen Alter ein erfolgreicher Musiker zu sein,

überträgt Rennert die vom US-Psychologen Anders Ericsson aufgestellte Regel auf ihr Fach. Auf ihren künftigen Beruf praktisch vorbereitet werden die Heranwachsenden, indem sie Konzerte geben. Davon gibt es am Julius-Stern-Institut sehr viele. Und darauf müssen sie sich natürlich noch gesondert vorbereiten.

Auf die Frage, woran sie den Erfolg ihrer Talentförderung festmacht, zögert Anita Rennert kurz: „Das ist schwierig.“ Einen Anhaltspunkt gebe die Zahl der Wettbewerbserfolge bei den Regional-, Landes- und Bundeswettbewerben von „Jugend musiziert“. „Unsere Kinder zählen immer zu den Preisträgern“, sagt Rennert. In der Kunst sei das gute Abschneiden bei einem Wettbewerb aber kein Garantieschein für Erfolg. „Aber es gehört dazu“, sagt Rennert. Vier von fünf Absolventen des Nachwuchsförderprogramms gehen anschließend auf die Musikhochschule. Sie wissen, auf welch mühevolles Berufsleben sie sich einlassen.

In der Musik ebenso wie im Tanz und im Sport bedarf die Talentförderung von Kindern und Jugendlichen der Hilfe der Eltern. Sie müssen das Leben des Kindes so organisieren, dass es noch ausreichend Freizeit hat. Sie müssen für Instrumente, Ausbildung und Konzertreisen Geld übrig haben. Wenn das Kind mal einen Durchhänger hat und die Noten, den Unterricht, das ständige Üben und die Eltern zum Teufel wünscht, müssen sie es verstehen und ermutigen. Und wenn sich im Laufe der Ausbildung herausstellt, dass die Begabung doch nicht für die große Solokarriere reicht, dürfen sie ihm nicht böse sein. So gesehen, leisten die Eltern eines Talentes auch harte Arbeit. Instrumentalunterricht ist teuer. Hoch qualifizierte Lehrer verlangen und bekommen bis zu 100 Euro pro Stunde. „Unsere Talentförderung ist mit Kosten von 30 Euro je Monat eine hoch subventionierte Angelegenheit“, sagt Anita Rennert. Für Talentförderung bezahlen? Für HR ist das keine Option. Oder etwa doch?

Autorin: Christine Demmer


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