Deutsche Unternehmen bleiben von der Kündigungswelle durch Arbeitnehmer nicht verschont. Bereits im Jahr 2021 stieg die Zahl der Kündigungen, verglichen mit dem Vorjahr, um rund ein Drittel (+ 34 Prozent). Auch im Jahr 2022 dürfte die Zahl der Arbeitnehmer, die ihren Job kündigen, zunehmen. Prognosen gehen davon aus, dass insbesondere in der Dienstleistungsbranche die Zahl der Kündigungen deutlich zunehmen und sich mindestens verdoppeln wird.
Dieser Trend liegt auch daran, dass sich durch die Coronapandemie die Strukturen des Arbeitsmarktes verändert haben. Insbesondere im Gesundheitswesen, im Einzelhandel, im Dienstleistungssektor sowie in der Software- und Internetbranche macht sich die sogenannte „Great Resignation“ breit. Mehr als drei Viertel (77 Prozent) der Kündigungen in Deutschland sind diesen Branchen zuzuordnen.
Junge Talente tendieren am häufigsten zu Jobwechsel
Die Kündigungsrate ist bei jungen Talenten am höchsten. Ergebnisse einer Umfrage des Softwareunternehmens Kenjo unter knapp 18.000 Arbeitnehmern zeigen, dass vier von zehn Rücktritten die Generation Y betreffen. 27 Prozent der freiwilligen Kündigungen werden von Menschen zwischen 25 und 30 Jahren eingereicht. Dicht gefolgt von der Altersgruppe der 31- bis 35-Jährigen, die mit 19 Prozent repräsentiert ist. Angaben zufolge nehmen auch die Kündigungen bei den über 40-Jährigen im Jahr 2022 zu.
Als Gründe für ihren Jobwechsel geben die Talente vor allem Veränderungen im Privatleben, den Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance, Karrierewechsel sowie höhere Gehaltsvorstellungen an. Zu der ohnehin hohen Kündigungsbereitschaft kommen Arbeitnehmer hinzu, die aufgrund der Änderung des Arbeitszeiterfassungsgesetzes in Deutschland die Überstundenregelungen in ihren Unternehmen überdenken und sich nach alternativen Jobs umsehen könnten.
Kündigungen als Chance begreifen
Die meisten Kündigungen reichen Arbeitnehmer in den Monaten September bis Dezember ein. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie in diesen Monaten einen Fokus auf das Recruiting legen und die Chancen nutzen sollten, die sich durch die Kündigungen bei anderen Arbeitgebern ergeben. Bei richtigem Timing können Unternehmen die Talente anziehen, die andere Unternehmen verlassen haben.
Trend „Quiet Quitting“ vorbeugen
Wichtig ist auch, den Trend zum sogenannten „Quiet Quitting“ zu kennen und zu berücksichtigen. Die stille Kündigung bedeutet nicht, dass Arbeitnehmer ihren Job kündigen. Vielmehr leisten sie bei ihrem Arbeitgeber nur noch das, was vertraglich vereinbart ist. Zusatzaufgaben lehnen sie ab. Vor allem wollen sie dadurch eine ausgewogene Work-Life-Balance finden.
Auf Unternehmen lastet somit ein hoher Druck. Sie müssen die Arbeitsbedingungen verbessern, allein darum, um die Mitarbeiterbindung zu stärken und Jobwechseln vorzubeugen. Unternehmen, die eine Kultur geschaffen haben und deren Unternehmenswerte mit den Werten ihrer Mitarbeiter übereinstimmen, haben auf dem Arbeitskräftemarkt einen Wettbewerbsvorteil.
Auch sollten Unternehmen, gerade vor dem Hintergrund der Arbeitszeiterfassung, transparente Tools zur Nachverfolgung der Arbeitsstunden etablieren. Des Weiteren kann eine ausgeprägte Feedbackkultur zur Bindung von Talenten beitragen.
Bei der Suche nach neuen Talenten können digitale Rekrutierungsstrategien helfen. Durch diese Maßnahmen können Arbeitgeber in Zeiten der „Great Resignation“ im Wettbewerb um Talente mithalten.
Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersversorgung. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das F.A.Z.-Personaljournal. Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.